Skip to main content

Putin ordnet Realitätsprüfung an - Keine Ukrainer mehr auf dem Schlachtfeld, keine Souveränität in Kiew

John Helmer 24. Juni 2023 - übernommen von johnhelmer.net
26. Juni 2023

(Red.) Der kurze Spuk von Prigoschins "Marsch auf Moskau" ist zuende. Prigoschin ist im Hausarrest bei Lukaschenko. Die meisten Wagner-Kämpfer kämpfen weiter an der Front. Wladimir Putin und seine Regierung haben dieses Abenteuer kurz und bündig und vor allem unblutig ad acta gelegt. Während dessen sind die in dem anliegenden Essay dargestellten Äusserungen von Putin, Lawrow und Schoigu in der westlichen Presse weitestgehend untergegangen. Sie zeigen aber die Entschlossenheit Russlands und die Perspektiven für die Zukunft für die "Ukraine" auf. Der kollektive Westen kann sich noch so sehr darüber aufregen - Russland wird ihnen zeigen - wie die Bayern sagen - "wo der Bartl den Most holt"...

In kurzen Erklärungen, die Ende vergangener Woche in Moskau abgegeben wurden und deren Bedeutung von der westlichen Presse übersehen wurde, ordnete Präsident Wladimir Putin einen Realitätscheck der russischen Kriegsstrategie an. Dann antwortete er selbst, indem er erklärte, der Krieg sei zu Ende, wenn keine ukrainische Armee und keine NATO-Waffen mehr auf dem Schlachtfeld seien.

Das Außenministerium antwortete mit dem Hinweis, dass Russland die Existenz eines rechtmäßigen ukrainischen Staates nicht anerkennt, da der Vertrag über die gegenseitige Anerkennung zwischen Russland und der Ukraine in den Jahren 2018 und 2019 von den Präsidenten Petro Poroschenko und Wladimir Zelenski gekündigt wurde.

"Wir können schlussfolgern", sagte Putin auf der Sitzung des Sicherheitsrates am Donnerstagmorgen, "dass sie sicherlich zusätzliche Ausrüstung schicken können, aber die Mobilisierungsreserve ist nicht unbegrenzt. Und die westlichen Verbündeten der Ukraine scheinen wirklich entschlossen zu sein, mit Russland bis zum letzten Ukrainer zu kämpfen. Gleichzeitig müssen wir von der Tatsache ausgehen, dass das Offensivpotenzial des Gegners noch nicht ausgeschöpft ist; er verfügt möglicherweise noch über ungenutzte strategische Reserven, und ich bitte Sie, dies bei der Ausarbeitung von Kampfstrategien im Auge zu behalten. Sie müssen von der Realität ausgehen."

Diese Äußerung von Putin folgte nur wenige Stunden nach der Erklärung des Außenministeriums, dass Russland die rechtliche Souveränität des Regimes in Kiew nicht anerkennt und dass es nach der Kündigung des Vertrags zwischen der Ukraine und Russland im Jahr 2019 keinen ukrainischen Staat mehr geben wird, der ein Abkommen zur Beendigung des Krieges unterzeichnen könnte.

Bei ihrem wöchentlichen Briefing für Reporter wurde die Sprecherin des Ministeriums, Maria Zakharova, gefragt: "Wann wird Russland ein juristisches Verfahren einleiten, um den bilateralen Vertrag mit der Ukraine über seine Souveränität zu beenden?" Zakharova antwortete: "Das Verfahren zur Beendigung des bilateralen Vertrages mit der Ukraine über ihre Souveränität wird durch das Fehlen eines solchen Vertrages erschwert. In Artikel 1 des Vertrags über die Grundsätze der Beziehungen zwischen der RSFSR und der Ukrainischen SSR vom 19. November 1990 erkannten sich die beiden Republiken gegenseitig als ‘souveräne Staaten’ an. Der Vertrag von 1990 wurde dann durch den Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und Partnerschaft zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine vom 31. May 1997 (Artikel 39) ersetzt, der von der Ukraine gekündigt wurde und am 1. April 2019 auslief."

Keine Armee, kein Staat. Aber der Krieg wird weitergehen, denn es ist der Krieg zwischen den USA und den NATO-Mächten und Russland. Auch der wird ein Ende haben, aber später.

"Wenn [NATO-Generalsekretär] Stoltenberg erneut im Namen der NATO sagt, dass sie gegen ein Einfrieren des Konflikts in der Ukraine sind", sagte Außenminister Sergej Lawrow am 21. Juni, "bedeutet das, dass sie kämpfen wollen. Sollen sie doch kämpfen. Wir sind dazu bereit. Wir haben die wahren Ziele der NATO in der Ukraine schon vor einiger Zeit erkannt, als ihre Pläne in den Jahren nach dem Putsch Gestalt annahmen. Heute versucht die NATO, sie in die Tat umzusetzen ... sie ist direkt in den hybriden und heißen Krieg verwickelt, der Russland erklärt wurde."

Lawrow fügte hinzu: "Ich fühle mich an einen Witz aus der Sowjetzeit erinnert, der besagt, dass die Sowjetunion zu nahe an den US-Militärbasen liegt." Die Sowjetunion wurde aufgelöst, aber der Krieg gegen Russland geht weiter. Er wird enden, wenn die USA in eine sichere Entfernung gedrängt werden. Putin bat Verteidigungsminister Sergej Schoigu darum, mit der Antwort auf zwei Fragen zu erklären, wie groß diese Sicherheit ist.

Putins Frage: "Wir wissen, dass der Feind zusätzliche westliche Ausrüstung erhalten soll. Was denkt das Verteidigungsministerium über die Bedrohungen in diesem Zusammenhang?"

Schoigus Antwort: "Alle Arsenale, die von der Sowjetunion und den Ländern des ehemaligen sozialistischen Blocks angehäuft wurden, sind jetzt praktisch erschöpft. Das Gleiche können wir über die ehemaligen ukrainischen Ressourcen sagen... die Menge, die im Laufe des Jahres 2023 geliefert werden soll, sowie die Waffen, die bereits geliefert wurden, werden den Verlauf der Feindseligkeiten nicht ernsthaft beeinflussen. Hinzu kommt, dass die meisten gepanzerten Fahrzeuge und Kampffahrzeuge der vorherigen Generation oder sogar einer früheren Generation angehören. Zum einen ist ihre Panzerung im Vergleich zu moderner Ausrüstung schwach und unwirksam. Herr Präsident, wir sehen hier keine Bedrohung."

Frage: "Herr Schoigu, wie hoch ist der prozentuale Anteil westlicher Ausrüstung an der seit dem 4. Juni zerstörten Ausrüstung, über die Herr Patruschew soeben mit allgemeinen Angaben berichtet hat? Ungefähr."

Antwort: "Von den 246 zerstörten Panzern waren 13 aus westlicher Produktion. Gleichzeitig ist festzustellen, wenn wir die gelieferte Ausrüstung betrachten, insbesondere Panzer: Es wurden 81 Panzer aus westlicher Produktion geliefert. Von den 81 westlichen Panzern sind 13 [16%] zerstört worden. Von den gepanzerten Kampffahrzeugen sind 59 westliche Fahrzeuge zerstört worden. Bis heute haben westliche Länder schätzungsweise 109 gepanzerte Kampffahrzeuge vom Typ Bradley an die Ukraine geliefert. Von den 109 Kampfpanzern wurden 18 [17%] zerstört. Insgesamt wurden 59 gepanzerte Fahrzeuge aus westlicher Produktion zerstört. Was die Feldartillerie und die Geschütze angeht, so kann ich natürlich sofort schätzen, dass von den 48 zerstörten Geschützen etwa 30 Prozent aus westlicher Produktion stammen."

Die "Realität" ist, so schlussfolgerte Putin, nicht für Schoigu oder den Generalstab, sondern öffentlich, dass der Prozentsatz der auf dem Schlachtfeld zerstörten NATO-Waffen stark ansteigen wird, weil "das Offensivpotenzial des Feindes noch nicht ausgeschöpft ist; er verfügt möglicherweise über noch ungenutzte strategische Reserven". Wenn diese Reserven besiegt sind, wird es weder NATO-Waffen noch ukrainische Soldaten geben.

Die Bedeutung dieser Neuausrichtung der russischen Kriegsziele wurde durch die Prigozhin Affaire für einige Stunden in den Hintergrund gedrängt.

Die Rückkehr der Wagner-Kolonnen zu ihren Stützpunkten in Lugansk, die Auflösung von Wagner durch das Verteidigungsministerium und der Abzug von Prigoschin in den Hausarrest in Weißrussland lenken vom Schlachtfeld und der Kriegsstrategie des Generalstabs ab. Wenn Prigozhin das Schweigen, den fehlenden Zugang zu seinem angehäuften Vermögen und den Verlust seiner Bewegungsfreiheit nicht erträgt, könnte er einen Ausbruch nach Afrika versuchen, um seine Rückkehr in die russische Politik zu planen. Er wird sich auch des Präzedenzfalls Lebed bewusst sein   – und dass Hubschrauberflüge gefährlich sind.

Russische Militärquellen glauben, dass der Ausgang des einarmigen Aufstandes für die wichtigsten Entscheidungsträger, darunter Putin und Schoigu, heilsam sein wird; am wenigsten für den Generalstab und seinen Chef, General Waleri Gerassimow, die sich mit einem größeren politischen Einfluss auf den Kreml aus der Affäre gezogen haben. Einer Moskauer Quelle zufolge "wird der Präsident jetzt, da der Generalstab ihn gerettet hat, dem General Geduld erlauben, seine Arbeit fortzusetzen, so wie die Generäle Iskander und Kinzhal ihre Arbeit jetzt zu tun scheinen".


Präsident Putin bei einem Besuch im Hauptquartier der Dnjepr-Kampfgruppe in der Nähe der Cherson-Front am 18. April. Tass berichtete: "Während seines Besuchs im Hauptquartier der Dnepr-Kampfgruppe in der Nähe der Cherson-Front hörte Wladimir Putin die Berichte des Kommandeurs der Luftlandetruppen, Generaloberst Michail Teplinski [links], des Kommandeurs der Dnepr-Kampfgruppe, Generaloberst Oleg Makarewitsch [rechts], und anderer Feldkommandeure."

Die letzte Bemerkung bezieht sich auf Angriffe mit Langstreckenraketen auf ukrainische Kommandozentralen, Flugplätze, Munitions- und Treibstoffreserven und NATO-Lager. Nachdem Schoigu am 20. Juni öffentlich vor Enthauptungsschlägen gewarnt hatte, falls die Ukrainer Ziele auf der Krim und in anderen russischen Regionen angriffen, und es am 22. Juni zu einem Angriff mit Storm Shadow-Marschflugkörpern auf die Tschongar-Brücke auf der Krim kam, meldete das Verteidigungsministerium, dass es am 23. Juni eine Salve abgefeuert habe, "als Antwort auf einen Angriff auf eine Straßenbrücke über die Chongar-Meerenge [sowie] die Zerstörung eines Lagers mit Storm Shadow-Marschflugkörpern auf einem ukrainischen Luftwaffenstützpunkt in der Nähe der Siedlung Starokonstantinow in der Region Chmelnizki. "


Links: Rakete explodiert beim Einschlag auf der Chongarsky-Brücke am 22. Juni; rechts: Einschlagkrater auf der Fahrbahn der Brücke. Quelle: https://www.dailymail.co.uk

Was die Auswirkungen der Progoschin-Affäre auf die Kriegsführung angeht, so lag die Einschätzung, die in der Sendung einige Stunden vor dem Ende der Affäre geäußert wurde, zwischen fast nichts und nicht sehr viel. Die Ziele "keine ukrainische Armee, keine NATO-Waffen, kein Kiewer Staat" sind jetzt noch wichtiger.

Ein NATO-Veteran kommentiert, was er als nächstes an der Front erwartet. "Die Ukrainer werden ein Problem damit haben, sich an der Front zurückzuziehen und zu einer konventionellen Verteidigung überzugehen. Ich habe festgestellt, dass die Russen, insbesondere an der Front zwischen der Lugansker Volksrepublik und Charkow, erhebliche Kräfte zusammengezogen haben und Druck ausüben. Dies veranlasst die Ukrainer dazu, ihre Kräfte zu verlagern und in das Gebiet zu verlegen, um entweder die Russen aufzuhalten oder durch einen Angriff die Initiative zu ergreifen. Solange sie nicht bereit sind, Gebietsverluste hinzunehmen, um ihre Reserven zu schonen   – und das scheint nicht der Fall zu sein   –, werden sie an der Front weiter aufgerieben werden. Währenddessen wird ihre Logistik durch russische Angriffe, die zu einem großen Teil aus billigen, vom Iran entwickelten und mit Raketen bestückten Drohnen bestehen, in immer größerem Umfang und Tempo zusammenbrechen.

"Die Stossrichtung bewegt sich weg von der taktischen Bataillonsgruppe als Dreh- und Angelpunkt der Operationen und zurück zu Formationen auf Divisionsebene. Die an der Charkow-Front aufgebauten Kräfte sind ein Indiz dafür. Wenn Ihr Feind weiß, wie Sie auf grundlegender Ebene denken, ist es für ihn eine Kleinigkeit herauszufinden, was Sie als nächstes tun werden. Danach geht es darum, wie man den Feind dazu bringt, etwas bestimmtes zu tun, wann und wo man will. Ich werde Charkow weiter beobachten."

Hören Sie sich die Präsentation im dritten Segment von TNT Radio's War of the Worlds an, ab Minute 46:


Quelle: https://tntradiolive.podbean.com/ [16]

Quelle:  https://johnhelmer.net/ - Dances With Bears -
Die Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus

Weitere Beiträge in dieser Kategorie