Die Gewaltenteilung ist neben der Volkssouveränität seit der europäischen Aufklärung eine zentrale Grundlage eines demokratischen Rechtsstaates. Im Jahre 2012 vollzog das schweizerische Bundesgericht einen folgenschweren Paradigmenwechsel, indem es festhielt, zukünftig das Völkerrecht über das schweizerische Landesrecht, sprich die Bundesverfassung zu stellen.
Das Bundesgericht hält fest:
«Besteht ein echter Normkonflikt zwischen Bundes- und Völkerrecht, so geht grundsätzlich die völkerrechtliche Verpflichtung der Schweiz vor; dies gilt selbst für Abkommen, die nicht Menschen- oder Grundrechte zum Gegenstand haben.»1
Ohne Diskussion und eidgenössische Abstimmung missachtet das Bundesgericht damit das Gewaltenteilungsprinzip und stellt sich selbstherrlich über das Volk, das Parlament und die Regierung.
Alt Bundesrat Arnold Koller bezeichnet die letzte Totalrevision der Bundesverfassung von 1999 noch heute als «blosse Nachführung». Namhafte Juristen prophezeiten aber bereits kurz nach der knappen Annahme der neuen Bundesverfassung, dass nun bezüglich unseres Staatswesens «kein Stein auf dem anderen bleiben» werde.
Artikel 5 der geltenden Bundesverfassung besagt: «Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.» Nirgends wird beschrieben, was man genau unter «Völkerrecht» zu verstehen hat, nie gab es eine Aufklärung zum Verhältnis der Bundesverfassung zum Völkerrecht und eine Debatte dazu.
Selbstherrlich will uns nun der Richterstand vorschreiben, wie der Artikel 5 BV ausgelegt werden soll. Das Ziel ist, die Schweiz internationalen, teilweise ideologisch bestimmten Normen zu unterwerfen. Alles nur Nachführung …?
Dass die Selbstbestimmungsinitiative die Menschenrechte gefährde, ist absurd. Die Initiative stellt im Gegenteil das rechtmässige Verhältnis von Landesrecht und Völkerrecht wieder her. Diese Diskussion ist nötig und konkretisiert endlich den erwähnten Artikel 5 unserer Bundesverfassung.
Die ganze Entwicklung zum schweizerischen Bundesstaat wäre nicht möglich gewesen ohne die Beachtung und Umsetzung der Menschenrechte, auch wenn nicht alles von Anfang an perfekt war und das Frauenstimm- und -wahlrecht viel zu spät eingeführt wurde.
Die Menschenrechte waren bis zur letzten Totalrevision der Bundesverfassung von 1999 allenfalls einzeln erwähnt, aber nicht insgesamt aufgezählt. Das hiess nicht, dass sie nicht Grundlage des Staatswesens waren, sie waren «implizit» Teil der Verfassung. Damals wussten das die Staatsrechtler, und das Bundesgericht legte dementsprechend Verfassung und Gesetze aus.
Ohne die Menschenrechte hätte die Schweiz im 19. Jahrhundert besonders mit der direkten Demokratie nicht ein so einmaliges und eindrückliches Staatsmodell entwickelt, das weltweit seinesgleichen vergeblich sucht. Das Modell der Schweiz wird im Ausland von allen politischen Lagern gerade auf Grund der Mitbestimmungsrechte bewundert, und die Eidgenossenschaft dient regelmässig als Vorbild, wenn in einem Land um mehr Partizipation gerungen wird.
Dass die Selbstbestimmungsinitiative das Völkerrecht negiere, ist ebenso absurd. Die Schweiz bringt immer wieder das Völkerrecht entscheidend voran, dafür braucht es keinen Artikel in der Bundesverfassung. Sie hat das Humanitäre Völkerrecht begründet (Rotes Kreuz, IKRK) und ist nach wie vor Signatarstaat und damit Hüterin der Genfer Konventionen.
Als neutraler Staat hat die Schweiz ein ureigenes Interesse, dass sich die Länder an das allgemeine (zum Beispiel Uno-Charta) und Humanitäre Völkerrecht halten, nur wird dieses immer wieder der Machtpolitik geopfert. Daran ist aber die Schweiz nicht beteiligt.
Die direkte Demokratie dient auch dazu, Missstände aufzudecken und wenn möglich zu beheben. Das Bewusstmachen staatspolitischer Grundsätze wie der Forderung, dass Landesrecht – sprich die Verfassung – über internationalen Verträgen steht, gehört dazu.
Der Vorgang rund um die «Masseneinwanderungsinitiative» und den faulen Kompromiss des «Inländervorrang light» haben klargemacht, dass die Missachtung des Volkswillens zum Kalkül von Teilen unserer politischen Elite zählt. Dieses Beispiel zeigte deutlich, dass bestimmte Politiker nun gemäss Bundesgericht handeln und das Völkerrecht (in diesem Fall die Personenfreizügigkeit) höher gewichten als die Bundesverfassung und damit einen Volksentscheid. Solche Abläufe müssen zukünftig mit der Annahme der Initiative verhindert werden, ansonsten werden unsere direkte Demokratie und der Volkswille zu Grabe getragen.
1 Bundesgerichtsentscheide 2012, Urteil 2C_828/2011 vom 12.10.2012 (www.servat.unibe.ch/dfr/dfr_bger2012.html )
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