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Frankreichs koloniales Erbe und die Sicherheitsbedenken der USA kreuzen sich in Niger; die Russen vor den Toren suchen nach neuen Jagdgründen

M. K. Bhadrakumar 17. August 2023 -0bernommen von indianpunchline.com
18. August 2023

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Anhänger der M62-Bewegung in Niger bei einer Demonstration, um den Abzug der ausländischen Streitkräfte zu fordern [Archivfoto].

(Red.) Der "kleine Napoleon" bekommt gesagt, wer hier eigentlich die Hosen anhat - und die USA scheinen zu verstehen, dass eine "dritte Front" in Afrika (nach Russland und China) endgültig nicht zu stemmen ist. Außerdem brauchen die USA (im Gegensatz zu Europa) das nigrische Uran nicht unbedingt (sie kaufen ja nach wie vor in Russland ein!). Also kann die deutsche Entwicklungshilfe-Ministerin ihre Flinte wieder einpacken (jedenfalls vorläufig)...PS: Das mit der "Flinte" war vielleicht etwas zu kryptisch: Gestern war in der ARD Tagesschau zu sehen, dass die deutsche Entwicklungshilfe-Ministerin (!!!) ein militärisches Eingreifen der ECOWAS gegen die Putschisten in Niger begrüßt!(am)

Der Militärputsch in Niger ist bereits drei Wochen alt. Die Putschisten sind dabei, ihre Herrschaft zu zementieren, nachdem sie im Schattenspiel mit der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten [ECOWAS], die von ehemaligen Kolonialmächten unterstützt wird, die den bitterarmen und an Bodenschätzen reichen westafrikanischen Staat verwüsten, die Oberhand gewonnen haben.

Die Aussichten, dass Nigers prowestlicher Präsident Mohamed Bazoum wieder eingesetzt wird, sind gering. Er ist ein ethnischer Araber mit einer kleinen Machtbasis in einem überwiegend afrikanischen Land und gehört dem Migrantenstamm der Ouled Slimane an, der in der Vergangenheit als Frankreichs fünfte Kolonne in der Sahelzone galt.

Die ECOWAS hat die Initiative verloren, als die Putschisten sich der Frist vom 6. August widersetzten, Bazoum freizulassen und ihn unter Androhung von Militäraktionen wieder einzustellen.

Der Putsch in Niger war auch für Frankreich ein erniedrigender Rückschlag und für Präsident Emmanuel Macron persönlich ein schreckliches Drama, da er in Afrika seinen besten Unterstützer für Frankreichs neokoloniale Politik verloren hat. Macron flehte die ECOWAS an, in Niger einzumarschieren und Bazoum zu retten. Er hat die Grundstimmung hinter dem Putsch falsch verstanden und darauf gesetzt, dass das nigrische Militär auseinanderfallen würde. Seine Überreaktion geriet zum Bumerang, als die Putschisten über Nacht die Militärpakte mit Frankreich aufhoben. Und die latente Feindseligkeit gegenüber Frankreich nahm zu, was Macron zwang, die Führung an Washington abzugeben.

Nicht nur Frankreich, auch die westlichen Mächte im Allgemeinen verstehen nicht, dass das afrikanische Volk dank der gewalttätigen, erbittert bekämpften nationalen Befreiungsbewegungen eine hochpolitisierte Denkweise hat. Es überrascht nicht, dass Afrika sich schnell auf den Freiraum eingestellt hat, der ihm im multipolaren Rahmen für Verhandlungen mit den ehemaligen Kolonialherren offen steht.

Letzten Montag weigerte sich General Abdourahmane Tchiani, der führende Kopf des Putsches, die stellvertretende US-Außenministerin Victoria Nuland zu treffen. Nuland und andere US-Regierungsvertreter baten um ein persönliches Treffen mit Bazoum, aber auch dieser Antrag wurde abgelehnt. Stattdessen musste Nuland mit dem Kommandeur der nigrischen Spezialeinsatzkräfte und einem der Anführer des Putsches, Brig. Gen. Moussa Salaou Barmou verhandeln, der als Chef der Verteidigung dient.

Interessanterweise hat Barmou die US National Defense University besucht und wurde in Fort Benning in Georgia ausgebildet. Offensichtlich hoffte die Junta, mit Washington in Kontakt zu treten. The Intercept hat inzwischen aufgedeckt, dass Barmou nicht der einzige von den USA ausgebildete nigrische General war, der an dem Putsch beteiligt war.

Dort hieß es: "Zwei Wochen nach dem Staatsstreich in Niger hat das Außenministerium immer noch keine Liste der mit den USA verbundenen Meuterern vorgelegt, aber ein anderer US-Beamter bestätigte, dass es ‚fünf Personen gibt, von denen wir festgestellt haben, dass sie [vom US-Militär] ausgebildet wurden‘. Es ist denkbar, dass Washington seine Karten verdeckt hält und die Russen weiterhin raten lassen."

Die USA haben es in Niger mit einer chaotischen Situation zu tun. Seine Prioritäten sind zweifach: erstens, jeden russischen Schritt zu blockieren, damit nicht Wagner-Kämpfer das französische Kontingent in Niger ersetzen, und zweitens, seine drei Basen in Niger zu halten, komme was will. Wenn die Regierung Biden die Machtübernahme durch das Militär in Niger nicht offiziell als Staatsstreich bezeichnet, so deshalb, weil eine derartige Bezeichnung eine weitere Militärpräsenz in Niger nicht zulassen würde, wo aber die USA über eine 1.100 Mann starke Militärpräsenz verfügen, und, noch wichtiger, einen als Luftwaffenstützpunkt 201 bekannten Drohnenstützpunkt in der Nähe von Agadez im Zentrum von Niger, der mit Kosten von mehr als 100 Millionen Dollar errichtet wurde und seit 2018 für Operationen in der Sahelzone genutzt wird.

In einem Reuters-Bericht hieß es: "Einer der US-Beamten sagte, wenn Wagner-Kämpfer in Niger auftauchen, würde dies nicht automatisch bedeuten, dass die US-Streitkräfte gehen müssten." Der Beamte sagte, ein Szenario, in dem sich ein paar Dutzend Wagner-Soldaten in der nigrischen Hauptstadt Niamey befinden, dürfte die US-Militärpräsenz wahrscheinlich nicht beeinträchtigen, aber "wenn sich Tausende Wagner-Kämpfer im ganzen Land ausbreiten, einschließlich in der Nähe von Agadez, könnten aufgrund von Sicherheitsbedenken für US-Personal Probleme entstehen... Unabhängig davon werden die USA die Messlatte für jede Entscheidung, das Land zu verlassen, sehr hoch hängen."

In diesem bizarren Schattenspiel zwischen Washington und Moskau werden die USA möglicherweise nicht auf eine Militärintervention der ECOWAS in Niger drängen, um ihre Militärpräsenz in Niger nicht zu gefährden. Natürlich waren die Putschisten in Niamey auch schlau genug, bis jetzt keine Forderungen zu stellen, die amerikanischen Truppen aus Niger zu entfernen.

Vor diesem trüben Hintergrund kommt die Ankündigung des US-Außenministeriums vom Mittwoch, dass die neue amerikanische Botschafterin in Niger, Kathleen FitzGibbon   – die ehemalige Nummer zwei in der Botschaft Nigerias   – Ende dieser Woche in Niamey eintreffen wird, nicht überraschend. Es ist ein Signal für Washingtons Zuversicht, sich auch weiterhin mit der Situation auseinanderzusetzen. Der stellvertretende Sprecher des Außenministeriums, Vedant Patel, sagte Reportern, dass es keine Pläne gebe, dass die neue Botschafterin den Putschisten ihre Referenzen vorlegen werde.

Unterdessen traf sich der Friedens- und Sicherheitsrat der Afrikanischen Union, das für die Durchsetzung der Beschlüsse des Blocks zuständige Organ, am Montag in Addis Abeba und lehnte einen ECOWAS-Vorschlag zur militärischen Intervention in Niger ab. Mehrere süd- und nordafrikanische Mitgliedsländer waren "strikt gegen jede militärische Intervention".

Zusammengenommen haben diese Entwicklungen die ECOWAS auf die lange Bank geschoben. Erschwerend kommt hinzu, dass die Anführer des Putsches seitdem ihre Absicht verkündet haben, Bazoum wegen "Hochverrats" und Untergrabung der Staatssicherheit vor Gericht zu stellen. Interessanterweise behauptet das Militärregime, "die notwendigen Beweise gesammelt zu haben, um den entmachteten Präsidenten und seine in- und ausländischen Komplizen vor zuständigen nationalen und internationalen Behörden zu verfolgen".

Bazoum wird beschuldigt, sich nach seiner Absetzung mit hochrangigen westafrikanischen Politikern und "ihren internationalen Mentoren" ausgetauscht zu haben, die die Putschisten beschuldigen, falsche Anschuldigungen erhoben zu haben und versucht zu haben, einen friedlichen Übergang zu verhindern, um eine militärische Intervention zu rechtfertigen.

Diese Entwicklungen im Verbund mit der wachsenden innenpolitischen Opposition innerhalb Nigerias, das gegenwärtig die ECOWAS leitet, hat Nigerias Präsident Bola Tinubu gezwungen, seine Haltung gegenüber einer Militärintervention zu ändern. Eine mächtige nigerianische Delegation aus führenden islamischen Geistlichen reiste nach Niger, um Gespräche mit der Junta aufzunehmen, die umgehend einem Dialog mit der ECOWAS über das weitere Vorgehen im Land zustimmte. Mit der Zeit verliert die ECOWAS die Initiative, was den Putschisten zum Vorteil gereicht.

Während schlechte Regierungsführung, grassierende Korruption, eskalierende Armut und Unsicherheit die Bedingungen für Staatsstreiche in der Sahelzone geschaffen haben, ist die Geopolitik des Ressourcenzugangs und der Ressourcenkontrolle ein grundlegender Faktor. Ausländische Mächte konkurrieren darum, die reichen Bodenschätze westafrikanischer Nationen zu erforschen und zu kontrollieren.

Die aufkommenden Spannungen in Niger und der weiteren Subregion werden zweifellos durch die geopolitische und wirtschaftliche Rivalität zwischen Ost und West verschärft. Das Schreckgespenst, das Westafrika umtreibt, ist, dass sich der Stellvertreterkrieg zwischen Russland und den USA ohne Weiteres nach Afrika verlagern kann, wo russische Söldner und westliche Spezialeinheiten bereits für neue Aufgaben stationiert sind.

Quelle: https://www.indianpunchline.com/frances-colonial-legacy-us-security-concerns-intersect-in-niger-russians-at-the-gates-look-for-new-hunting-grounds/
Die Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus

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