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Israel ringt mit seinem "Suez-Moment"

Von M. K. Bhadrakumar 18.04.2024 - übernommen von indianpunchline.com
19. April 2024

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Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu mit neu eingezogenen Soldaten, Israel, 16. April 2024

(Red.)M. K. Bhadrakumar nennt zutreffend Ross und Reiter: die USA bestimmen den Takt der Eskalation und berücksichtigen sinnvollerweise die neuen Kräfteverhältnisse. Iran ist militärisch zu stark und politisch mit Bündnissen abgesichert - zudem steht die wirkliche "internationale Gemeinschaft" auf der Seite der De-Eskalation. Aber die USA wissen auch, dass eine Sperrung der Strasse von Hormus für ihr eigenes wirtschaftliches Überleben fatal wäre. Also wird der "direkte Angriff" auf den Iran vorläufig vertagt und die angestrebte Schwächung des "dominierenden Akteurs" im "südlichen Sektor" (Brzezinski) auf andere Methoden verlagert.(am)

Die diplomatische Initiative der Vereinigten Staaten, eine gemeinsame Erklärung abzugeben, in der der Iran wegen seines "Angriffs auf den Staat Israel" verurteilt wird, endete in einem Fiasko, da es außerhalb des westlichen Staatenblocks kaum Interessenten dafür gab.

Dies ist ein vernichtender Schlag für das amerikanische Selbstwertgefühl. Der härteste Einschnitt ist, dass die Türkei, eine wichtige NATO-Macht und ein westasiatisches Kraftpaket, um das Präsident Biden in letzter Zeit persönlich wirbt, sich weigerte, die gemeinsame Erklärung zu unterzeichnen.

Bei den acht Überläufern aus der globalen Mehrheit, die sich dem US-Diktat fügten, handelt es sich um je zwei Außenseiter aus Lateinamerika und der eurasischen Region, Südkorea und drei pazifische Inselstaaten.

Ganz Afrika, Westasien, Zentralasien, Südasien und die ASEAN-Region weigerten sich, sich der US-Initiative anzuschließen! Natürlich würde kein einziges muslimisches Land die gemeinsame Erklärung auch nur mit der Kneifzange anfassen.

Dies ist ein erniedrigendes Beispiel für die Isolation der USA in der UNO. Die internationale Gemeinschaft ist sich der Heuchelei und der berüchtigten Doppelzüngigkeit, die die amerikanische Diplomatie kennzeichnen, durchaus bewusst. In der entstehenden multipolaren Welt wird sich dieses Bewusstsein unweigerlich in der Neigung der globalen Mehrheit niederschlagen, sich die Rosinen herauszupicken.

Das Entscheidende ist, dass der Iran Israel nicht angegriffen hat. Stattdessen schlug der Iran auf einen eklatanten Angriff Israels auf seine Souveränität zurück, der gegen das Völkerrecht und die UN-Charta verstossen hatte und der einer Kriegshandlung gleichkam.

Noch wichtiger ist, dass sich der iranische Vergeltungsschlag auf die israelischen Militärziele beschränkte, die in den Angriff auf Damaskus am 1. April verwickelt waren, und offensichtlich darauf abzielte, seine Fähigkeit zur Abschreckung zu demonstrieren, um Israel davon abzuhalten, die Eskalationsleiter weiter hinaufzuklettern   –  und das alles unter Vermeidung von Opfern unter der Zivilbevölkerung.

Teheran hat den Grund seines Vorgehens gegen Israel öffentlich gemacht und die Weltmächte lange im Voraus darüber informiert, darunter ironischerweise auch die Regierung Biden, wohl wissend, dass die USA Israel alarmieren würden.

Die wohlwollendste Erklärung für diesen idiotischen Schachzug der Biden-Administration, die internationale Verurteilung des Iran voranzutreiben, ist daher, dass Präsident Biden im Wahlkampf in den USA auf dem Zahnfleisch geht und versucht zu verschleiern, dass der Iran die Aura der Unbesiegbarkeit des jüdischen Staates durchbricht, die auf dem amerikanischen militärischen Können beruht.

Die große Frage ist, wie Premierminister Benjamin Netanjahu Bidens Initiative bewerten wird   – und, was noch wichtiger ist, den verzweifelten Versuch der USA, den Antrag auf palästinensische Eigenstaatlichkeit im UN-Sicherheitsrat zu blockieren, ohne ein Veto einzulegen. Unter Missachtung der in New York abgegebenen gemeinsamen Erklärung verkündete er von Tel Aviv aus, dass Israel seinen eigenen Kopf hat und seine eigenen Entscheidungen in seinem Interesse treffen wird, unabhängig davon, was seine Verbündeten oder Freunde ihm raten mögen. Dies ist ein kaum verhohlener Seitenhieb, auch wenn in diesen Tagen Vertreter christlicher Nationen aus Europa nach Israel reisen, um die Versuche der USA zu unterstützen, Netanjahu zu beschwichtigen.

In Anwesenheit des britischen Außenministers David Cameron und der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock erklärte Netanjahu in Tel Aviv, dass Israel in der Tat die Eskalationsleiter erklimmen werde   – und zeigte damit den beiden Politikern, die zu Besuch waren, den Mittelfinger, die sich auf der anderen Seite mit Israel in der Stunde der Wahrheit solidarisch zeigten. Was verbirgt sich hinter dieser rücksichtslosen Dreistigkeit Netanjahus?

Offensichtlich tanzt Netanjahu, ein erfahrener Kämpfer im dunklen und bösartigen Dschungel der israelischen Politik, nach mehreren Melodien. In erster Linie spielt er auf der heimischen Bühne, um die feindseligen Gefühle der öffentlichen Meinung, insbesondere der Ultranationalisten in seiner Koalition, zu beschwichtigen.

Sowohl Cameron als auch Baerbock forderten Netanjahu Berichten zufolge zur Zurückhaltung auf und warnten, dass weitere direkte Feindseligkeiten gegen den Iran einen regionalen Krieg auslösen könnten. Beide besuchenden Würdenträger erkannten öffentlich das Recht Israels an, seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Netanjahu brachte seinerseits die Hoffnung zum Ausdruck, dass jegliche israelische Vergeltungsmaßnahme auf Teherans Vergeltungsschlag vom 13. April "auf eine Weise ausgeführt wird, die sowohl klug als auch hart ist und diesen Konflikt so wenig wie möglich eskalieren lässt".

Solche Wortspiele fallen dem erfahrenen britischen Politiker leicht, aber was Camerons Worte noch schärfer macht, ist die Tatsache, dass Großbritannien auch zu erkennen scheint, dass dies Israels "Suez-Moment" in der westasiatischen Politik sein könnte.

1956, während der so genannten Suez-Krise, als das Vereinigte Königreich zusammen mit Frankreich und Israel in Ägypten einmarschiert ist, um die Kontrolle über den Suez-Kanal zu erlangen, übte Washington, entsetzt darüber, dass die Militäroperationen ohne sein Wissen begonnen hatten, Druck auf den Internationalen Währungsfonds aus, um Großbritannien jegliche finanzielle Unterstützung zu verweigern, was wiederum London dazu zwang, widerwillig einen von der UNO vorgeschlagenen Waffenstillstand zu akzeptieren und sich zurückzuziehen.

Historiker haben später eingeschätzt, dass das britische Missgeschick, sich über seine Verhältnisse zu schlagen, nur den sinkenden Status des Vereinigten Königreichs hervorhob und es als Weltmacht der zweiten Reihe bestätigte.

Natürlich ist Biden nicht Dwight Eisenhower. Aber Camerons Reise nach Westasien zu diesem Zeitpunkt ruft Erinnerungen wach. Und seine Warnung wird in Netanjahus Ohren nicht hohl klingen.

Jedenfalls berichtete die Times of Israel heute unter Berufung auf das israelische Fernsehen, dass "Netanjahu nach einem Gespräch mit Biden die vorbereiteten Pläne für eine Vergeltung gegen das iranische Sperrfeuer vom Wochenende auf Eis gelegt hat". Der öffentlich-rechtliche Sender Kan zitierte eine hochrangige Quelle mit den Worten: "Die Antwort wird nicht mehr so ausfallen, wie sie geplant war, diplomatische Empfindlichkeiten haben gesiegt. Es wird eine Antwort geben, aber es scheint, dass sie anders ausfallen wird als geplant." Das Fernsehen merkte an, dass die Bemerkung wahrscheinlich auf eine schwächere israelische Reaktion hinweist als die, die genehmigt worden war.

Der Kern der Sache ist, dass Teheran die klare Botschaft übermittelt hat, dass es über gewaltige strategische Fähigkeiten verfügt, um Israel direkt anzugreifen. In Wirklichkeit ist die westliche/israelische Propaganda, dass fast alle auf Israel abgefeuerten Geschosse abgefangen wurden und "es nur wenig Schaden gab", bla, bla, irrelevant.

Die israelischen Entscheidungsträger sind hartgesottene Realisten, die wissen, dass ein Angriff auf den Iran aus eigener Kraft die Möglichkeiten ihres Landes bei weitem übersteigt   – es sei denn, Biden ordnet ein direktes Eingreifen der USA in den darauf folgenden Krieg an. Dies ist wirklich Israels "Suez-Moment".

Israel braucht dringend ein neues Denken, um die vom verstorbenen iranischen General Qassem Soleimani angezündeten "Feuerringe" zu löschen, die sich dem Land nähern und die für die neue Ära der hybriden Kriege typisch sind. Die Ukraine musste diese bittere Lektion erst lernen, als es schon zu spät zu sein scheint.

Es ist kein Zufall, dass der iranische Präsident Ebrahim Raisi gestern mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert hat, um laut Kreml-Angaben mitzuteilen, dass die "Aktionen Teherans erzwungen und begrenzt" seien. Gleichzeitig betonte er, dass Teheran nicht an einer weiteren Eskalation der Spannungen interessiert sei.

In der Verlautbarung wurde unterstrichen, dass "der ungelöste palästinensisch-israelische Konflikt die Hauptursache für die aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten ist". Die Präsidenten bekräftigten die prinzipielle Haltung Russlands und des Iran zugunsten eines sofortigen Waffenstillstands im Gazastreifen, einer Linderung der schlimmen humanitären Lage und der Schaffung von Bedingungen für eine politische und diplomatische Lösung der Krise".

Darin liegt der Keim für ein neues Denken, wenn es denn in der israelischen Führung Interessenten dafür gibt. Russland kann dabei behilflich sein, wenn man die Signale aus Moskau in den letzten Tagen einkalkuliert.

Kurz gesagt, Raisis Anruf bei Putin am Mittwoch folgte auf ein Telefongespräch zwischen Außenminister Sergej Lawrow und dem iranischen Minister Hossein Amir-Abdollahian (auf Initiative der iranischen Seite) am vergangenen Sonntag, dem wiederum nur einen Tag zuvor ein Telefongespräch zwischen dem Sekretär des russischen Sicherheitsrates Nikolaj Patruschew und dem Chef des israelischen Nationalen Sicherheitsrates Tzachi Hanegbi vorausgegangen war.

Der Sprecher des Kreml, Dmitri Peskow, hat seitdem auf diesen laufenden "konstruktiven" Austausch über die verschärften Spannungen in der westasiatischen Situation aufmerksam gemacht.

Quelle: https://www.indianpunchline.com/israel-grapples-with-its-suez-moment/
DiE Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus

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