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Mit seiner Unterstützung für Israel hat der Westen den globalen Süden verloren

Für den Westen bedeutet die einseitige Unterstützung für Israel einen großen Rückschlag im geopolitischen Kampf gegen Russland und China, aber wenn man die westlichen Medien verfolgt, dann scheint das noch fast niemand im Westen realisiert zu haben.
Von Thomas Röper 22 Oktober 2023 - übernommen von anti-spiegel.ru
22. Oktober 2023

Die letzten Monate waren davon geprägt, dass der Westen versucht hat, den globalen Süden auf seine Seite zu ziehen. Mit seiner kompromisslosen Unterstützung für Israel hat der Westen den globalen Süden nun verloren, was auch Folgen für die Ukraine haben wird.

In den letzten Monaten konnten wir die Versuche des Westens beobachten, den globalen Süden für sich zu gewinnen. Fast jeder Politiker, der im Westen Rang und Namen hat, ist nach Afrika geflogen, um für den Westen zu werben. US-Vizepräsidentin Kamala Harris war in Ghana, Tansania und Sambia, der französische Präsident Macron war gleich mehrmals in Afrika unterwegs, auch Bundeskanzler Scholz war in Afrika unterwegs und so weiter und so fort. Sie alle haben versucht, im globalen Süden Sympathien zu sammeln und den globalen Süden im Kampf vor allem gegen Russland auf ihre Seite zu ziehen.

Die Versuche waren alle ziemlich erfolglos, wie die Treffen der BRICS und der G20 danach gezeigt haben. Nun hat der Westen es geschafft, all seine Bemühungen der letzten Monate, oder sogar Jahre, im Kampf um Sympathien im globalen Süden zunichte zu machen. Der Grund dafür ist seine Haltung zu Israel und Palästina.

Was der globale Süden kritisiert

Der globale Süden stand dem Westen ohnehin sehr skeptisch gegenüber, was viele Gründe hat. Da ist die Arroganz des Westens, dem Rest der Welt vorschreiben zu wollen, welche „Werte“ man zu haben hat. Und natürlich sind da ganz handfeste Gründe, wie die Dominanz des Westens in der Weltbank, dem IWF und vielen anderen internationalen Organisationen, die der Westen zur Durchsetzung seiner Politik missbraucht und so in den Augen der nicht-westlichen Welt diskreditiert. Und der globale Süden kritisiert auch die Sanktionspolitik scharf, mit der der Westen seine Politik und seine (wirtschaftlichen) Interessen mit Gewalt und Erpressung durchsetzen will. All das, und auch die fortgesetzte Ausbeutung des globalen Südens durch die ehemaligen Kolonialmächte, machen den Westen im globalen Süden unbeliebt.

Das hat man auch am Ukraine-Konflikt gesehen, denn aus dem globalen Süden hat sich kein einziges Land der anti-russischen Politik des Westens angeschlossen, da man im globalen Süden gesehen hat, dass der Westen eine ganz gewaltige Mitschuld, wenn nicht gar die Alleinschuld, an der Eskalation in der Ukraine im Februar 2022 getragen hat, weil er alle Versuche Russlands, über Russlands Sicherheitsbedenken auch nur zu sprechen, abgelehnt hat. Da man im globalen Süden weiß, dass der Westen ein aggressiver Block ist, der seine Militärmacht ohne zu zögern einsetzt (siehe Irak, Libyen, Syrien, etc.), hat man im globalen Süden Verständnis für die Sicherheitsbedenken Russlands gegen eine NATO-Erweiterung.

Daran sieht man, dass der Westen ohnehin einen schweren Stand im globalen Süden hatte, weshalb seine Bemühungen, Länder des globalen Südens auf seine Seite zu ziehen, bisher auch ziemlich erfolglos waren.

Der Nahost-Konflikt aus Sicht des globalen Südens

Gerade in Deutschland, das noch immer in dem Schuldkomplex des Zweiten Weltkrieges und des Holocaust gefangen ist, ist es für viele Leser sehr befremdlich, wenn sie beim Anti-Spiegel lesen, wie ich Israel unumwunden schwere Kriegsverbrechen vorwerfe und viel Verständnis für die Palästinenser aufbringe, obwohl die   – laut den westlichen Medien und Politikern   – an dem neuen Krieg schuld sind, weil sie Israel brutal angegriffen haben.

Aber die Wahrheit ist, dass die nicht-westliche Welt einen ganz anderen Blick auf die Ereignisse in Israel hat als der Westen. Das Problem ist jedoch, dass die westlichen Medien darüber praktisch nie berichten. Im Gegenteil stellen vor allem die deutschen Medien jeden, der Verständnis für die Palästinenser hat, gleich als Extremisten und Antisemiten dar, weshalb viele Menschen im Westen sich gar nicht vorstellen können, dass man auch Verständnis für die Palästinenser haben kann.

Aber gerade im globalen Süden hat man weitaus mehr Verständnis für die Palästinenser als für Israel. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zum einen sind viele der Länder des globalen Südens muslimische Länder. Aber auch die Kolonialzeit spielt eine Rolle, denn im historischen Gedächtnis vieler Länder des globalen Südens ist die Unterdrückung durch die Kolonialmächte unvergessen. Daher hat man in diesen Ländern viel Verständnis und Mitgefühl für die Palästinenser, die seit nunmehr über sieben Jahrzehnten von Israel unterdrückt werden. Die Politik Israels gegenüber den Palästinensern wird oft mit der Apartheid-Politik Südafrikas verglichen.

Aus diesem Grunde wäre der Krieg in Israel für den Westen eine große Chance gewesen, Sympathien im globalen Süden zu sammeln, wenn der Westen zwar den Angriff der Hamas verurteilt, aber Israel sofort mit Sanktionen gedroht hätte, als es angefangen hat, wahllos zivile Ziele im Gazastreifen zu bombardieren.

Dass der Westen die Augen vor den offensichtlichen Kriegsverbrechen Israels (Blockade des Gazastreifens, Bombardierung von Zivilisten, etc.) verschließt, hat den Westen im globalen Süden alle Sympathien gekosten und der Grund liegt auf der Hand: Der Westen hat ein weiteres Mal gezeigt, was seine „Werte“ gelten, denn die Menschenrechte, deren Missachtung der Westen sonst gerne anderen Ländern vorwirft und womit er regelmäßig seine Sanktionen begründet, gelten aus Sicht des Westens offensichtlich nicht für Palästinenser.

Die Doppelmoral des Westens

Die Financial Times hat unter der Überschrift „Die Eile des Westens bei der Unterstützung Israels untergräbt die Unterstützung der Entwicklungsländer für die Ukraine“ darüber berichtet, was die westliche Politik nach dem Angriff der Hamas im globalen Süden angerichtet hat. Der Artikel begann wie folgt:

„Die westliche Unterstützung für Israels Angriff auf den Gazastreifen hat die Bemühungen um einen Konsens mit wichtigen Entwicklungsländern zur Verurteilung von Russlands Krieg gegen die Ukraine zunichte gemacht, wie Beamte und Diplomaten warnten.

Die Reaktion auf den Angriff der militanten islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober und auf Israels Versprechen, gegen den Gazastreifen zurückzuschlagen, habe die monatelangen Bemühungen zunichte gemacht, Moskau wegen der Verletzung des Völkerrechts als globalen Paria darzustellen und die USA, die EU und ihre Verbündeten dem Vorwurf der Heuchelei ausgesetzt, hieß es.

In der Aufregung der diplomatischen Eilbesuche, Videokonferenzen und Telefonate wurden westliche Beamte beschuldigt, in ihrer Eile, den Hamas-Angriff zu verurteilen und Israel zu unterstützen, nicht die Interessen von 2,3 Millionen Palästinensern zu verteidigen.“

Die westlichen Länder sind jedoch nicht bereit, Israel im Kampf gegen die Hamas im Gazastreifen zur Zurückhaltung aufzurufen und diese Zurückhaltung zur Bedingung für ihre Unterstützung zu machen, oder Israel gar mit Sanktionen zu drohen, wenn Israel das humanitäre Kriegsrecht verletzt. Das zeigt die offensichtliche Doppelmoral des Westens, der Israel bei seinem sehr brutalen Vorgehen im Gazastreifen unterstützt, aber Russland einen „brutalen Krieg“ in der Ukraine vorwirft, obwohl Russland zivile Ziele in der Ukraine explizit schont, wie die Opferzahlen ganz objektiv zeigen.

Die Financial Times zitiert danach viele hohe Vertreter des Westens, die ziemlich frustriert sind, weil alle ihre Bemühungen, im globalen Süden Sympathien zu sammeln, durch die neuerlich offen gezeigte Doppelmoral des Westens zunichte gemacht wurden. Ein hoher G7-Diplomat sagte demnach:

„Wir haben die Schlacht im globalen Süden definitiv verloren. Die ganze Arbeit, die wir mit dem Globalen Süden [wegen der Ukraine] geleistet haben, ist verloren … Vergessen Sie die Regeln, vergessen Sie die Weltordnung. Die werden uns nie wieder zuhören. (…) Was wir über die Ukraine gesagt haben, muss auch für Gaza gelten. Sonst verlieren wir unsere ganze Glaubwürdigkeit. Die Brasilianer, die Südafrikaner, die Indonesier: Warum sollten sie jemals glauben, was wir über Menschenrechte sagen?“

Einen Vertreter der EU zitierte die Financial Times wie folgt:

„Seien wir doch mal ehrlich. Das ist ein Geschenk des Himmels für Russland. Ich denke, es ist schädlich, was da passiert… weil Russland die Krise ausnutzt und sagt: ‚Schaut, die globale Ordnung, die nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut wurde, funktioniert nicht für euch‘, und sich damit an eine Milliarde Einwohner im Nahen Osten oder in der arabischen Welt wendet.“

Ein arabischer Vertreter bestätigte der Financial Times das:

„Wenn Sie das Abschneiden von Wasser, Lebensmitteln und Strom in der Ukraine als Kriegsverbrechen bezeichnen, dann sollten Sie das Gleiche über Gaza sagen.“

Was das für die Ukraine bedeutet

In Kiew dürfte man verstehen, dass die Entwicklungen im Nahen Osten diplomatisch ein Todesurteil für die Ukraine sind. Die Hilfen des Westens waren ohnehin schon rückläufig und nun hat die Ukraine mit Israel einen Konkurrenten um westliche Hilfen bekommen, gegen den sie keine Chance hat.

Hinzu kommt, dass die Ukraine außerhalb des Westens ohnehin alleine dastand. Im Westen durfte Zelensky zwar per Video in so ziemlich jedem Parlament auf Russland schimpfen, aber außerhalb des Westens hat sich niemand für ihn interessiert. Als die CELAC, die Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten, im Juli ein Gipfeltreffen mit der EU hatte, wollte die EU auch Zelensky einladen, musste ihn auf Druck der CELAC aber wieder ausladen, weil diese Staaten keine Lust hatten, sich seine theatralischen Parolen anzuhören.

Und auf dem G20-Gipfel wurden alle Versuche des Westens, die Ukraine als Thema auf die Tagesordnung zu setzen, abgelehnt. Die G20 interessierten sich nicht für die Ukraine.

Kiew steht außerhalb des Westens also ohnehin schon isoliert da. Die nun wegen des Verhaltens des Westens entfachte Wut im globalen Süden wird auch die Ukraine treffen und Kiew muss endgültig jede Hoffnung abschreiben, Länder des globalen Südens auf seine Seite zu ziehen, um irgendwie doch noch diplomatischen Druck auf Russland auszuüben, wenn es zu Verhandlungen über ein Ende der Kämpfe in der Ukraine kommt.

Für den Westen bedeutet die einseitige Unterstützung für Israel einen großen Rückschlag im geopolitischen Kampf gegen Russland und China, aber wenn man die westlichen Medien verfolgt, dann scheint das noch fast niemand im Westen realisiert zu haben.

Quelle: https://www.anti-spiegel.ru/2023/mit-seiner-unterstuetzung-fuer-israel-hat-der-westen-den-globalen-sueden-verloren/

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