Krieg ohne Ende - die neue NATO-Strategie
Die Staatschefs der NATO-Mitgliedsländer haben anlässlich des 50jährigen Bestehens der NATO im April diesen Jahres eine neue Strategie verabschiedet. Wie zu zeigen sein wird, ist die NATO von einem Verteidigungs- in ein Angriffsbündnis umgewandelt worden, welches das Selbstbestimmungsrecht der Völker nicht mehr respektiert. Damit ist die Grundlage für den Frieden zwischen den Völkern, das Völkerrecht, in Frage gestellt. Obwohl die Vertreter der Völker mit der Ratifizierung des NATO-Vertrages einem reinen Verteidigungsbündnis zustimmten, erklärt die neue NATO-Strategie den Krieg zu einem Mittel der Politik. Nachlesbar soll die Jugend mit der Behauptung, für die Menschenrechte zu verteidigen, ihr Leben für Geld und Macht opfern. Die Erhaltung billiger Rohstoffe, die Durchsetzung von „Reformen“ in anderen Ländern, die Bekämpfung unkontrollierter Flüchtlingsbewegungen, zur „Befriedung“ ethnischer oder religiöser Rivalitäten und die Bekämpfung von Terrorakten und Sabotage ist neuestens wie im Zeitalter des Imperialismus Grund genug, Krieg anzuzetteln. Die Zerstörung der Infrastruktur eines ganzen Landes zum Schaden der Bevölkerung in Jugoslawien war ausdrücklich nur ein Beispiel für weitere Kriege, die folgen, falls sich irgendwelche Länder nicht willfährig der NATO unterordnen. Krieg nennt sich neu „Konfliktverhütung“ und „Krisenbewältigung“ durch „friedensunterstützende Operationen“.
Medialer Kniefall vor den NATO-Strategen
Wer in den letzten Monaten seine Meinung nur unkritisch an seine Zeitung angepasst hat, wird über diese Tatsachen ungläubig den Kopf schütteln. Das ist verständlich. Während des Kosovo-Krieges haben 40 bestgeschulte Medienmanipulatoren bzw. spin-doctors für die NATO gearbeitet und dafür gesorgt, dass die Medien und die Parlamentarier über den Krieg in Jugoslawien nur im Sinne der neuen NATO-Doktrin berichteten. Nur wenige Persönlichkeiten in den Medien sind der modernen Kriegspropaganda entgegengetreten und haben kritische Fragen gestellt, unter anderem Rudolf Augstein vom Spiegel. Selbst die offizielle Friedensbewegung entzog sich nur teilweise der modernen Rechtfertigung von Angriffskriegen - wahrscheinlich wegen der ideologischen Anbindung an die kriegführenden sozialistischen und grünen Machthaber in Europa.
Ehemalige Friedensmarschierer als Erfüllungsgehilfen einer hegemonialen NATO
In den USA haben die Gegner der neuen NATO-Strategie aus verschiedenen Lagern erstaunt und erbittert zur Kenntnis nehmen müssen, dass die neuen rot-grünen Machthaber in Europa die Vasallenrolle für die USA widerstandslos übernommen haben. Dabei wurden sie von der neuen NATO-Strategie nicht überrascht. Seit Anfang der 90er Jahre wurde sie diskutiert und offiziell seit Juli 1997 zur Ausarbeitung beschlossen. Die neuen Machthaber sind überwiegend ehemalige Teilnehmer an Friedensdemonstrationen gegen das damalige Verteidigungsbündnis NATO. Trotzdem akzeptierten sie die neue NATO-Strategie, die exakt dem entspricht, was sie damals der NATO unterschoben - nämlich ein imperialistisches Werkzeug der USA zu sein. Wurden sie unter Druck gesetzt oder diente ihre frühere Teilnahme an Friedensdemonstrationen nur dem Aufbau der eigenen Macht? Oder ermöglichen erst die rot-grünen Regierungen ein hegemoniales Militärbündnis, weil sie den Widerstand der Bevölkerung verhindern? Dann wäre es erklärbar, warum aus den USA keinerlei Gegnerschaft, sondern sogar Unterstützung für die rot-grünen Regierungen in Europa sichtbar wurde. War das die Gegenleistung für die Zusage der neuen Machthaber, die neue NATO-Doktrin zu akzeptieren und die Bevölkerung ruhig zu halten?
Henry Kissinger formuliert Kritik an der neuen NATO
In den USA fürchtet man sich allerdings davor, dass das weitverbreitete Unbehagen gegen Kriege in Europa und ein latenter Anti-Amerikanismus aus der alten Linken organisiert werden könnte. So formulierte der ehemalige Aussenminister und heutige einflussreiche Berater, Henry Kissinger, vorsichtshalber selbst, wie massiv die neue NATO sich geändert hat. Seine Aussagen können denjenigen die Augen öffnen, welche die gerade gemachten Äusserungen für übertrieben halten: ”Alle NATO-Staatschefs vertreten den Standpunkt, dass das Muster der humanitären Intervention, wie es sich im Kosovo entfaltete, fortan nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein solle.“ (Welt am Sonntag, 15.8.1999). Kissinger bestätigt, dass die NATO ihr Verteidigungsbündnis aufgegeben hat, das einzig dazu diente, das eigenen Gebiet vor Angriffen von aussen zu schützen: ”Das Bündnis hat seine historische Selbstdefinition einer streng defensiven Koalition aufgegeben und darauf bestanden, die Provinz eines Staates zu besetzen, mit dem es sich nicht im Kriegszustand befand. Und es bestärkte diesen beispiellosen Vorgang, indem es die Forderung anschloss, dass Nato-Truppen das Recht haben müssten, sich in ganz Jugoslawien ungehindert zu bewegen. Ein Anliegen, das selbst von einer gemässigten serbischen Führung zurückgewiesen worden wäre.” (Welt am Sonntag, 15.8.1999).
Kissinger ist einer der wenigen, der - nach dem Krieg - darauf hinweist, dass die USA über die NATO dem sicherlich gewalttätigen Serbenführer einen „Friedensvertrag“ aufzwingen wollte, den jeder Führer eines souveränen Staates ablehnen musste. Die Serben sollten im sogenannten Annex B dieses Vertrages ihre Souveränität aufgeben, indem sie der NATO erlauben sollten, im ganzen Land - nicht nur in Kosovo - sich nach eigenen Gesetzen zu bewegen. Daraus kann man ableiten, dass die Verhandlungen von Rambouillet auf ein Scheitern hin angelegt waren. Offenbar wollte die NATO den Krieg. Der Krieg erleichterte es, die neue Strategie durchzusetzen. Präsident Clinton begann ihn einen Tag bevor gegen ihn das Amtsenthebungsverfahren stattfinden sollte.
Abschied vom Prinzip der souveränen nationalen Staaten
Kissinger warnt ausdrücklich vor den verheerenden Konsequenzen, die der Abschied vom Prinzip der Nichteinmischung in souveräne Staaten mit sich bringt: ”Dieser abrupte Abschied vom Konzept der nationalen Souveränität, verbunden mit einer streitsüchtigen Diplomatie, markierte einen neuen aussenpolitischen Stil. Dieser ist gekennzeichnet von innenpolitischen Kalkulationen und der Beschwörung universeller moralistischer Slogans. (...) Jene, die für geschichtliche Tatsachen keine Antenne haben, erinnern sich offenbar nicht daran, dass die juristische Doktrin der nationalen Souveränität und das Prinzip der Nichteinmischung am Ende des verheerenden Dreissigjährigen Krieges entstanden ist.” (: Welt am Sonntag, 15.8.1999). Wer nicht schon selbst über die verharmlosenden Medienberichte hinausdenken konnte, sollte nach den Aussagen dieses machtpolitisch so versierten Politikers erschrecken: Wir stehen seit dem Bruch des Völkerrechts mit dem Bombardement von Jugoslawien und dem offiziellen Abschied vom Prinzip der souveränen Staaten in einer sehr fragilen weltpolitischen Situation. Es gibt im Moment keine allgemein akzeptierten Prinzipien mehr, die dem Krieg als dem grössten Übel der Menschheit Einhalt gebieten könnten, wie sich in Tschetschenien zeigt. Dort rechtfertigt Russland sein Eingreifen in gleicher Art und Weise wie die NATO, mit dem einen Unterschied, dass Tschetschenien zu Russland gehört.
Wir müssen also fordern, dass die Völker selber nicht sehenden Auges in eine Katastrophe rennen. Die demokratisch gesinnten Bürger und insbesondere die Intellektuellen haben die Aufgabe, das drohende Unheil abzuwenden. Dazu braucht es zunächst grundlegende Informationen über die Veränderungen in der NATO-Doktrin.
Der NATO-Vertrag von 1949
Nordatlantikvertrag (NATO-Vertrag, Washingtoner Vertrag) 4. April 1949
Präambel
Die Parteien dieses Vertrags.... sind entschlossen, die Freiheit, das gemeinsame Erbe und die Zivilisation ihrer Völker, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Freiheit der Person und der Herrschaft des Rechts beruhen, zu gewährleisten.
(...)
Sie sind entschlossen, ihre Bemühungen für die gemeinsame Verteidigung und für die Erhaltung des Friedens und der Sicherheit zu vereinigen.
Artikel 1
Die Parteien verpflichten sich, in Übereinstimmung mit der Satzung der Vereinten Nationen jeden internationalen Streitfall, an dem sie beteiligt sind, auf friedlichem Wege so zu regeln, dass der internationale Friede, die Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden, und sich in ihren internationalen Beziehungen jeder Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung zu enthalten, die mit den Zielen der Vereinten Nationen nicht vereinbar ist.
Artikel 2
Die Parteien werden zur weiteren Entwicklung friedlicher und freundschaftlicher internationaler Beziehungen beitragen, indem sie ihre freien Einrichtungen festigen, ein besseres Verständnis für die Grundsätze herbeiführen, auf denen diese Einrichtungen beruhen, und indem sie die Voraussetzungen für die innere Festigkeit und das Wohlergehen fördern.
Artikel 5
Die Parteien vereinbaren, dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird; sie vereinbaren daher, dass im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Massnahmen, einschliesslich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten.
Von jedem bewaffneten Angriff und allen daraufhin getroffenen Gegenmassnahmen ist unverzüglich dem Sicherheitsrat Mitteilung zu machen. Die Massnahmen sind einzustellen, sobald der Sicherheitsrat diejenigen Schritte unternommen hat, die notwendig sind, um den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen und zu erhalten
Artikel 6
Im Sinne des Artikels 5 gilt als bewaffneter Angriff auf eine oder mehrere Parteien jeder bewaffnete Angriff auf das Gebiet einer der Parteien ... im nordatlantischen Gebiet nördlich des Wendekreises des Krebses oder auf die Schiffe oder Flugzeuge einer der Parteien in diesem Gebiet.
Artikel 7
Dieser Vertrag berührt weder die Rechte und Pflichten, welche sich für die Parteien, die Mitglieder der Vereinten Nationen sind, aus deren Satzung ergeben oder die in erster Linie bestehende Verantwortlichkeit des Sicherheitsrats für die Erhaltung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit, noch kann er in solcher Weise ausgelegt werden.
Wie aus der Präambel des NATO-Vertrages ersichtlich ist, verpflichten sich die Mitgliedsstaaten darauf, Demokratie, die Freiheit der Person und die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Die NATO sollte also nicht einfach ein Militärbündnis darstellen, sondern dem Schutz der Freiheit dienen. Darüberhinaus formulieren sie in Artikel 2 einen hochinteressanten und für manchen erstaunlichen Weg, wie die internationalen Beziehungen friedlich und freundschaftlich entwickelt werden können: Einzig dadurch, dass in den Mitgliedsländern die freien Einrichtungen gefestigt werden und zusätzlich die Bürger erkennen, welche Voraussetzungen es braucht, dass diese freien Einrichtungen und damit die freiheitliche Demokratie überhaupt gelebt werden kann. Offensichtlich waren die Autoren der Auffassung, dass der Friede zwischen den Völkern auch auf der Selbstbestimmung der Menschen aufbaut.
Eingriffe irgendwelcher Art in andere Staaten sind nicht vorgesehen. Ausdrücklich wird in Artikel 1 festgelegt, dass das Bündnis in den internationalen Beziehungen keine Gewalt anwendet und nicht einmal Gewalt androht. Stattdessen legt der NATO-Vertrag fest, dass die Mitgliedsländer internationale Streitfälle friedlich regeln. Gewalt wendet die NATO gemäss Artikel 5 und 6 nur zur kollektiven Selbstverteidigung an, wenn ein bewaffneter Angriff auf das Gebiet eines der Parteien erfolgt. Es sind keine Einsätze ausserhalb der eigenen Territorien erlaubt (keine out-of-area Einsätze). Darüberhinaus legt Artikel 7 fest, dass der UN-Sicherheitsrat verantwortlich ist für die Erhaltung des internationalen Friedens. Damit sollte verhindert werden, dass die NATO sich als Weltpolizist aufführen kann.
Die alte NATO als strikt defensives Bündnis
Die NATO wiederholte in verschiedenen Vereinbarungen immer wieder, dass sie ein reines Verteidigungsbündnis sei. Im Protokoll über die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die NATO wird festgehalten, dass das Bündnis nichts unternehme, was dem streng defensiven Charakter des NATO-Vertrages widerspreche (Paris, 23. Oktober 1954)
Im neuen strategischen Konzept vom 8. November 1991 legte die NATO noch einmal fest, dass die Allianz rein defensiven Charakter besitze.(Art. 57). Sie versichert allen Ländern ausserhalb der NATO, dass ihre Waffen nicht eingesetzt würden ausser zur Selbstverteidigung (Art. 35). Um zum Frieden in der Welt beizutragen, erklärte die NATO, dass sie auf die legitimen Sicherheitsinteressen anderer Rücksicht nehme (Art. 27). Diese Äusserungen stellten vertrauensbildende Massnahmen dar, um dem Misstrauen anderer Länder vor geopolitischen Interessen der NATO unter Führung der USA entgegenzutreten.
Die neue NATO - Militärische Sicherung der hegemonialen Interessen der USA
Im neuen strategischen Konzept der NATO vom 24. April 1999 änderte die NATO ihren Zweck ins Gegenteil. In Artikel 6 wird zwar pro forma auf den NATO-Vertrag von 1949 Bezug genommen, weil dieser allein eine Legitimation für den Zusammenschluss ergibt. Doch gleichzeitig heisst es in der „Erklärung von Washington“ vom 23. April, dass die kollektive Verteidigungsaufgabe nur noch die Kernaufgabe der NATO bleibe. (Artikel 2). Das heisst, es gibt neue Aufgaben. Diese neue Aufgabenstellung geht so weit, dass die NATO selbst erklärt, sie hätte ein neues Bündnis geschaffen: "Wir haben einer neuen Allianz Form und Gestalt gegeben. Diese neue Allianz wird grösser, leistungsstärker und flexibler sein, sich zur kollektiven Verteidigung bekennen und die Fähigkeit besitzen, neue Aufgaben zu übernehmen, auch durch Beiträge zur wirksamen Konfliktverhütung und durch aktive Krisenbewältigung, einschliesslich Krisenreaktionseinsätzen". (Kommuniqué vom 24. April 1999: Eine Allianz für das 21. Jahrhundert. Artikel 2).
Neue Arten von Bedrohung der Sicherheit: Flüchtlinge und blockierte Rohstoffe
Worin bestehen nun die neuen Aufgaben? Sie bestehen darin, dass Vorkommnisse auf der ganzen Welt daraufhin untersucht werden, ob sie die vitalen Interessen der NATO-Mitgliedsländer berühren oder in Zukunft berühren könnten (Artikel 10). Damit sind die anderen Länder nicht mehr gleichberechtigte Staaten mit unantastbarer Souveränität, sondern nur noch mit Souveränität auf Zeit. Als Bedrohungen der Sicherheit der NATO-Mitgliedsländer, die mit einem bewaffneten Angriff gleichgesetzt werden, nennt der Artikel 24 zudem Terrorismus, Sabotage und organisiertes Verbrechen. Darüberhinaus aber kann auch die Unterbrechung lebenswichtiger Rohstoffe und die unkontrollierte Bewegung einer grossen Zahl von Menschen irgendwo auf der Welt von der NATO wie ein bewaffneter Angriff aufgefasst werden. Das bedeutet unter anderem, dass zum Beispiel die Drosselung der Ölzufuhr aus den kaukasischen oder arabischen Ländern wie ein Angriff auf die NATO verstanden werden kann. Zum Beispiel auch die Flucht von Millionen von Palästinensern, die aus den Flüchtlingslagern ausserhalb Palästinas nach Palästina drängen könnten, weil sie nur einen palästinensischen Pass erhalten, wenn sie dort ansässig sind.
Bedrohung durch fehlgeschlagene und unzureichende Reformen in anderen Ländern?
Die Bedrohung der Sicherheit definiert die NATO im Artikel 25 aber noch viel weiter: Politische, wirtschaftliche, soziale und umweltpolitische Faktoren können die Sicherheit bedrohen.
Darüberhinaus ist laut Artikel 25 Ungewissheit und Instabilität im und um den euro-atlantischen Raum ein Sicherheitsrisiko. Kann sich die NATO jetzt auch bedroht sehen, wenn in Nordafrika wirtschaftliche, soziale oder politische Probleme auftreten? Steht die NATO Gewehr bei Fuss, wenn es irgendwo ethnische oder religiöse Rivalitäten gibt, die gegebenenfalls auch von einem Geheimdienst aufgeputscht werden können? Aber auch „unzureichende oder fehlgeschlagene Reformbemühungen“ reichen schon, dass ein Land ins Visier der NATO genommen werden kann. Könnte es zum Beispiel schon ausreichen, dass ein Land die Wirtschaft nicht ausreichend dereguliert, und damit zum Beispiel amerikanischen Grosskonzernen den Zugriff auf die Telefongespräche im Land verunmöglicht? Auch die Verletzung der Menschenrechte gilt als Sicherheitsrisiko für die NATO-Mitgliedsländer. Trifft dies nicht auf fast jedes Land zu, da doch in den meisten Ländern der Erde die Menschenrechte nicht eingehalten werden? Können da nicht geostrategische oder wirtschaftliche Interessen unter dem Deckmantel der Menschenrechte verfolgt werden?
Bedrohungen der Sicherheit als Begründung für Krieg
Nun könnte man einwenden, es sei nichts als vernünftig, solche zukünftigen Entwicklungen in der Welt zu beobachten. Tatsächlich aber erklärt die NATO, dass sie solche Sicherheitsbedrohungen nicht einfach beobachtet, sondern als Krise betrachten kann, die bewältigt werden muss.
Laut Artikel 32 kann die NATO dann beschliessen, mit genau abgestimmten politischen oder militärischen Massnahmen einzugreifen, was nichts anderes heisst, dass die NATO offiziell abgesegnet in jedem Land mit Geheimdiensten oder anderweitig tätig werden kann, wenn dieses eine als falsch eingeschätzte Politik verfolgt. Aber auch Gewaltanwendung ist nicht mehr verboten, sondern nur noch eine Frage der Tauglichkeit. In verschiedenen Artikeln wird ganz ausdrücklich festgehalten, dass der NATO Gewalt auch über die in Artikel 5 des NATO-Vertrages erlaubte Selbstverteidigung hinaus erlaubt ist. (Artikel 29, 31, 41, 43, 47, 53c). Behauptet wird, dass damit die sicherheitsbedrohenden Krisen vermieden werden könnten. Mit der Formulierung, dass die NATO potentiellen Krisen schon in einem frühen Stadium begegnen soll (Artikel 48), erhält sie das Plazet für alle Arten der Weltbeherrschung. Für diese hegemoniale Aufgabe werden in der NATO in Zukunft besondere Einsatzgruppen ausgebildet (Artikel 53c).
Krieg in Jugoslawien als Beispiel für weitere Krisenreaktionseinsätze
Damit sich niemand darüber hinwegtäuscht, dass neben allen anderen Arten der Einflussnahme auf souveräne Staaten bis hin zur Gewaltandrohung auch der Krieg gehört, weist die NATO darauf hin, dass mit den „neuen Aktivitäten zugunsten einer grösseren Stabilität“ der Krieg in Jugoslawien ein Beispiel war (Artikel 3). Unter dem Titel „Strategische Perspektiven“ weist die NATO im Artikel 12 darauf hin, dass Kriege wie in Jugoslawien in Zukunft als „Eintreten für Konfliktverhütung und Krisenbewältigung, auch durch friedensunterstützende Operationen“ verharmlost und gerechtfertigt werden. Die NATO nennt Mord und Zerstörung wie in Jugoslawien „das Sicherheitsumfeld zu gestalten, sowie Frieden und Stabilität des euro-atlantischen Raums erhöhen“ (Artikel 12). Man sollte sich aber auch merken, welche weiteren beschönigenden Worte eine Umschreibung des Krieges darstellen. Die Bomben in Jugoslawien dienten einem „Ende der Gewalt, Abwehr einer humanitären Katastrophe und Schaffung von Voraussetzungen für eine politische Lösung" (Art. 26 des Kommuniqués der Staats- und Regierungschefs am 24.04. 1999).
Warum eigentlich begann die NATO die „Abwehr einer humanitären Katastrophe“ nicht mit dem Bombardement auf den Präsidentenpalast Milosevics, sondern mit Bomben auf Pristina? Was hat es zu bedeuten, dass die USA seit dem Ende des Krieges im Kosovo einen 4 Kilometer breiten und 8 Kilometer langen Flughafen bauen? Gibt das einen Brückenkopf in Europa in einem nichtregierten Landstrich, mit dem denjenigen Europäern, die sich aus der NATO verabschieden wollen, klargemacht werden kann, dass dies von den USA nicht geduldet wird? Die Herausgeber des Friedensgutachtens 1999 weisen in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass das Vorgehen der NATO in der Kosovo-Krise ein Probelauf für das neue strategische Konzept darstellt. (Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft und Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg, S.6)
Ohne das Selbstbestimmungsrecht der Völker zu einem neuen Weltkrieg?
Das bedeutet, dass das ehemals strikt defensive Verteidigungsbündnis neu auf anderen Territorien eingreifen darf. Die Regierungschefs erklären, dass sie in Zukunft unabhängig von territorialen Grenzen denjenigen entschieden entgegentreten wollen, die „Menschenrechte verletzen, Krieg führen und Gebiete erobern.“ (Art. 7 der Washingtoner Erklärung). Wenn andere Staaten oder Militärbündnisse im Sinne der Rechtsgleichheit dasselbe gegenüber der NATO beanspruchen werden oder wenn diese sich einfach gegen die hegemonialen Ansprüche der USA zur Wehr setzen, steht die Welt am Rande eines Krieges. Ein entsprechender Vorfall sollte als Menetekel ernst genommen werden. Laut Aussagen des englischen Generals im Kosovo verweigerte er den Befehl des Oberkommandierenden amerikanischen Generals Wesley Clark, als dieser ihm auftrug, er soll die Besetzung des Flughafens von Pristina durch die russische Armee verhindern, mit den Worten: „Ich werde wegen Ihnen keinen dritten Weltkrieg riskieren“.
Die NATO als neuer Kolonialherr auf dem Balkan
Die hegemonialen Ansprüche der NATO zeigten sich am 25. 4 1999 bei einem Treffen der Staats- und Regierungschefs der NATO mit Albanien, Bulgarien, Mazedonien, Rumänien, Slowenien, Bosnien und Herzegowina und Kroatien. In kaum verhohlener kolonialistischer Manier liess die NATO die südosteuropäischen Staaten unterschreiben, dass sie in Zukunft mit der NATO sicherheitspolitisch zusammenarbeiten und die Region zusammen mit der NATO gestalten werden. (Treffen des Nordatlantikrats auf Ebene der Staats- und Regierungschefs mit Ländern aus der Region der Bundesrepublik Jugoslawien Sonntag, den 25. April 1999, Zusammenfassung des Vorsitzenden, Punkt 6 - http://www.nato.int./docu/pr/1999/p99-070d.htm ). Die Gestaltung der Region bezog sich ausdrücklich auch auf die nicht vertretene Bundesrepublik Jugoslawien, einen souveränen Staat. Die Länder müssen zusammen eine langfristige Strategie mit Hilfe verschiedener Institutionen anstreben.
Man sollte sich daran erinnern, dass Bosnien seit Jahren wie eine Kolonie von einem amerikanischen Hochkommissar und von verschiedenen internationalen Organisationen fremdbestimmt wird (vgl. Bittermann, Klaus; Deichmann, Thomas (Hg.) „Wie Dr. Joseph Fischer lernte, die Bombe zu lieben“. Edition Tiamat, Berlin 1999). Kam diese „Einigung“ freiwillig zustande oder unter der Drohung, dass die NATO auch in diesen Staaten zugunsten von Stabilität und Krisenbewältigung militärisch „helfend“ eingreifen werde, falls sie nur zu „ungenügenden Reformbemühungen“ hinsichtlich der Schleifung ihrer staatlichen Souveränität bereit seien?
Könnte es nicht doch sein, dass der Krieg auf dem Balkan auch mit der Erdölleitung zu tun hat, die aus dem Kaukasus über das Schwarze Meer bis an die Adria geführt werden soll und ausserhalb der Kontrolle islamistischer oder von Russland abhängiger Länder stehen soll? Kann man sich damit auch die enge Zusammenarbeit der USA mit der stalinistischen und terroristischen UCK erklären, deren Exponenten keine Verankerung im Volk hatten, sondern an Universitäten in Deutschland und der Schweiz radikalisiert worden sind und heute laut UNMIK-Chef Bernard Kouchner ein kleines Kuba im Kosovo aufbauen („Die Zeit“, 12. August 1999 S. 3)? Laut Peter Scholl-Latour hat der amerikanische und englische Geheimdienst die UCK ausgebildet und sie als Konkurrenten zum pazifistischen, gewählten, aber islamischen Präsidenten Rugova aufgebaut.
EU als Vasall der USA soll Angriffskriege führen
Der neue NATO-Vertrag legt im Artikel 36 und Artikel 65 fest, dass die NATO sich für ein einiges Europa einsetzen werde. Das heisst im Sinne von Zbigniew Brzezinskis „Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ (Fischer 1999), dass die EU die gesamten Länder Europas samt Ukraine einbindet und sie dadurch dem Einfluss Russlands auf lange Zeit entzieht. Über die gleichzeitige NATO-Mitgliedschaft übt die USA die Hegemonie über den europäischen Vasallen aus. Brzezinski führt dazu aus: „Wie in der Vergangenheit beruht auch die imperiale Macht Amerikas in hohem Masse auf der überlegenen Organisation und auf der Fähigkeit, riesige wirtschaftliche und technologische Ressourcen umgehend für militärische Zwecke einzusetzen, auf dem nicht genauer bestimmbaren, aber erheblichen kulturellen Reiz des american way of life sowie auf der Dynamik und dem ihr innewohnenden Wettbewerbsgeist der Führungskräfte in Gesellschaft und Politik“ (S. 26).
Wie wenig die Eigenständigkeit der Staaten wirklich wert ist, zeigt sich ganz offen: Die imperiale Macht stützt sich nämlich - wie bei früheren Weltreichen - auf „eine Hierarchie von Vasallenstaaten, tributpflichtigen Provinzen, Protektoraten und Kolonien; die Völker jenseits der Grenzen betrachteten sie gemeinhin als Barbaren.“ (S. 26). Die kulturelle Beeinflussung durch Filme, Musik und anderes kann diese Herrschaft besonders gut ausgeübt werden. „Da der american way of life in aller Welt immer mehr Nachahmer findet, entsteht ein idealer Rahmen für die Ausübung der indirekten und scheinbar konsensbestimmten Hegemonie der Vereinigten Staaten. Und wie in der amerikanischen Innenpolitik, bringt diese Hegemonie eine komplexe Struktur hervor, die Übereinstimmung herstellen und ein Ungleichgewicht an Macht und Einfluss verdecken sollen.
Die globale Vorherrschaft Amerikas wird solchermassen durch ein ausgetüfteltes System von Bündnissen und Koalitionen untermauert, das buchstäblich die ganze Welt umspannt.“(S. 48). Wie wenig es sich um einen tatsächlichen Konsens handelt legt Brzezinski offen dar: „Amerika steht im Mittelpunkt eines ineinandergreifenden Universums, in dem Macht durch dauerndes Verhandeln, im Dialog, durch Diffusion und in dem Streben nach offiziellem Konsens ausgeübt wird, selbst wenn diese Macht letztlich von einer einzigen Quelle, nämlich Washington D.C. ausgeht. Das ist der Ort, wo sich der Machtpoker abspielt, und zwar nach amerikanischen Regeln“ (S. 49/50).
Die EU als Ausgangspunkt für die Beherrschung von Asien und Europa
Eurasien ist für die USA nur „ein Schachbrett, auf dem der Kampf um globale Vorherrschaft auch in Zukunft ausgetragen wird“ (S. 57). Laut Brzezinski besteht die besondere Schwierigkeit für die USA darin, dass sie selbst auf diesem Doppelkontinent nicht ansässig ist. „Deshalb braucht sie eine Strategie zur Beherrschung, die nach taktisch klugem und entschlossenem Umgang mit geostrategisch dynamischen Staaten verlangt. Das Vorgehen entspringt demjenigen aller imperialen Reiche:“ Absprachen zwischen den Vasallen zu verhindern und ihre Abhängigkeit in Fragen der Sicherheit zu bewahren, die tributpflichtigen Staaten fügsam zu halten und zu schützen und dafür zu sorgen, dass die Barbarenvölker sich nicht zusammenschliessen“. (S. 66/67). Um die tatsächlichen Verhältnisse zu verschleiern redet die herrschende Macht von scheinbarer Partnerschaft. Dabei verfolgt die USA einzig eine Vereinigung in Europa, um zu verhindern, dass diese Länder wieder beginnen sich zu streiten.
Die USA braucht aber die EU, weil diese für Amerika den Zugang zu Eurasien, insbesondere zu den geostrategisch wichtigen Ländern Ukraine, Türkei, Iran und Aserbaidschan sicherstellt: „Die Vereinigten Staaten haben immer ihr aufrichtiges Interesse an einem vereinten Europa bekundet. Seit den Tagen der Kennedy-Administration wurde gebetsmühlenhaft gleichberechtigte Partnerschaft beschworen. (...) Soweit die herrschende Sprachregelung zu diesem Thema.“ (S. 78) Diese Taktik wird angewendet, weil die USA über die EU auch die Ausweitung der NATO erreichen will: „Amerikas zentrales geostrategisches Ziel in Europa lässt sich also ganz einfach zusammenfassen: Durch eine glaubwürdigere transatlantische Partnerschaft muss der Brückenkopf der USA auf dem eurasischen Kontinent so gefestigt werden, dass ein wachsendes Europa ein brauchbares Sprungbrett werden kann, von dem aus sich eine internationale Ordnung der Demokratie und Zusammenarbeit nach Eurasien hinein ausbreiten lässt (S. 129).
Wie wenig sich die USA dabei um die Eigenständigkeit der Staaten kümmert, zeigen folgende Auffassungen: „Kurzfristig ist es in Amerikas Interesse, den derzeit herrschenden Pluralismus auf der Landkarte Eurasiens zu festigen und fortzuschreiben. Dies erfordert ein hohes Mass an Taktieren und Manipulieren, damit keine gegnerische Koalition zustande kommt, die schliesslich Amerikas Vorrangstellung in Frage stellen könnte, ganz abgesehen davon, dass dies einem einzelnen Staat so schnell nicht gelänge.“ (S. 283). Und weiter: „Zunächst besteht die Aufgabe darin sicherzustellen, dass kein Staat oder keine Gruppe von Staaten die Fähigkeit erlangt, die Vereinigten Staaten aus Eurasien zu vertreiben oder auch nur deren Schiedsrichterrolle entscheidend zu beeinträchtigen“ (S. 283) Die Arroganz der Macht geht so weit, dass Brzezinski die Behauptung in die Welt setzt, ohne eine Vorherrschaft der USA gäbe es in der Welt Anarchie, mehr Gewalt und Unordnung, weniger Demokratie, keine freie Marktwirtschaft und keine Ordnung in der Welt (S. 53/54). Er übersieht dabei, dass sogar der NATO-Vertrag ein gleichberechtigtes Zusammenleben der Völker unterstützt.
Mit der EU hat die USA leichteren Zugriff auf die kaukasischen Länder, die laut Brzezinski ein „ökonomisches Filetstück“ darstellen wegen ihrer grossen Rohstoffvorkommen und ihrer geostrategisch günstigen Lage zur Beherrschung des eurasischen Kontinents.
Die Schweiz als Hoffnungsträger für Freiheit und Selbstbestimmung
Insofern stellt die Schweiz in der Mitte Europas ein Ärgernis dar, da sie sich für die Völker Europas zu einer Alternative gegenüber der Hegemonie der USA entwickeln könnte. Kein Wunder sind die Kräfte so stark, die ohne plausible Begründung die Schweiz in die EU führen wollen. Mit einer Mitgliedschaft in der EU wäre die Schweiz aber auch Teil der neuen Kriegsmaschinerie. Im Kommuniqué der Staats- und Regierungschefs wird unter Punkt 9 festgehalten, dass die EU in Zukunft autonome Angriffskriege (neue Aufgaben) führen wird, wobei bei diesen sogenannten Krisenreaktionseinsätzen nicht zur EU gehörende NATO-Mitglieder wie Norwegen miteinbezogen werden sollen.
Wenn die Schweizer aber nur ein wenig Mut und Eigenständigkeit beweisen, könnten sie sich der Einbindung in die EU/NATO-Doktrin widersetzen. Sie könnten Vorbild in Europa sein, dass man - vielleicht wie unter dem Faschismus - mit gewissen wirtschaftlichen Opfern sich die persönliche Freiheit, die Selbstbestimmung und die direkte Demokratie erhält und gleichzeitig dem Frieden in der Welt dient. Diese bewusst gewählte Isolation gegenüber einer jetzt aggressiven Nato plus EU wäre weltoffen und gleichzeitig in bester Tradition von grossen Vorbildern wie General Guisan, Henri Dunant und Albert Schweizer.
Einbindung unabhängiger Staaten in die NATO durch die „Partnerschaft für den Frieden“
Unter Punkt 19 sowie Punkt 24 wird hervorgehoben, dass die Teilnehmer der Partnerschaft für den Frieden (PfP Partnership for Peace) wie die Schweiz durch zusätzliche Übungen mehr an die NATO zu ketten und sie wie in Kosovo in die Kriegslogik einzubinden sind. Mit dem Begriff der Interoperabilität werden die Streitkräfte an die Strukturen der NATO angeglichen, so dass sie in militärische Operationen der NATO einbezogen werden können. Ähnlich wie die früheren Kolonialherren baut sich die NATO in verschiedenen Ländern eine Kollaborationsebene mit Günstlingswirtschaft auf, die die Arbeit der Kolonialherren in den abhängigen Ländern durchführt.
Die Schweiz unter Führung von Bundesrat Alfons Ogi folgt brav den Verführern und stellt seine ehemals für das Rote Kreuz bekannte Fahne in den Dienst der neuen aggressiven NATO. So lassen die Schweizer seit neuestem die Franzosen auf ihrem Gebiet Luftübungen machen, was die Franzosen schon seit Jahrzehnten einforderten und lassen ihre Piloten von der NATO ausbilden. Sie veranstalten Seminare in der NATO und beteiligen sich an der englisch gesprochenen Kriegsführungsvorbereitung. Die Schweiz ordnet sich also willfährig der gemeinsamen Ausbildung unter und geht sogar so weit, zusammen mit den NATO-Mitgliedern Ungarn, Rumänien, Slowakei, Slowenien und Österreich ein eigenes Truppenkontingent von 5000 Mann aufzubauen, das sie vorerst für die OSZE und die UNO zur Verfügung stellen will. Mit dieser sogenannten CENCOOP (Central European Nation’ s Cooperation) beteiligt sich die Schweiz erstmals an einem multilateralen Programm. Ohne auch nur das Parlament, geschweige das Volk, zu fragen, hat Bundesrat Ogi unter dem Tarnname Absichtserklärung eine Kehrtwende in der bisherigen Politik eingeschlagen und die Neutralität aufgegeben.
Auch dies dient alleine dem Ziel der NATO, neue Formen der Kooperation zu finden, mit denen Partnerländer in sogenannte Krisen- und Friedensoperationen eingebunden werden können (vgl. Javier Solana: Der Washingtoner Gipfel: Ein kühner Schritt ins 21. Jahrhundert. NATO-Brief Nr. 1 S. 4), unabhängig davon, ob diese als OSZE oder UNO-Kontingente bezeichnet werden. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil die USA in der Rüstungstechnologie und der Logistik so weit voraus ist, dass irgendwelche Streitkräfte immer deren Unterstützung brauchen. Charles J. Dale, Leiter des Referats für Verteidigung, Partnerschaft und Zusammenarbeit in der NATO-Abteilung für Verteidigungsplanung und Operationen, erklärt im NATO Brief Nr. 2 vom Sommer 1999 (S. 30) unter dem Titel Auf dem Weg zu einer Partnerschaft für das 21. Jahrhundert), dass mit dem Washingtoner Gipfeltreffen die PfP viel stärker in die NATO-Doktrin einbezogen worden ist. Es werden in Zukunft „die Präsenz von Offizieren der Partnerstaaten in militärische Strukturen der NATO und eine Steigerung des Umfangs und des Schwierigkeitsgrades von NATO/PfP-Übungen ermöglicht.“
Offensichtlich sind die führenden Herren in der Armee und die politische Führung nicht mehr Manns genug, sich wie in den letzten Jahrzehnten gegen die Vorwürfe aller anderen Herren aus den kriegführenden Nationen in Verhandlungsrunden zu wehren, die der Schweiz seit jeher vorwerfen, sie seien feige, weil sie sich nicht an den zerstörerischen Kriegen beteiligen. Die Neutralität als absolute Verpflichtung ist aber das einzige Mittel des Volkes, mit der es überbordende, geltungssüchtige Militärs, Minister, Parlamentarier und Verwaltungschefs bremsen kann, die sich an die Brust von Kriegsführern werfen, auch Plaketten und Anhänger vom Ausland an die Brust geheftet bekommen, sich auch General nennen wollen (was in der Schweiz nur im Kriegsfall erlaubt ist).
Neutralität in einer Zeit von Bürgerkriegen
Rein militärisch betrachtet, beginnt sich die Schweiz gerade in einer Zeit an die kriegsführenden Länder anzupassen, in der die Kriege vor allem Bürgerkriege sind (Dick Zandee Zivil-militärische Beziehungen bei Friedensoperationen. NATO Brief Nr. 1, 1999, S. 10ff). Bürgerkriege, in denen jede Partei sich Bündnispartner sucht, in denen - zumindest von aussen - nur selten erkennbar ist, wer unterdrückt ist und wer unterdrückt, in dem immer verschiedene Parteien im Drogen- Menschenhandel, im illegalen Waffengeschäft und am Geldwaschen beteiligt sind, in dem die einzelnen Parteien auch ihre sogenannten Hilfsorganisationen haben, die sich von ausländischen Hilfsvereinigungen einen Teil ihres Kampfes bezahlen lassen (z.B. die Pflege verletzter und erschöpfter Soldaten in Zivil).
Gleichzeitig wirft die Schweiz altbekannte Argumente für eine Neutralität ohne Diskussion über Bord, obwohl gerade sie Beispiel sein könnte für andere Länder, um mit der Neutralität für den Frieden in der Welt tätig werden zu können. Nach dem Gesetz der Eskalation beginnt der Krieg immer mit der Illusion, er sei leicht zu gewinnen. Nach dem ersten Schuss kommt aber immer alles anders. Mit dem Eintritt in den Krieg ergeben sich aber Sachzwänge, die weitere Mittel und Zeit erfordern. So ist die Beteiligung von Schweizer Militär statt Zivilisten in Kosovo der Anfang einer Eskalation. Unbewaffnete Soldaten bilden eine Zielscheibe für verärgerte Bürgerkriegsteilnehmer irgendeiner Seite, als müssen sie bewaffnet sein, dann sind die Waffen zu schwach, dann werden diese eingesetzt gegen Bürger des anderen Landes, was weitere Aufrüstung zur Folge hat.
Nach dem Gesetz der paradoxen Dialektik gibt es keine Waffe, die nicht eine Gegenwaffe findet. Sie wird erfunden, und der scheinbar sichere und leichte Sieg findet spätestens beim zweiten Mal nicht mehr statt.
Das Gesetz der Grausamkeit besagt, dass jeder Krieg verbrecherisch ist, einen sauberen Krieg gibt es nicht, es gibt immer Mord, Zerstörung und Kriegsverbrechen, auch im eigenen Lager. Alle, die aus dem Krieg heimkommen haben Schäden, auch wenn der Krieg „gewonnen“ ist, zumindest im gesamten Gemüt der einzelnen Soldaten aber auch in der gesamten Bevölkerung.
Wenn heute die Politiker davon schwärmen, dass sie unter dem Titel „Sicherheit durch Kooperation“ zum Konflikt hingehen, weil er sonst zu einem komme, so unterliegen sie einem Trugschluss, dem sich ihre Vorgänger in der Schweiz seit 1815 mit Erfolg verschlossen haben.
Weltweite Hegemonie der NATO oder demokratischer Widerstand?
Der NATO ist es laut Vertrag von 1949, der bis heute gültig ist, ausdrücklich verboten, Gewalt anzudrohen oder Gewalt ohne Legitimation durch den UN-Sicherheitsrat anzuwenden, wenn sie nicht auf ihrem Territorium durch einen Angriffskrieg bedroht ist. Die neue NATO-Doktrin lässt ausdrücklich alle Arten der Einflussnahme auf andere Länder zu. In Artikel 10 nimmt sie sogar die Formulierung der Androhung oder Anwendung von Gewalt zur Einschüchterung auf. Allerdings hat jetzt die NATO die Aufgabe, als hegemoniale Macht zu verhindern, dass irgendein anderes Land so stark werden könnte, dass es Gewalt zur Einschüchterung überhaupt ausüben könnte. Die NATO selbst darf also diese Gewalt ausüben oder Gewalt androhen. Diese Armee einer neuen Weltmacht kann sich die notwendigen willfährigen jugendlichen Soldaten in Europa nicht holen, wenn die Demokraten aus verschiedenen Lagern aufmerksam werden und sich gegen die Herrschaft einer kolonialistischen Macht wehren. Die Völker sind nicht gefragt worden, ob sie wieder einen Dreissigjährigen Krieg über sich ergehen lassen wollen, diesmal nicht mit Pest, sondern mit Milzbrand, Ebola und anderen Krankheiten aus dem Arsenal der biologischen Waffenschmiede.
In der Schweiz geht es darum, die Neutralität gegen die massiven Druckversuche aus dem Ausland geistig zu begründen und zu verteidigen - auch gegen das eigene Militär, das meint, eine neue Legitimität durch den Aufbau von Eingreiftruppen im Ausland zu erhalten. Dieser Militärlogik muss man die politische Logik entgegenhalten, dass der Kleinstaat Schweiz eine andere Aufgabe in der Welt zu erfüllen hat, nämlich als Vorbild zu dienen für einen Staat, der sich gegen massivste Erpressungsversuche wie unter dem Faschismus gewagt hat, eigenständig und friedlich zu bleiben, gerade auch durch die Androhung von systematischem Kleinkrieg bei der Besetzung des eigenen Landes. Deshalb hat die Schweizer Armee nie geübt anzugreifen, sondern immer nur, sich zu verteidigen. Der Bundesrat muss an die strikte Neutralität gebunden werden, um ihn vor den zudringlichen Einflüsterungen von Geostrategen zu bewahren, die gerne den leichten Übergang über die Alpen und die leichte Verteidigung der Berge in der Hand hätten. In der Schweiz ist mit der Bürgerarmee, einer Milizarmee, die keine Freiwilligenarmee ist, ein Modell geschaffen, dass der Bürger seine Eigenständigkeit verteidigt, von der er weiss, was sie zu bedeuten hat, weil er sein Leben selbst bestimmt durch die Möglichkeiten der direkten Demokratie.
Die Schweiz kann nur dann weiterhin hilfreich tätig werden, wenn sie sich nicht auf die Seite einer Partei stellt. Sie kann sich dann dem Zwang entziehen, hochzurüsten, wie es allen europäischen Staaten bevorsteht. Nach dem Kosovokrieg haben sie erkannt, dass sie für den Krieg besser gerüstet sein müssen. Die USA fordern auch, dass die Europäer bessere Waffen zur Verfügung stellen können. Unterstützung findet die Hochrüstung auch bei denjenigen, die die OSZE gegen die USA ausspielen wollen und sich von den USA unabhängig machen wollen. Sie fordern bessere Waffen für die Europäer.
Das Internationale Rote Kreuz (IKRK) und die UNO
Das Internationale Rote Kreuz hat von verschiedenen Schauplätzen der Welt Informationen von verschiedenen Seiten. Es ist der Hilfeleistung verpflichtet. Wenn es darum geht, eine Weltherrschaft zu festigen, kann man davon ausgehen, dass alle Organisationen, die man nicht beeinflussen kann auf eine andere Art und Weise zum Verschwinden gebracht werden. Das ist schon insoweit geschehen, als es verschiedene sogenannte Nicht-Regierungsorganisationen gibt, die nach profitwirtschaftlichen Gesichtspunkten arbeiten, die für sich in Anspruch nehmen, Hilfe zu leisten. In den sogenannten Rückzugsgebieten der UCK-Guerilla, den Flüchtlingslagern, hat man die Vertreter dieser Organisationen dabei beobachten können, wie sie vor jeder Fernsehkamera mit irgendwelchen Regierungschefs die Schilder ihrer Organisation hinter oder über irgendwelchen Zelten aufgestellt haben, um sich bekannt zu machen. Diese aggressiven Werbemethoden geben scheinbar Legitimität dafür, dass diesen Privatorganisationen der Ruf angehängt wird, sie würden effektiv arbeiten. Das IKRK als eine Organisation, die ähnlich wie die UNO keine Privatorganisation ist, international verankert, aber nicht so stark wie die UNO von politischen Pressionen abhängig, könnte stören, wenn es um die Weltherrschaft einer Macht handelt. Es ist deshalb zu vermuten, dass in naher Zukunft das IKRK durch sogenannte Skandale in Misskredit gebracht wird.
Das strategische Konzept des Bündnisses (24. April 1999)
....Sicherheit: (Das Bündnis) bietet eines der unerlässlichen Fundamente für ein stabiles sicherheitspolitisches Umfeld im euro-atlantischen Raum, .... in dem kein Staat in der Lage ist, einen anderen Staat durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt einzuschüchtern oder einem Zwang auszusetzen.
Konsultation: Es dient gemäss Artikel 4 des Washingtoner Vertrages als ein wesentliches transatlantisches Forum für Konsulationen unter den verbündeten über Fragen, die ihre vitalen Interessen einschliesslich möglicher Entwicklungen berühren, die Risiken für die Sicherheit der Bündnismitglieder mit sich bringen...
Artikel 12
Ihre wachsende politische Rolle, ihre verstärkte politische und militärische Partnerschaft, ihr auf dem Balkan gezeigtes Eintreten für Konfliktverhütung und Krisenbewältigung ....zeigt die Entschlossenheit des Bündnisses, sein Sicherheitsumfeld zu gestalten.
Artikel 13. ... Zu den inneren Reformen gehören, ..., die Schaffung von Vorkehrungen, die die rasche Dislozierung von Streitkräften für das gesamte Spektrum von Bündnisaufgaben erlauben, ..."
Artikel 20. ... Die Sicherheit des Bündnisses bleibt einem breiten Spektrum militärischer und nichtmilitärischer Risiken unterworfen, die aus vielen Richtungen kommen und oft schwer vorherzusagen sind. Zu diesen Risiken gehören Ungewissheit und Instablität im und um den euroatlantischen Raum sowie die möglichen Entstehungen regionaler Krisen an der Peripherie des Bündnisses, die sich rasch entwickeln könnten. Einige Länder im und um den euro-atlantischen Raum sehen sich ernsten wirtschaftlichen, sozialen und politischen Schwierigkeiten gegenüber. Ethische und religiöse Rivalitäten, Gebietsstreitigkeiten, unzureichende oder fehlgeschlagene Reformbemühungen, die Verletzung von Menschenrechten oder die fehlgeschlagene Reformbemühungen, die Verletzung von Menschenrechten und die Auflösung von Staaten können zu lokaler und selbst regionaler Instabilität führen. Die daraus resultierenden Spannungen könnten zu Krisen führen, die die euro-atlantische Stabilität berühren, sowie zu menschlichem Leid und bewaffneten Konflikten. Solche Konflikte könnten, indem sie auf benachbarte Staaten einschliesslich NATO-Staaten übergreifen oder in anderer Weise, auch die Sicherheit des Bündnisses oder anderer Staaten berühren. "
Artikel 24. ... Die Sicherheit des Bündnisses muss jedoch auch den globalen Kontext berücksichtigen. Sicherheitsinteressen des Bündnisses können von anderen Risiken umfassender Natur berührt werden, einschliesslich Akte des Terrorismus, der Sabotage und des organisierten Verbrechens sowie der Unterbrechung der Zufuhr lebenswichtiger Ressourcen. Die unkontrollierter Bewegung einer grossen Zahl von Menschen, insbesondere als Folge bewaffneter Konflikte, kann ebenfalls Probleme für Sicherheit und Stabilität des Bündnisses aufwerfen.
Artikel 25 Das Bündnis ist einem breit angelegten sicherheitspolitischen Ansatz verpflichtet, der die Bedeutung politischer, wirtschaftlicher, sozialer und umweltpolitischer Faktoren neben der unverzichtbaren Verteidigungsdimension anerkennt.
Artikel 29. Militärische Fähigkeiten, die für das gesamte Spektrum vorhersehbarer Umstände wirksam sind, stellen auch die Grundlage für die Fähigkeit des Bündnisses dar, durch nicht unter Artikel 5 fallende Krisenreaktionseinsätze zur Konfliktverhütung und Krisenbewältigung beizutragen. ..."
Artikel 32. ... Ein kohärenter Ansatz zu Krisenbewältigung wird, wie bei jeder Gewaltanwendung durch das Bündnis, die Auswahl und die Koordinierung geeigneter Reaktionen durch die politischen Stellen des Bündnisses aus einem Spektrum sowohl politischer als auch militärischer Massnahmen und deren genaue politische Kontrolle in jedem Stadium erforderlich machen."
Artikel 36
.... Die NATO und Russland haben vereinbart, ihr gemeinsames Bekenntnis zum Aufbau eines stabilen, friedlichen und ungeteilten Europas mit Leben zu erfüllen. ...
Artikel 41 Das Bündnis wird die zur Verwirklichung der ganzen Bandbreite von NATO-Aufgaben erforderlichen militärischen Fähigkeiten aufrechterhalten. .... Sie müssen auch bereit sein, einen Beitrag zur Konfliktverhütung zu leisten und nicht unter Artikel 5 fallende Krisenreaktionseinsätze durchzuführen.
Artikel 47 Die NATO-Streitkräfte müssen auch weiterhin fähig sein, die kollektive Verteidigung zu gewährleisten und gleichzeitig wirksame Krisenreaktionseinsätze, die nicht unter Artikel 5 fallen, durchzuführen.
Artikel 48 ….Ziel des Bündnisses und seiner Streitkräfte ist es, Risiken dadurch in Schach zu halten, dass potentielle Krisen in einem frühen Stadium begegnet wird. Im Fall von Krisen, die die euro-atlantische Stabilität gefährden und die Sicherheit von Bündnismitgliedern berühren könnten, können die Streitkräfte des Bündnisses aufgerufen sein, Krisenreaktionseinsätze durchzuführen. ....
Artikel 49 Indem sie ihren Beitrag zur Bewältigung von Krisen durch militärische Einsätze leisten, werden sich die Streitkräfte des Bündnisses mit einem komplexen und vielfältigen Spektrum von Akteuren, Risiken, Situationen und Anforderungen auseinanderzusetzen haben, darunter auch humanitäre Notfälle. Einige Krisenreaktionseinsätze, die nicht unter Artikel 5 fallen, können eine ebenso hohe Anforderung stellen wie einige kollektive Verteidigungsaufgaben. ...
Artikel 65
In einer ungewissen Welt bleibt das Erfordernis wirksamer Verteidigung bestehen, aber indem das Bündnis dieses Bekenntnis bekräftigt, wird es auch weiterhin umfassenden Gebrauch von jeder Gelegenheit machen, zum Aufbau eines ungeteilten Kontinents beizutragen, indem es die Vision des einen und freien Europas befördert.{/infobox{
Den gesamten Text kann man im Internet unter http://www.nato.int./docu/pr/1999 abrufen (Ist leider nicht mehr abrufbar.)
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