Faktencheck der ZEIT-Retrospektive zum "Sturm auf den Reichstag"
Aya Velazquez
Ein neuer Leitartikel der ZEIT Online zum “Sturm auf den Reichstag” ist erschienen - der Versuch einer Geschichtsschreibung über das Ereignis. Eine sorgfältige Hintergrundrecherche stand dabei augenscheinlich nicht im Vordergrund. Stattdessen stützt sich der Artikel auf quasi-heroische Interviews mit den gefährlichen Reichstagsstürmern: Es wird berichtet, man habe 133 Beteiligte des Reichstagssturmes kontaktiert, die sich mithilfe der Antifa-nahen Recherchegruppe Friedensdemo Watch identifizieren ließen. Von diesen 133 hätten sich 45 per Mail, telefonisch oder per Messenger-Nachricht bei den ZEIT-Journalisten zurückgemeldet. Mit 13 Personen habe man sich anschließend zu einem persönlichen Gespräch getroffen.
Das Ergebnis erscheint angesichts des großen Rechercheaufwands eher bescheiden: 13 Personen brachen den telefonischen Kontaktversuch sofort ab, weil sie nicht mit ZEIT-Journalisten reden wollten. Unter den 15, die sich auf ein Gespräch einließen, befanden sich die Bühnenrednerin Tamara Kirschbaum, die zur Treppenbesetzung aufgerufen hatte und demnächst ihr Buch zum “Sturm auf den Reichstag” verkaufen will, ihr Begleiter Gunnar Wunsch (gegenüber der ZEIT: Gunar Wünsch), der Rechtsextreme Nikolai Nerling, der Ex-NPDler und Veranstalter der Reichsbürgerbühne, Rüdiger Hoffmann, ein Rentnerehepaar, ein Friseur, ein NPD-Politiker, ein KfZ-Mechaniker, ein Querdenken-naher Videostreamer, ein AfD-Securitymann, eine Pferdetrainerin und ein Pferderennenveranstalter.
Große Teile des Artikels handeln von gescheiterten Gesprächsversuchen mit Protagonisten des “Sturmes”, die unbestreitbar Unterhaltungswert haben, aber nicht wesentlich zum Erkenntnisgewinn beitragen. Selbst diejenigen, die bereit waren, mit den ZEIT-Journalisten zu reden, antworteten oft trotzig mit Aussagen wie: „Wir würden es wieder tun“. Für die ZEIT sind solche vermeintlich gescheiterten Interviews dennoch perfektes Material; denn die Kernbotschaft, die sie ihren Lesern vermitteln will, lautet: Der gefährliche Terrorist und Demokratiefeind lauert nebenan. Der ganz normale Bürger - dein Nachbar! - könnte ein Staatsfeind sein.
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