Offener Brief an den deutschen Botschafter in der Schweiz Michael Flügger
Botschaft der Bundesrepublik Deutschland
Michael Flügger, außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter
Willadingweg 83
3006 Bern.
14. April 2023
Sehr geehrter Herr Flügger,
Ich erfahre über SRF, dass Sie sich erlauben, von der Schweiz zu "erwarten", dass sie sich gegen die Verfassung stellt und die immerwährende Neutralität aufgibt:
«Wir erwarten jetzt auch von der Schweiz, dass sie jedenfalls in bestimmten Stellen über ihren neutralistischen Schatten springt».
Ist das Ihr Ernst? Als Botschafter? Von Deutschland aus wurde von der Schweiz schon viel erwartet in Bezug auf unsere Neutralität: Sowohl im 1. Weltkrieg vom Kaiser Wilhelm als auch im 2. Weltkrieg von Adolf Hitler. Immer wurde verlangt, dass die Schweiz die Neutralität aufhebt. Wie kommen Sie dazu, sich in diese Bevormundungshaltung einzuordnen?
Die Schweiz hat keinen Schatten, sondern Deutschland hat einen schweren Schatten mit seiner kriegerischen Tradition im letzten Jahrhundert und insbesondere der Schatten von 1999, bei dem in Ex-Jugoslawien der erste Krieg in Europa nach 1945 von Deutschland und den USA mit manipulierten Behauptungen erzeugt wurde - übrigens auch von einer SPD-Grünen Regierung. Die Nato stand damals nach dem Zusammenbruch der marxistischen Regime im Osten in einer Existenzkrise: Die OSZE war gerade dabei, den langandauernden Konflikt in Ex-Jugoslawien mit Hunderten von Beobachtern friedlich zu lösen. Die Nato verhinderte dies mit ihrer 1999er Doktrin, mit der sie ihren Daseins-Zweck der Verteidung ihrer Aussengrenzen zu einer Vorneverteidigung ausdehnte und dies direkt kriegerisch umsetzte - ohne UNO-Mandat nota bene. Damals schon schlossen sie ganz neu den Ersteinsatz von Atomwaffen nicht mehr aus. Russland zog sofort nach. Russland berief sich im Ukrainekrieg darauf und konnte sich fatalerweise ausdrücklich auf die gleichen Begründungen wie Deutschland und die USA 1999 beziehen: Verhinderung von Faschismus und Schutz einer Minderheit. China wies 2021 im Ukrainekrieg sofort darauf hin, dass die USA 1999 völkerrechtswidrig die chinesische Botschaft in Belgrad mit einer gezielten Rakete zerstört hatten.
Von der Schweiz aus erwarten wir von Deutschland, dass es endlich aufhört, andere Staaten dominieren zu wollen und zudem andere zum Bellizismus zwingen zu wollen.
Schon vor 1999 unter dem Kriegsminister Rudolf Scharping gab es grosse Gegenwehr an oberster Stelle der Bundeswehr, als diese zu einer Offensivarmee umgebaut wurde.
Vielleicht ist es Ihnen entgangen, dass dies in einem neutralen Land registriert wird, das schon jahrhundertelang Neutralität der kriegstreibenden Machtpolitik entgegensetzt. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie als Botschafter Ihre Aussage zur Schweizer Neutralität zurücknehmen und sich entschuldigen für Ihren Versuch, die Schweiz in die autoritäre, machtbesessene Kriegslogik einzubinden.
Deutschland muss sonst bald als feindliche Macht eingestuft werden.
Freundliche Grüsse
Diethelm Raff
0041 79 822 77 86
diethelm.raff@aol,com
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