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Wer nicht aufwachen will, will unsanft geweckt werden

Corona offenbart die morschen Stümpfe unseres Gemeinwesens. Das ist bitter, aber was fällt, soll man stoßen. Und gleichzeitig am Neuen bauen. Ein Weckruf.
Milosz Matuschek , 30.01.2021, Freischwebende Intelligenz
04. Februar 2021
Vor etwa vier Jahren stellte ich ein Gedankenexperiment an. Ich fragte mich: Wie werden spätere Generationen einmal über uns urteilen?

Ich bin 1980 geboren und damit gerade so ein „Millennial“ oder Vertreter der „Generation Y“. Hillary Clinton hat uns mal als die „smarteste Generation aller Zeiten“ bezeichnet. Wir haben mehr Diplome als unsere Eltern, wischen auf smarten Geräten herum und halten uns auch sonst für mit allen Wassern gewaschen. „Dumm“ sind aus unserer Sicht immer nur frühere Generationen gewesen. Sie haben sich durch Propaganda in Kriege und Gräueltaten hinein verführen lassen, wurden von Vorgängergenerationen betrogen, von Eltern, Lehrern, falschen Propheten und Autoritäten in die Irre geführt.

„Wir“ hingegen sind überlegen, kritisch und schlau qua Geburtsjahr? Nun ja, das kam mir unwahrscheinlich vor und deshalb habe ich in meinem Buch „Generation Chillstand“ aufzuzeigen versucht, dass im Grunde jede Generation genauso blind und dumm ist, wie die Vorgängergeneration. Nur heißen unsere Blindstellen und komfortablen Lügen heute anders. Und so glaubt jede Generation letztlich, was sie will oder soll. In unserem Fall zum Beispiel, dass unsere Freiheit am Hindukusch verteidigt wird, niemand die Absicht hat, Smartphones zur Massenüberwachung zu nutzen und Lebensversicherungen eine prima Altersvorsorge darstellen   – in Deutschland gibt es davon mehr als Einwohner. Oder ganz neu: Dass man eine „Jahrhundertpandemie“ ohne nennenswerte Übersterblichkeit haben kann.

Corona ist gerade ein überfälliger Augenöffner, wenngleich ein brutaler. Durch Corona werden die morschen Fundamente unseres Gemeinwesens gnadenlos sichtbar. Die Fassade bröckelt. Was zum Vorschein kommt, war schon davor existent und hässlich: Eine Demokratie auf Schwundstufe; eine an die Wand gefahrene Wirtschaft, die mit viel Liquidität künstlich am Leben erhalten wird; eine Priesterkaste an Intellektuellen, die beharrlich den eigenen Denkhorizont und Verblendungsgrad für die Grenze des Möglichen hält. Und all das durchzogen von einem untertänig blinden Restglauben an eine allmächtige Regierung, die wie eine Institution von mystischer Herkunft zwischen dem Einzelnen und dem Lauf der kosmischen Dinge damit betraut ist, für uns zu denken und uns zu beschützen. Willkommen im Jahr 2021.

Der Versuchsaufbau, in den der Einzelne eingeklemmt ist, sieht in etwa folgendermaßen aus und das nicht erst seit dem Corona-Jahr: 1. glauben, 2. hoffen, 3. bangen, 4. enttäuscht werden, 5. sich vertrösten lassen, 6. die Rechnung für alles bezahlen und 7. dann wieder von vorne. Es ist ein Zeichen von Wahnsinn, immer wieder das Gleiche zu tun und ein anderes Resultat zu erwarten. Man kommt sich jedenfalls gerade vor, als würde ein Großteil der Gesellschaft gebannt einem Hütchenspieler am Hauptbahnhof zusehen und sich denken: Beim nächsten Mal ist er sicher ehrlich. Ach ne, wieder nicht. Na gut, dann eben beim nächsten Mal. Kann man die Regeln des Hütchenspiels verändern? Nein. Man kann sich nur entscheiden, nicht mitzuspielen. Wer gerade versucht, eine Logik in dem Corona-Wahnsinn zu finden muss jedenfalls entweder an der Zurechnungsfähigkeit der Gesellschaft zweifeln oder an der eigenen. Wer für die Wahrnehmung der eigenen Freiheit einen Berechtigungsschein mit Stempel braucht, hat Freiheit weder verstanden noch verdient.

Der Satiriker George Carlin hat es schon vor Jahrzehnten auf den Punkt gebracht. Der Bürger ist eine Art Nutztier. Er wird wie das Eigentum anderer verwaltet, konditioniert, abgemolken. Das Spiel ist manipuliert. Und die Herdenbesitzer werden sich nicht um Sie kümmern. Kein bisschen. They don´t care about you. They don´t give a fuck about you!

Was gerade abläuft ist eine Art Putsch gegen die Bevölkerung. Das Endspiel. Und bisher läuft es schlecht für den Bürger. Aber mit dem Bürger kann man es ja machen. Warum auch nicht? Der Großteil hat jede idiotische Regelung schließlich auch bisher befolgt und wird deshalb sicher bald drei Masken übereinander tragen und für den Anal-Abstrich Schlange stehen, wenn es sein muss. Es ist den meisten ja auch egal, dass Quarantäne-Brecher in Lager gesteckt werden, die halbe mittelständische Wirtschaft auf die Pleite zurollt, die Merkel-Regierung Kinder quält oder alte Menschen in Seniorenheimen totgeimpft werden.

“Eine Lüge kann den halben Erdball umrunden, während sich die Wahrheit noch die Schuhe zubindet”, wusste Mark Twain. Lügen sind viral und potentiell pandemisch, die Wahrheit ist ihr Wellenbrecher. Früher oder später. Aber sie kommt nicht von allein. Sie braucht Helfer und Helfershelfer. Wer in der Wahrheit leben will, muss ihr Flügel wachsen lassen. Wer sich für die Welt der Lüge entscheidet, kann sich dagegen auf ihren morschen Stümpfen noch eine zeitlang häuslich einrichten.

Es wird kein Retter kommen. Kein Messias, kein plötzlicher Held, kein Held oder Neo aus Matrix. Es wird niemanden geben, der für den Einzelnen die Arbeit macht. Wer sich als Retter andient, will betrügen. Staatsgläubigkeit und Gehorsam führen ebenso in den Ruin, wie der blinde Glaube an den Fortschritt, den Charles Baudelaire einmal die „Ideologie der Faulen“ genannt hat. Alles hängt gerade davon ab, ob sich die Gesellschaft selbst organisieren kann und einen gemeinsamen Willen zu bilden vermag. Gegen Machtkonzentration, Technokratie, Korporatismus und Planungszentralismus hilft nur die organisierte Kraft dezentral agierender Individuen. Es wird Zeit, dass der Bürger die Strukturen seiner Lebenswelt selbst in die Hand nimmt. Gegen korrupte Regierungen hilft nur, daran zu arbeiten, unregierbar zu werden.

Es gibt Mittel und Wege für jedermann, dem bisherigen System die Gefolgschaft zu entziehen und es braucht nicht mal besonders viel Mut dazu:

  • Dezentrale Information durch Bürgerjournalismus.
  • Dezentral organisierte Willensbildung von unten nach oben in vielerlei Initiativen.
  • Dezentrales Geld wie Bitcoin statt Kaufkraftschwund und absehbare Enteignung.

Gerade probt eine Gruppe von Kleinanlegern den Aufstand gegen Hedgefonds und zeigt damit, wie einseitig zu Gunsten der Großen die gegenwärtigen Märkte organisiert sind und wie wichtig ein dezentrales Finanzsystem ist. Gegen die Kraft der Vielen ist kein Kraut gewachsen. Die nächste Revolution wird dezentral sein, niedrigschwellig umsetzbar sein und nichts kann sie aufhalten.

Wir haben die Entscheidung täglich vor uns, wie im Film Matrix nach Platons Höhlengleichnis schon vor Jahrzehnten aufgezeigt wurde: Die blaue Pille des Weiterschlafens oder die rote Pille des Aufwachens. Initiation und Individuation sind höchst persönliche Projekte. Die letzte Meile des Erwachsenwerdens muss jeder für sich gehen. Schon Platon wird der Satz zugeschrieben, dass man sich nur selbst initiieren kann. Aufwachen kann also nur jeder für sich selbst. Wer es nicht bald tut, wird von den Lebensumständen unsanft geweckt werden.

30.01.2021
https://miloszmatuschek.substack.com/p/wernichtaufwachenwill
abgerufen am: 30.01.2021

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