Von den Anfängen der Universität Zürich und ihren ersten beiden Medizinstudentinnen
ZEITREISE – 190 Jahre ist es her, dass in Zürich die Universitas Turicensis gegründet wurde. Gut ein Vierteljahrhundert später wurden dort erstmals auch Frauen zum Studium zugelassen. Das Erbe der ersten Schweizer Studentin, der Frauenärztin Marie Heim-Vögtlin, hat bis heute Bestand.
Mit über 28'000 Studenten und Studentinnen an 150 Instituten und sieben Fakultäten ist die Universität Zürich (UZH) heute die grösste der insgesamt zwölf Universitäten in der Schweiz. Der Grundstein für die UZH wurde vor 190 Jahren gelegt, als die bestehenden höheren Schulen für Theologie, Jurisprudenz und Medizin mit der damals neu gegründeten Philosophischen Fakultät zur Universitas Turicensis zusammengeschlossen wurden. Als ihr erster Rektor nahm Lorenz Oken anlässlich der offiziellen Eröffnungsfeier der Universität am 29. April 1833 die Stiftungsurkunde entgegen.
Für das Sommersemester 1833 hatten sich damals 98 Mediziner, 26 Juristen, 21 Philosophen und 16 Theologen immatrikuliert. Die insgesamt 161 Studenten wurden von 55 Dozenten – 26 Professoren und 29 Privatdozenten – betreut.
Pionierin des Frauenstudiums
Anders als andere Universitäten wurde die Universitas Turicensis nicht etwa von der Kirche oder einem Landesfürsten, sondern von einem demokratischen Staatswesen gegründet. Der zur Gründung der Universität im Jahr 1832 erfolgte Beschluss des Regierungsrats des Kantons Zürich machte sie zur ersten «unabhängigen» und damit auch liberalsten Universität in ganz Europa.
Nadeschda Suslowa (1843 –1918) war die erste Frau, die an der Universität Zürich studierte. Bild: gemeinfrei
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Am früheren Fröschengraben, wo heute die Bahnhofstrasse verläuft, befanden sich im «Hinteramt» einst die Räumlichkeiten der Universität Zürich, bevor diese 1864 ins Polytechnikum umzog. Bild: gemeinfrei
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Marie Heim-Vögtlin (1845 –1916) liess sich als erste Schweizerin zur Ärztin ausbilden. Bild: gemeinfrei
Bis heute hat die UZH insgesamt zwölf Nobelpreisträger – darunter Albert Einstein und Erwin Schrödinger – hervorgebracht. Während es zu Beginn ausschliesslich männlichen Studenten vorbehalten war, die Vorlesungen an der Universitas Turicensis zu besuchen, war es ab 1840 erstmals auch Frauen gestattet, als Gasthörerinnen an den Vorlesungen der Philosophischen Fakultät teilzunehmen. Damit nahm die Universität in Zürich eine Pionierrolle in Sachen Frauenstudium ein.
Doch es sollte noch über ein Vierteljahrhundert dauern, bis 1867 mit der Russin Nadeschda Suslowa (1843 –1918), die bereits seit 1865 als Gasthörerin die Medizinischen Fakultät besuchte, offiziell als erste Studentin an der UniversitätZürich zugelassen wurde. «Ich bin die Erste, aber nicht die Letzte. Nach mir werden Tausende kommen», schrieb Suslowa, deren Antrag für die Doktorprüfung im Jahr 1867 bewilligt wurde, in einem Brief an ihre Familie. Sie sollte recht behalten. Als erste Studentin der Schweiz gilt sie bis heute als Wegbereiterin des Frauenstudiums.
Das Erbe von Zürichs erster Ärztin
Nur zwei Jahre nach Suslowas erfolgreicher Promotion zur ersten akademisch ausgebildeten Ärztin der UZH tat es ihr Marie Heim-Vögtlin (1845 –1916), die Cousine von Suslowas Mann Friedrich Erismann, gleich.
Im Alter von 23 Jahren und mit der Einwilligung ihres Vaters nahm die Pfarrerstochter im Jahr 1869 als erste Schweizer Studentin ihr Medizinstudium an der Züricher Universität auf. Nachdem Heim-Vögtlin 1874 ihre Doktorprüfung erfolgreich bestanden hatte, eröffnete die auf Gynäkologie spezialisierte Ärztin in Zürich-Hottingen schliesslich ihre eigene Praxis. Sie genoss einen derart guten Ruf, dass schon bald auch Patientinnen von ausserhalb die Ärztin konsultierten.
Nach der Grundsteinlegung im Jahr 1899 eröffnete Heim-Vögtlin zusammen mit der Ärztin Anna Heer und der Krankenpflegerin Ida Schneider 1901 das erste Schweizer Frauenspital mit daran angeschlossener Pflegerinnenschule, gemeinhin «Pflegi» genannt.
Die bis 1997 unabhängige Institution am Zürichberg fusionierte 1998 mit der Stiftung Diakoniewerk Neumünster am Zollikerberg. Die dreifache Mutter und Ärztin Heim-Vögtlin war zeitlebens berufstätig, bis sie 1916, mit 71 Jahren, an den Folgen einer Lungentuberkulose starb.
Eine anschauliche Beschreibung zur Situation der Frauen im 19. Jht. finden Sie im diesem Buch:
Zweites Kapitel
Es wird gut sein, die detaillierte Untersuchung unseres Gegenstandes mit dem Punkte zu beginnen, zu welchem uns der Gang unserer Betrachtungen zunächst geführt hat, nämlich mit den Bedingungen, welche die Gesetze aller Länder mit dem Ehekontrakte verbinden.
Da die Ehe von der Gesellschaft als einzige Bestimmung der Frauen bezeichnet wird, man sie mit der Aussicht darauf erzieht, sie ihnen als das Ziel hinstellt, das jede, die nicht gar zu stiefmütterlich von der Natur behandelt ist, zu erreichen suchen muß, so sollte man denken, es sei alles geschehen, um ihnen dieses Lebenslos so angenehm wie möglich zu machen und in ihnen kein Bedauern darüber aufkommen zu lassen, daß jedes andere ihnen versagt ist.
Die Gesellschaft dagegen hat in diesem wie zuerst in jedem anderen Falle es vorgezogen, ihren Zweck durch unredliche statt durch redliche Mittel zu erreichen; dieser Fall ist jedoch der einzige, in welchem sie bis auf den heutigen Tag im wesentlichen dabei geblieben ist. Ursprünglich nahmen sich die Männer die Frauen mit Gewalt, oder die Väter verkauften ihre Tochter den Gatten. Bis zu einer späten Periode in der Geschichte Europas hatte der Vater die Macht, ohne jede Rücksicht auf den Willen seiner Tochter über deren Hand zu bestimmen.
Die Kirche erwies sich den Gesetzen einer höheren Moralität insofern gehorsam, als sie bei der Trauung von der Frau ein förmliches »Ja« forderte; dadurch ward jedoch keineswegs bewiesen, ob die Zustimmung eine freiwillige oder erzwungene sei, und praktisch blieb es dem Mädchen total unmöglich, den väterlichen Geboten den Gehorsam zu versagen, ausgenommen vielleicht, wenn sie sich des Schutzes der Religion durch den bestimmten Entschluß, das Klostergelübde abzulegen, versicherte. In vorchristlichen Zeiten erhielt der Mann durch die Ehe Macht über Leben und Tod der Frau.
Sie konnte kein Gesetz gegen ihn anrufen, er war ihr einziges Tribunal. Lange Zeit hindurch konnte er sie verstoßen, ohne daß ihr ein ähnliches Recht ihm gegenüber zustand. Das alte englische Gesetz nennt den Mann den Herrn (lord) seiner Frau, er wurde buchstäblich wie ihr Souverän betrachtet, und man nannte den von einer Frau an ihrem Manne begangenen Mord Verrat und bestrafte ihn grausamer als selbst den Hochverrat, indem man die Verbrecherin lebendig verbrannte.
Weil diese verschiedenen Ungeheuerlichkeiten außer Gebrauch gekommen sind (denn viele sind gar nicht förmlich abgeschafft worden, oder doch lange nachdem man sie nicht mehr in Anwendung brachte), glauben die Leute, es sei jetzt mit dem Ehekontrakte alles, wie es sein solle, und man hört fortwährend die Behauptung, die Zivilisation und das Christentum hätten die Frauen in die ihnen gebührenden Rechte eingesetzt.
In Wahrheit ist aber die Frau tatsächlich noch heute die Leibeigene ihres Mannes, und zwar, soweit gesetzliche Verpflichtungen gehen, in keinem geringeren Grade als diejenigen, welche man gewöhnlich mit dem Namen Sklaven bezeichnet. Sie gelobt ihm am Altare Gehorsam für das ganze Leben und wird auch ihr ganzes Leben hindurch durch das Gesetz dazu angehalten.
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