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Putin schreibt einen Artikel über die Beziehungen zu Afrika

Der russische Präsident Putin hat einen Artikel geschrieben, in dem er auf die Beziehungen Russlands zu Afrika und auf das Getreideabkommen eingeht. Thomas Röper hat den Artikel übersetzt.
Von Thomas Röper 24.07.2023 - übernommen von anti-spiegel.ru
24. Juli 2023

 

Beginn der Übersetzung:

Russland und Afrika: Gebündelte Anstrengungen für Frieden, Fortschritt und eine erfolgreiche Zukunft

Am 27. und 28. Juli findet in St. Petersburg der zweite Russland-Afrika-Gipfel samt Wirtschafts- und humanitärem Russland-Afrika-Forum statt. Im Vorfeld der großangelegten repräsentativen Veranstaltungen, bei denen sich Staats- und Regierungschefs sowie Vertreter aus Wissenschaft und Gesellschaft versammeln werden, möchte ich mit den Lesern der führenden afrikanischen Medien meine Vision von der Entwicklung der russisch-afrikanischen Beziehungen teilen und die Richtungen der Zusammenarbeit skizzieren, die für die gemeinsame Arbeit der bevorstehenden Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts vorrangig sind.

Die partnerschaftlichen Verbindungen unseres Landes mit Afrika haben feste, tiefe Wurzeln und sind in allen Phasen der Zeit durch Stabilität, Vertrauen und Freundschaftlichkeit gekennzeichnet. Wir haben die afrikanischen Völker kontinuierlich bei ihrem Kampf für die Befreiung vom kolonialen Joch unterstützt. Wir haben Unterstützung beim Aufbau der Staatlichkeit, der Festigung der Souveränität und der Verteidigungsfähigkeit geleistet. Es wurde viel für die Schaffung einer stabilen Grundlage der nationalen Wirtschaften getan. Zur Mitte der 1980er-Jahre wurde unter Teilnahme unserer Spezialisten in Afrika mehr als 330 große Infrastruktur- und Industrieobjekte gebaut   – Stromkraftwerke, Bewässerungssysteme, Industrie- und Agrarunternehmen, die bis heute erfolgreich funktionieren und weiterhin einen gewichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung des Kontinents leisten. In unserem Land wurden zehntausende afrikanische Ärzte, technische Fachkräfte, Ingenieure, Offiziere und Lehrer ausgebildet.

Ich möchte insbesondere das traditionell enge Zusammenwirken in der Welt, den festen und kontinuierlichen Schutz seitens der Sowjetunion und dann Russlands der Interessen der Länder Afrikas auf internationalen Plattformen hervorheben. Wir haben immer an dem Prinzip „afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme“ festgehalten und waren mit den Afrikanern bei ihrem Kampf für Selbstbestimmung, Gerechtigkeit und Verteidigung ihrer legitimen Rechte solidarisch. Wir haben nie versucht, unseren Partnern unsere Vorstellungen vom inneren Aufbau, Formen und Methoden der Regierung, Zielen der Entwicklung und Wegen zu ihrer Erreichung aufzudrängen. Unverändert bleibt unser Respekt gegenüber der Souveränität der Staaten Afrikas, ihren Traditionen und Werten, dem Wunsch, das eigene Schicksal selbstständig zu bestimmen und die Beziehungen zu den Partnern frei aufzubauen.

Wir wissen das ehrlich gesammelte Kapital der Freundschaft und Zusammenarbeit, die Traditionen des Vertrauens und der gegenseitigen Unterstützung, das sich bei Russland mit den Ländern Afrikas gebildet hat, zu schätzen. Wir streben gemeinsam nach der Bildung eines Systems der Beziehungen, das auf der Priorität des Völkerrechts, der Berücksichtigung der nationalen Interessen, der Unteilbarkeit der Sicherheit und der Anerkennung der zentralen koordinierenden Rolle der Vereinten Nationen beruht.

In unseren Tagen ist die schöpferische, vertrauensvolle, zukunftsorientierte Partnerschaft Russlands und Afrikas von besonderer Bedeutung. In der Welt bilden sich starke wirtschaftliche und politische Macht- und Einflusszentren, die immer beharrlicher hervortreten und fordern, dass ihre Position berücksichtigt werden soll. Wir sind sicher, dass die neue, multipolare Weltordnung, deren Konturen bereits skizziert sind, gerechter und demokratischer wird. Es bestehen keine Zweifel daran, dass Afrika neben Asien, dem Nahen Osten und Lateinamerika darin einen würdigen Platz findet, sich endgültig von seinem schweren Erbe des Kolonialismus und Neokolonialismus befreit, indem dessen gegenwärtigen Praktiken beseitigt werden.

Russland nimmt das wachsende internationale Ansehen sowohl einzelner Staaten, als auch Afrikas im Ganzen, ihr Streben, hervorzutreten, die Lösung der Probleme des Kontinents in die eigene Hand zu nehmen, mit Befriedigung wahr. Wir unterstützen die konstruktiven Initiativen der Partner immer und wir treten dafür ein, dass den afrikanischen Ländern ein würdiger Platz in den Gremien, die für die Schicksale der Welt zuständig sind, darunter UN-Sicherheitsrat und G20, gegeben wird. Wir treten für eine Reform der globalen Finanz- und Handelsinstitutionen, die ihren Interessen entsprechen, ein.

Leider sehen wir, dass die jetzige Situation in der Welt bei Weitem nicht stabil ist. Es spitzen sich „alte“ Konflikte zu, die fast in jeder Region zu erkennen sind, es entstehen neue Bedrohungen und Herausforderungen. Afrika spürt wie kein anderer Teil der Welt die Last der globalen Probleme. Unter diesen nicht einfachen Bedingungen rechnen wir damit, zusammen mit afrikanischen Partnern eine nicht-diskriminierende Agenda für die Zusammenarbeit zu bilden. Die strategischen Richtungen unseres Zusammenwirkens wurden durch Beschlüsse des ersten Russland-Afrika-Gipfels, der Ende Oktober 2019 in Sotschi stattfand, festgelegt. Für ihre effiziente Umsetzung wurde das Russland-Afrika-Partnerschaftsforum gebildet. Mit vielen Staaten des Kontinents wurden bilaterale Interregierungskommissionen für die handelswirtschaftliche und wissenschaftstechnische Zusammenarbeit ins Leben gerufen, es steht eine Erweiterung des Netzes unserer Botschaften und Handelsvertretungen in Afrika bevor. Es werden aktiv zusätzliche Instrumente, mit denen die Wirtschaftsverbindungen besser strukturiert werden und an Dynamik gewinnen, geschaffen.

Ich möchte mit Befriedigung betonen, dass der Handelsumsatz Russlands mit den Ländern Afrikas 2022 auf fast 18 Milliarden US-Dollar gestiegen ist. Allerdings verstehen wir alle sehr gut, dass das Potential unserer handelswirtschaftlichen Partnerschaft deutlich größer ist. Russische Unternehmen sind daran interessiert, auf dem Kontinent in Bereichen High-Tech und geologische Erkundung, Kraftstoff- und Energiekomplex, darunter Atomenergie, Chemieindustrie, Förderung von Bodenschätzen und Transportmaschinenbau, Landwirtschaft und Fischerei aktiver zu arbeiten. Die aktuellen Änderungen in der Welt erfordern eine Suche nach den Lösungen, die mit der Schaffung neuer Transport- und Logistik-Ketten, der Bildung eines Währungs- und Finanzsystems und Mechanismen des gegenseitigen Zahlungsverkehrs, die sicher und frei von ungünstigen äußeren Faktoren sind, verbunden sind.

Wir verstehen, von welcher Bedeutung die reibungslose Lebensmittelversorgung für die sozialwirtschaftliche Entwicklung und Aufrechterhaltung der politischen Stabilität in den afrikanischen Staaten ist. Daher haben wir den Fragen, die mit den Lieferungen von Weizen, Gerste, Mais und anderem an afrikanische Länder verbunden sind, immer große Aufmerksamkeit gewidmet. Wir haben das sowohl auf vertraglicher Basis, als auch unentgeltlich, als humanitäre Hilfe, darunter via UN-Welternährungsprogramm getan. 2022 hat Russland 11,5 Millionen Tonnen Getreide nach Afrika exportiert, in den ersten sechs Monaten dieses Jahres schon fast zehn Millionen Tonnen. Und das trotz der gegen unsere Exporte eingeführten Sanktionen, die die Ausfuhr russischer Lebensmittel in die Entwicklungsländer tatsächlich bedeutend erschweren, sowie Logistik, Versicherung und Bankzahlungen erschweren.

Viele haben wohl vom sogenanntem „Getreideabkommen“ gehört, das ursprünglich auf die Gewährleistung der globalen Lebensmittelsicherheit, Senkung der Gefahr des Hungers und Hilfe an die ärmsten Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas gerichtet war. Gerade deswegen übernahm Russland die Verpflichtungen, seine Umsetzung zu fördern. Allerdings wurde dieses „Abkommen“, das im Westen öffentlich als Zeichen ihrer Sorgen für Afrikas Wohl präsentiert wurde, de facto ungeniert ausschließlich zur Bereicherung der großen US-amerikanischen und europäischen Konzerne, die das Getreide aus der Ukraine ausführten und weiterverkauften, genutzt.

Urteilen Sie selbst: Im Laufe von fast einem Jahr wurden im Rahmen des „Abkommens“ insgesamt 32,8 Millionen Tonnen Güter aus der Ukraine ausgeführt, mehr als 80 Prozent davon kamen in Länder mit hohen und höheren als durchschnittlichen Einkommen, darunter die EU, während auf die Länder wie Äthiopien, Sudan und Somalia sowie Jemen und Afghanistan weniger als drei Prozent der Gesamtmenge entfielen, das ist weniger als eine Million Tonnen.

Dabei wurde keine einzige Bedingung des „Abkommens“ erfüllt, die den Ausschluss der russischen Getreide- und Düngemittel-Ausfuhren auf die Weltmärkte aus den Sanktionen betrafen. Zudem werden sogar Hindernisse für unsere unentgeltliche Übergabe von Mineraldüngern an die am bedürftigsten, ärmsten Länder bereitet. Von den 262.000 Tonnen landwirtschaftlicher Erzeugnissen, die in europäischen Häfen blockiert sind, wurden nur zwei Lieferungen   – 20.000 Tonnen nach Malawi und 34.000 Tonnen nach Kenia   – ausgeführt. Der Rest bleibt in den gewissenlosen Händen der Europäer, obwohl es sich um eine rein humanitäre Aktion handelt, die prinzipiell nicht von Sanktionen betroffen sein soll.

Angesichts all dieser Faktoren hat die Fortsetzung des „Getreideabkommens“, das seine humanitäre Bedeutung verloren hat, keinen Sinn. Wir haben uns gegen eine weitere Verlängerung des „Abkommens“ ausgesprochen, seit dem 18. Juli ist seine Umsetzung gestoppt. Ich will zusichern, dass unser Land imstande ist, das ukrainische Getreide sowohl auf kommerzieller, als auch auf unentgeltlicher Grundlage zu ersetzen, zumal in diesem Jahr bei uns wieder Rekordernte erwartet wird.

Trotz der Sanktionen wird Russland weiterhin mit Energie an den Lieferungen von Getreide, Nahrung, Düngemittel und anderem an Afrika arbeiten. Wir wissen die ganze Palette der Wirtschaftsverbindungen mit Afrika   – sowohl mit einzelnen Staaten, als auch mit regionalen Integrationsvereinigungen und natürlich mit der Afrikanischen Union   – hoch zu schätzen und werden sie weiter dynamisch entwickeln. Wir begrüßen den strategischen Kurs dieser Organisation auf die weitere Wirtschaftsintegration und die Bildung einer Afrikanischen Kontinental-Freihandelszone. Wir sind bereit, pragmatische, gegenseitig vorteilhafte Verbindungen, darunter durch die Eurasische Wirtschaftsunion, auszubauen. Wir sind auch auf die Intensivierung der Zusammenarbeit mit anderen regionalen Vereinigungen des Kontinents positiv gestimmt.

In Fortführung der Tradition werden wir weiter Hilfe bei der Ausbildung nationaler Fachkräfte für afrikanische Staaten leisten. Nach aktuellem Stand studieren in unserem Land rund 35.000 Studenten aus Afrika, darunter mehr als 6.000 Personen mit russischen Stipendien. Jedes Jahr wird die Zahl der Stipendien erhöht, es werden die Ausbildung auf kommerzieller Grundlage und die in letzter Zeit immer verbreiteter gewordenen Verbindungen zwischen Hochschulen gefördert.

Unser gemeinsames Interesse ist es, die Zusammenarbeit im humanitären Bereich, in Kultur, Sport und Massenmedien auf ein neues, höheres Niveau zu bringen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen und unsere jungen afrikanischen Freunde zu den Weltfestspielen der Jugend im März 2024 nach Sotschi einladen. Bei diesem großangelegten internationalen Forum werden sich mehr als 20.000 Vertreter aus über 180 Ländern für einen informellen, freundlichen und offenen Dialog, der frei von ideologischen und politischen Barrieren, rassischen und religiösen Vorurteilen ist und die junge Generation um die Ideen eines festen und nachhaltigen Friedens, Prosperität und Schöpfung vereinigt, versammeln.

Zum Schluss möchte ich noch einmal hervorheben, dass wir dem bevorstehenden zweiten Russland-Afrika-Gipfel große Bedeutung beimessen. Bei dem Gipfel sollen eine komplexe Erklärung und mehrere gemeinsame Erklärungen angenommen und der Aktionsplan für das Russland-Afrika-Partnerschaftsforum bis 2026 gebilligt werden. Ein gewichtiges Paket der Interregierungs- und ressortübergreifenden Abkommen und Memoranden mit einzelnen Staaten und regionalen Vereinigungen des Kontinents wird zur Unterzeichnung vorbereitet.

Ich warte mit Ungeduld auf die Treffen mit den Staats- und Regierungschefs der afrikanischen Länder in St. Petersburg und freue mich auf fruchtbare und konstruktive Gespräche. Ich bin sicher, dass die Beschlüsse des Gipfels und des Forums sowie die gemeinsame ständige vielfältige Arbeit der weiteren Entwicklung der russisch-afrikanischen strategischen Partnerschaft zum Wohle unserer Länder und Völker dienen werden.

Ende der Übersetzung


In meinem neuen Buch „„Putins Plan   – Mit Europa und den USA endet die Welt nicht   – Wie das westliche System gerade selbst zerstört ““ gehe ich der der Frage, worum es in dem Endkampf der Systeme - den wir gerade erleben - wirklich geht. Wir erleben nichts weniger als den Kampf zweier Systeme, in dem Vladimir Putin der Welt eine Alternative zum neoliberalen Globalismus anbietet. Wurden die Bürger im Westen gefragt, ob sie all das wollen, ob sie zu Gunsten des neoliberalen Globalismus auf ihren Wohlstand und ihre Freiheiten verzichten wollen?

Quelle: https://www.anti-spiegel.ru/2023/putin-schreibt-einen-artikel-ueber-die-beziehungen-zu-afrika/

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