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Indien, der zögernde BRICS-Reisende

M. K. Bhadrakumar 28. August 2023 - übernommen von indianpunchline.com
29. August 2023

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(v.l.n.r.) Der chinesische Präsident Xi Jinping, der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva, der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa und der indische Premierminister Narendra Modi beim BRICS-Gipfel in Johannesburg, 23. August 2023

Im Vorfeld des BRICS-Gipfels in Johannesburg wurde Indien für kurze Zeit zum Hoffnungsträger für die westlichen Medien   – ein potenzieller Abweichler, der die Beschleunigung des Prozesses der "De-Dollarisierung" der Gruppierung zum Scheitern bringen könnte.

Reuters brachte das Gerücht in Umlauf, dass Premierminister Narendra Modi möglicherweise nicht persönlich am Gipfel teilnehmen würde, was natürlich ein übertriebener Fall von Wunschdenken war, aber darauf aufmerksam machte, was für ein geopolitisches Spiel mit hohem Einsatz die BRICS geworden sind.

Eine derartige Paranoia war bisher beispiellos. War es bis zum letzten Jahr das Spiel des Westens, sich über die BRICS als unbedeutenden Club lustig zu machen, so hat das Pendel nun ins andere Extrem umgeschlagen. Die Gründe dafür sind nicht schwer zu finden.

Am offensichtlichsten ist die Sensibilität in der westlichen Welt dafür, dass die massiven Bemühungen der letzten 18 Monate, Sanktionen gegen Russland zu verhängen, nicht nur ein Flop, sondern ein Bumerang waren. Und das zu einer Zeit, in der die krankhafte Angst der Vereinigten Staaten ihren Höhepunkt erreichte, von China überholt zu werden   – das die globale Hegemonie des Westens seit den "geografischen Entdeckungen" des 15. Jahrhunderts beerdigt.

In den letzten Jahren hat sich die russisch-chinesische Partnerschaft immer weiter gefestigt und ist zu einer "grenzenlosen" Partnerschaft geworden, ganz im Gegensatz zum westlichen Kalkül, dass die historischen Widersprüche zwischen den beiden benachbarten Giganten eine solche Möglichkeit praktisch ausschließen. In Wirklichkeit entwickelt sich die russisch-chinesische Partnerschaft zu etwas Größerem als einem formellen Bündnis, da sie die optimale Verfolgung der nationalen Interessen jedes Akteurs nahtlos toleriert und gleichzeitig die Kerninteressen beider Seiten unterstützt.

Daher gerät jedes Format, in dem Russland und China eine führende Rolle spielen, wie z.B. die BRICS, zwangsläufig ins Fadenkreuz der USA. So einfach ist das. Die New York Times nannte die BRICS-Erweiterung "einen bedeutenden Sieg für die beiden führenden Mitglieder der Gruppe, der Chinas politischen Einfluss erhöht und dazu beiträgt, Russlands Isolation zu verringern".

Sie tröstete sich damit, dass die Gruppe heterogen sei und keinen klaren politischen Kurs verfolge, "abgesehen von dem Wunsch, das derzeitige globale Finanz- und Verwaltungssystem zu verändern und es offener, vielfältiger und weniger restriktiv zu gestalten."

Das ist der springende Punkt. Die indischen Analysten sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht. Der russische Außenminister Sergej Lawrow teilte den Medien mit, dass es auf dem Gipfel in Johannesburg hinter verschlossenen Türen eine "recht lebhafte Diskussion" [d.h. unterschiedliche Meinungen] gegeben habe, man sich aber auf die "Kriterien und Verfahren" der BRICS-Erweiterung geeinigt habe, die er wie folgt umriss:

"Das Gewicht, die Prominenz und die Bedeutung der Kandidaten sowie ihr internationales Ansehen waren für uns [BRICS-Mitglieder] die wichtigsten Faktoren. Wir sind der gemeinsamen Auffassung, dass wir gleichgesinnte Länder in unsere Reihen aufnehmen müssen, die an eine multipolare Weltordnung und die Notwendigkeit von mehr Demokratie und Gerechtigkeit in den internationalen Beziehungen glauben. Wir brauchen diejenigen, die sich für eine größere Rolle des globalen Südens in der Weltordnungspolitik einsetzen. Die sechs Länder, deren Beitritt heute bekannt gegeben wurde, erfüllen diese Kriterien voll und ganz."

Später, nach seiner Rückkehr aus Johannesburg nach Moskau, sagte Lawrow dem russischen Staatsfernsehen zwei wichtige Dinge:

-    "Wir [BRICS] wollen uns nicht in die Interessen anderer einmischen. Wir wollen einfach nicht, dass irgendjemand die Entwicklung unserer für beide Seiten vorteilhaften Projekte behindert, die sich nicht gegen irgendjemanden richten." Westliche Politiker und Reporter "neigen dazu, mit der Zunge zu wedeln, während wir unseren Kopf benutzen und uns mit konkreten Fragen beschäftigen".

-    Es bestehe keine Notwendigkeit, dass die BRICS jetzt zu einer Alternative zur G20 würden. Dennoch "nimmt die formale Aufteilung der G20-Gruppe in G7+ und BRICS+ praktische Formen an".

Wenn man nicht kurzsichtig ist, ist die Ausrichtung der BRICS für alle sichtbar. Das Gemurre und Händeringen über die Logik der BRICS-Expansion ist völliger Unsinn. Denn hier liegt das unausgesprochene Geheimnis, wie ein führender russischer strategischer Denker, Fjodor Lukjanow, in der staatlichen Tageszeitung Rossijskaja Gaseta schrieb:

"Von einer antiwestlichen Ausrichtung kann kaum die Rede sein   – mit Ausnahme Russlands und jetzt vielleicht des Irans will sich keiner der derzeitigen und wahrscheinlich auch künftigen [BRICS-]Teilnehmer offen gegen den Westen stellen. Dies spiegelt jedoch die kommende Ära wider, in der die Politik der meisten Staaten darin besteht, ständig Partner für die Lösung ihrer Probleme auszuwählen, wobei es für unterschiedliche Probleme unterschiedliche Ansprechpartner geben kann."

Dies ist der Grund, warum Indien, das seine Linie des "Multi-Alignment"   – also der Zusammenarbeit mit allen   – sorgfältig pflegt, auch mit einer großen und heterogenen BRICS zufrieden ist. Delhi ist am wenigsten daran interessiert, antagonistische Gefühle innerhalb der BRICS-Gemeinschaft zu stärken. Die indischen Kommentatoren können dieses Paradoxon nicht begreifen.

Der Pragmatismus bei der Aufnahme von drei großen Erdöl produzierenden Ländern aus der Golfregion (Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate) deutet nur darauf hin, was Lawrow mit den "Projekten" und "konkreten Themen" meinte, mit denen sich die BRICS befassen   – vor allem die Schaffung eines neuen internationalen Handelssystems, das das fünf Jahrhunderte alte, vom Westen geschaffene System ersetzen soll, das auf den Transfer von Reichtum in die Metropolen ausgerichtet war und es diesen ermöglichte, fetter und reicher zu werden.

Im Grunde geht es heute darum, das Phänomen des Petrodollars zu bekämpfen, der die Säule des westlichen Bankensystems und das Kernstück des von den BRICS angestrebten Prozesses der "De-Dollarisierung" ist. Es genügt zu sagen, dass der Vorhang für den faustischen Deal der frühen 1970er Jahre fällt, der Gold durch den amerikanischen Dollar ersetzte und sicherstellte, dass Öl in Dollar gehandelt wird, was wiederum alle Länder dazu verpflichtete, ihre Reserven in Dollar zu halten, und schließlich zum wichtigsten Mechanismus für die globale Hegemonie der USA wurde.

Anders ausgedrückt: Wie ist es möglich, den Petrodollar zurückzudrängen, ohne dass Saudi-Arabien auf die Barrikaden geht? Abgesehen davon sind sich alle Mitgliedsstaaten, einschließlich Russland und Saudi-Arabien, darüber im Klaren, dass die BRICS zwar "nicht-westlich" sind, eine Umwandlung der BRICS in ein antiwestliches Bündnis aber unmöglich ist. Was wir bei der Expansion der BRICS sehen, ist daher im Wesentlichen ihre Umwandlung in die repräsentativste Gemeinschaft der Welt, deren Mitglieder unter Umgehung des westlichen Drucks miteinander interagieren.

Das reicht für den Anfang, wie die Reaktion in den westlichen Ländern auf das Ergebnis des Johannesburger Gipfels zeigt. Die führende deutsche Tageszeitung Süddeutsche Zeitung stellte fest, dass die BRICS selbst mit dieser begrenzten Erweiterung "ein erhebliches geopolitisches und wirtschaftliches Gewicht" erlangt haben. Die Frage ist nun, wie der Westen darauf reagieren wird".

Eine Spitzenfunktionärin der Konrad-Adenauer-Stiftung, Caroline Kanter, sagte der Zeitung:

"Es ist offensichtlich, dass wir [westliche Länder] nicht mehr in der Lage sind, unsere eigenen Bedingungen und Standards zu setzen. Man wird von uns Vorschläge erwarten, damit wir in Zukunft als attraktiver Partner wahrgenommen werden."

Die französische Tageszeitung Le Figaro schrieb, der "Enthusiasmus" von rund 40 Ländern für die BRICS-Mitgliedschaft "zeugt vom wachsenden Einfluss der Entwicklungsländer auf der Weltbühne". Der Guardian hob die Meinung von Experten hervor, dass die BRICS-Erweiterung eher "ein Symbol für die breite Unterstützung des globalen Südens für die Neukalibrierung der Weltordnung" sei.

Gleichzeitig wird die BRICS-Erweiterung im Westen als politischer Sieg für Russland und China wahrgenommen. Trotz der Spannungen mit China hat Indien jedoch das Richtige getan, indem es die Segel entsprechend gesetzt hat. Es spürt den Wind des Wandels und sieht eine neue Dämmerung für die BRICS-Zusammenarbeit heraufziehen, die der Funktionsweise der Gruppierung neue Vitalität verleihen und die Macht des Weltfriedens und der Entwicklung weiter stärken könnte.

Es ist an der Zeit, dass die Regierung die Tragfähigkeit ihrer Strategie überdenkt, die Beziehungen zu China als Geisel in der Grenzfrage zu halten. Der BRICS-Gipfel hat deutlich gemacht, dass China eine große Unterstützung aus dem globalen Süden genießt. Es ist, gelinde gesagt, quixotisch, als Stellvertreter der USA aufzutreten, um China einzudämmen.

Indien wird sich in einer Sackgasse wiederfinden, wenn es sich von der Frage lokaler Währungen, Zahlungsinstrumente und Plattformen distanziert, nur weil China ein Nutznießer eines neuen Handelssystems sein könnte, das Teil einer gerechteren, ausgewogenen und partizipativen Weltordnung ist. Indien riskiert, den globalen Süden, der Chinas natürlicher Verbündeter ist, zu entfremden, indem es sich von der zentralen Agenda der BRICS für eine multipolare Weltordnung abwendet.

Quelle: https://www.indianpunchline.com/india-the-reluctant-brics-traveller/

Die Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus

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