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Patrick Lawrence: Erst gab es Neonazis, dann gab es keine Nazis, dann gab es welche

Die Arbeit eines Korrespondenten der New York Times ist heutzutage nicht einfach. Man muss seinen Lesern totalen Unsinn verkaufen und dabei ernst bleiben und glaubwürdig wirken.
Von Patrick Lawrence SHEERPOST, 06. Juni 2023
19. Juni 2023

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Soldat des Spezialregiments der Nationalgarde der Ukraine "Asow".

Man muss z. B. berichten, die Russen hätten eine Drohne über dem Kreml explodieren lassen, ihre eigenen Gaspipelines in die Luft gesprengt, ihr Präsident sei ein unberechenbarer Psychopath, ihre Soldaten seien Trunkenbolde mit mangelhafter Ausrüstung, die in der Ukraine wie "hunnische Horden" wüten, und so weiter und so fort. Wie soll man da noch die Seriosität bewahren, die einst den traditionellen "Times-Mann" ausgezeichnet hat? Versuchen Sie das mal.

Ich muss dabei an eine einprägsame Passage aus Daniel Boorstins leider zu wenig beachtetem Buch "The Image: A Guide to Pseudo-Events in America " denken (s. unter s%2C+The+image&link_code=qs&sourceid=Mozilla-search&tag=firefox-de-21 ). Boorstin schrieb bereits (in der 1. Auflae)1962: "Die Aufgabe des Reporters besteht heute darin,aus erfundenen "Fakten" ein Gespinst zu weben, das der Leser nicht für völlig abseitig hält."

Boorstin reflektierte über die Trugbilder, Wunschvorstellungen und Verzerrungen, mit denen Washington damals die Narretei seines grausamen Vietnamkrieges propagandistisch vorbereitet hat. Weil viele Redakteure und Verleger die Verwendung von "Fake News" vorschreiben, ist es für Reporter noch viel schwieriger geworden, dabei "seriös" zu bleiben, als es zu Boorstins Zeiten war.

Und damit kommen wir zu Thomas Gibbons-Neff, einem kantigen ehemaligen Soldaten der US-Marineinfanterie, der in dieser Woche für die New York Times über den Krieg in der Ukraine berichtet hat [s. https://www.nytimes.com/2023/06/05/world/europe/nazi-symbols-ukraine.html , (eine Übersetzung dieses Artikels s. unter https://www.anti-spiegel.ru/2023/wie-die-new-york-times-nazi-symbole-in-der-ukraine-verharmlost-und-schoenredet/ )]   – und zwar genau so, wie es ihm das Kiewer Regime erlaubt hat. Das hat dieser Typ mit bewundernswerter Ehrlichkeit zugegeben, weil er und seine Zeitung hoffen, dass wir seinen Artikel dann wirklich ernst nehmen.

Tom hatte in dieser Woche offensichtlich die Aufgabe, uns davon zu überzeugen, dass all die ukrainischen Soldaten, die Nazi-Insignien tragen und an der Ermordung von Juden beteiligte, russophobe Kollaborateure des Dritten Reiches vergöttern, sich zu nazistisch inspirierten Ritualen versammeln und in ganzen Trupps mit Fackelparaden durch Kiew marschieren, nicht das sind, was Sie vermutlich denken. Nein, sagt uns unser Tom, sie sehen zwar aus wie Neonazis, sie verhalten sich wie Neonazis, sie kleiden sich wie Neonazis, sie bekennen sich zu faschistischen und neonazistischen Ideologien, sie führen diesen Krieg gegen die Russen mit dem gleichen unbändigen Hass wie die (Nazi-)Wehrmacht   – OK, aber darf man sie deshalb für Neonazis halten?

Das seien doch ganz normale Typen. Sie trügen zwar die Wolfsangel (s. https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfsangel ), die Schwarze Sonne (s. unter https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Sonne ), , den Totenkopf (s. https://de.wikipedia.org/wiki/SS-Division_Totenkopf )   – also lauter Nazi-Symbole   – aber nur, weil sie stolz auf sich selbst seien , und stolze Menschen trügen eben solche Abzeichen.

Thomas Gibbons-Neffs Artikel "Nazi symbols on Ukraine frontlines highlight 'thorny issues' of history" (Nazi-Symbole an der ukrainischen Front werfen ein Schlaglicht auf heikle Fragen der Geschichte) erschien am 05.06.23 in der Montagsausgabe der New York Times. Am Anfang geht es um drei Fotos von ukrainischen Soldaten, auf deren Uniformen deutlich SS-Abzeichen zu sehen waren. Die hatte das Kiewer Regime nach Beginn der russischen Intervention im vergangenen Jahr in sozialen Medien gepostet und später stillschweigend wieder gelöscht. "Die Fotos und ihre Löschung", schreibt Gibbons-Neff, "verdeutlichen die komplizierte Beziehung des ukrainischen Militärs zur Nazi-Symbolik, eine Beziehung, die sich sowohl unter der sowjetischen als auch unter der deutschen Besatzung während des Zweiten Weltkriegs entwickelt hat."

Komplizierte Beziehung zu Nazi-Symbolen? Meinen Sie das wirklich ernst Mr. Semper fi? (Semper fidelis, abgekürzt semper fi, heißt auf Lateinisch "Für immer treu" und ist das Motto der US-Marineinfanterie, s. https://de.wikipedia.org/wiki/Semper_fidelis ). Bei dem Neonazi-Problem der Ukraine geht es ganz sicher nicht nur um ein paar umstrittene Bilder. Entschuldigung! Die "komplizierte Beziehung" der ukrainischen Armee besteht zu einer über hundert Jahre alten rechtsextremen Ideologie, die sich aus Mussolinis Faschismus und dem Nationalsozialismus des (Groß-)Deutschen Reiches speist. Wie bekannt und dokumentiert ist, haben die Neonazis in den ukrainischen Streitkräften, abgekürzt AFU, und vielen anderen ukrainischen Organisationen Figuren wie Stepan Bandera zum Idol gemacht   – diesen verrückten, mordgierigen Nationalisten, der sich während des Zweiten Weltkrieges mit dem Nazi-Regime verbündet hatte.

Sterpan Banderas* Geschichte ist aktenkundig und wird unter http://patricklawrence.us/patrick-lawrence-the-pathology-of-ukrainian-nationalism/ (und https://de.wikipedia.org/wiki/Stepan_Bandera ) kurz skizziert. Gibbons-Neff geht mit keinem Wort darauf ein. Für ihn sind die ukrainischen Neonazis vor allem ein Image-Problem. Zur Untermauerung dieser offensiven Schönfärberei hat Gibbons-Neff die Frechheit, mit Bellingcat (s. https://de.bellingcat.com/ ) eine Quelle zu zitieren, die schon lange als Website der CIA und des ( britischen Auslandsgeheimdienstes) MI6 enttarnt ist (s. https://mronline.org/2021/10/11/bellingcat-funded-by-u-s-and-uk-intelligence-contractors-that-aided-extremists-in-syria/ ). Bellincat wird auch vom Atlantic Council (s. https://de.wikipedia.org/wiki/Atlantic_Council ) unterstützt, einem von der NATO finanzierten, von Spionen durchsetzten Think Tank mit Sitz in Washington.

 

"Was mich im ukrainischen Kontext beunruhigt, ist, dass die Menschen in der Ukraine, die in Führungspositionen sind, entweder nicht wissen oder nicht bereit sind, anzuerkennen und zu verstehen, wie diese Symbole außerhalb der Ukraine gesehen werden," lässt sich Gibbons-Neff von einem Bellingcat-"Forscher" namens Michael Colborne erklären. "Ich denke, die Ukrainer müssen zunehmend erkennen, dass diese Bilder die Unterstützung für das Land untergraben."

Ist das zu verstehen? Das Vorhandensein von Nazi-Elementen in der AFU ist (für Bellingcat) kein Grund zur Sorge. Herrn Colbornes Sorge besteht lediglich darin, dass eindeutige Anzeichen von Nazi-Sympathien in der Ukraine einige Mitglieder des westlichen Bündnisses dazu veranlassen könnten, die Armee der Ukraine wegen der Nazi-Elemente nicht mehr zu unterstützen.

Ich erinnere mich an die Nachrichtensendung des TV-Senders PBS im letzten Jahr, in der ein Provinzgouverneur mit einem Porträt von Bandera im Hintergrund zu sehen war. PBS hatte das Foto einfach unkenntlich gemacht und das Interview später "mit einem anderen der mutigen, bewundernswerten Ukrainer" gesendet, die wir regelmäßig zu sehen bekommen.

Ich muss aufmerksame Leser wohl kaum daran erinnern, dass die Neonazis, die heute keine Neonazis mehr sein dürfen, nach dem von den USA angezettelten Maidan-Putsch von 2014 jahrelang einfach als Neonazis bezeichnet wurden. Die Times, die Washington Post,   – der ganze traurige Haufen   – , brachten Artikel über neonazistische Elemente in der AFU und anderswo. Im März 2018 veröffentlichte die Presseagentur Reuters einen Kommentar von Jeff Cohen mit der Überschrift "Ukraine's Neo-Nazi Problem" [s. https://www.reuters.com/article/us-cohen-ukraine-commentary-idUSKBN1GV2TY ]. Drei Monate später publizierte sogar der Atlantic Council   – um Himmels willen!   – ein ebenfalls von Cohen verfasstes Papier mit dem Titel "Ukraine's got a real Problem with Far-Right Violence" [s.https://www.atlanticcouncil.org/blogs/ukrainealert/ukraine-s-got-a-real-problem-with-far-right-violence-and-no-rt-didn-t-write-this-headline/ ]. Noch nicht einmal bei RT waren solche Schlagzeilen zu finden! Ich erinnere mich deshalb noch daran, weil ich selbst überrascht war, dass so etwas von Atlantic Council kam. Die ursprüngliche Überschrift dieses Papiers hatte auch "Ukraine's got a Neo-Nazi Problem" gelautet, aber, diese Version scheint durch die Unschärfe des "Stealth-Editing" (s. https://arweave.medium.com/what-is-stealth-editing-and-how-can-we-combat-it-98052078b517 ) verloren gegangen zu sein.

Dann kam die russische Intervention, und plötzlich gab es keine Neonazis mehr in der Ukraine. Es gibt nur noch diese "verirrten" Bilder (mit Nazi-Symbolen), die natürlich keine besondere Bedeutung haben. Aber die Behauptung, es gäbe Neonazis in der Ukraine, das verbliebene Erinnerungsvermögen und die Fähigkeit auch zu sehen, was man vor Augen hat "spielt der russischen Propaganda in die Hände", warnt uns Gibbons-Neff. Das stütze "die Unterstellung Wladimir Putins, die Ukraine müsse entnazifiziert werden. Um das Ganze abzurunden, holt Gibbons-Neff die alte Kiste "Volodymyr Zelenskyj ist Jude" hervor, als ob damit zu beweisen wäre, dass es in der Ukraine keine Neonazis gibt!

Ich muss an den schönen Donovan-Text aus der Zen-Erleuchtungsphase des schottischen Sängers denken. Erinnern Sie sich noch an seinen Song "There Is a Mountain"? Dessen berühmteste Zeilen lauteten: "Erst ist da ein Berg/ Dann ist da kein Berg/ Dann ist da wieder einer." Erst gab es Neonazis in der Ukraine, dann gab es keine Neonazis, und jetzt gibt es zwar wieder Neonazis, aber das dürfen ja keine mehr sein.

Es gibt ein paar Dinge in Thomas Gibbons-Neffs Story, über die wir nachdenken sollten, weil es sich ja um Journalismus handeln soll. Zum einen wird nirgendwo ein Mitglied der AFU zitiert oder wenigstens erwähnt, das eines dieser beunruhigenden Abzeichen an seiner Uniform trägt. Der "Journalist" lässt sich nur von irgendwelchen Offiziellen etwas über Neonazis erzählen, die keine Neonazis sein sollen, hat aber keinen persönlich gesprochen. Ich wette darauf, dass Gibbons-Neff keinem dieser Neonazis näher als 200 m gekommen ist. Er hat es nicht riskiert, mit einem dieser Nazi-Insignien tragenden Menschen zu sprechen, denn der hätte sich möglicherweise sogar damit gebrüstet, ein Neonazi zu sein. Begreift Gibbons-Neff eigentlich nicht, was er den Lesern mit seinem Artikel zumutet?

Zum anderen vermeidet es Gibbons-Neff konsequent, seine Aufmerksamkeit auf das eigentlich Problem zu richten. Er beschäftigt sich nur mit den Nazi-Symbolen auf den drei gelöschten Fotos. Die Aufmärsche, die Neonazi-Fahnen in den Straßen , die allgegenwärtigen Hakenkreuze, die nachempfundenen nächtlicher SS-Rituale, die Verehrung von Nazis und Nazi-Kollaborateuren, die russophobe Mordlust, all das kommt bei ihm nicht vor. Das ließe sich sicher erklären, dieser Times-Reporter geht nur überhaupt nicht darauf ein.

Gibbons-Neffs Story erschien 10 Tage nachdem ein noch weniger glaubwürdiger und stärker verzerrender Artikel im Kiew Independent veröffentlicht worden war [s. https://kyivindependent.com/illia-ponomarenko-why-some-ukrainian-soldiers-use-nazi-related-insignia/ ], einer regimehörigen Tageszeitung, die von verschiedenen westlichen Regierungen unterstützt wird. Der Artikel stammt von Illia Ponomarenko, einem im Westen hochgeschätzten Reporter, und erschien unter der Überschrift "Why some Ukrainian soldiers use Nazi-related insignia" (Warum einige ukrainische Soldaten Abzeichen tragen, die an die Nazis erinnern).

Dieser Artikel, ist wirklich so schlecht, dass er ins Komische kippt. "Nein, die Ukraine hat überhaupt kein Naziproblem", stellt Ponomarenko lapidar fest, und es geht noch schlimmer weiter: "Wie an vielen Orten auf der Welt neigen Menschen mit rechtsextremen und neonazistischen Ansichten dazu, sich dem Militär anzuschließen und sich an Konflikten zu beteiligen." Und dann kommt noch ein Knüller, mit dem der Artikel ins Irrationale abgleitet.

"Es trifft natürlich zu, dass z. B. das Asow-Bataillon ( s. https://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_13/LP08915_280415.pdf )   – wie viele Fußball-Fanclubs   – ursprünglich von Neonazis und rechtsextremen Gruppierungen gegründet wurde, die ihre typische Ästhetik mitbrachten   – nicht nur neonazistische Insignien, sondern auch heidnische Rituale oder Namen wie 'Das Schwarze Korps'. So hieß die offizielle Zeitung der größten paramilitärischen Organisation in Nazideutschland, der Schutzstaffel oder SS."

Aber machen Sie sich keine Sorge, liebe Leser. Nach Meinung Ponomarenkos handelt sich lediglich um ein Ästhetik-Problem, das Teil einer harmlosen, missverstandenen "Subkultur" ist.

In der verharmlosenden Erinnerung auf der ganzen Welt verstreuter Menschen, insbesondere in diversen militaristischen Subkulturen, würden Symbole, der Wehrmacht und der SS einfach nur als Ausdruck einer super-effektiven Kriegsmaschinerie gesehen und nicht als Kennzeichen von Organisationen, die schlimmste Verbrechen gegen die Menschheit. begangen haben.


Enthüllung des Bandera-Denkmals am 13. October 2007 in Lviv, (c) Dr. Rossoliński-Liebe

Damit ist für Ponomarenko also klar: Mit SS-Insignien und Wehrmachtssymbolik drücken Menschen nur ihre Bewunderung für super-effektive Kriegsmaschinerien aus. Wenn wieder ein forscher Liberaler fordert, radikale Anhänger der MAGA-Subkultur-Bewegung (MAGA ist ein Kürzer für "Make America Great Again",. s. https://hpd.de/artikel/maga-groesste-und-gefaehrlichste-endzeitkult-welt-20863 ) zu verfolgen, sollten Sie sich an diese Logik erinnern.

Wollte Tom Gibbons-Neff, dass ein anderer seine Story neu schreibt? Da ich selbst schon lange als Reporter arbeite, habe ich schon oft erlebt, dass Journalisten, die vom Lokalreporter zum Auslandskorrespondenten aufsteigen wollen, Zugeständnisse machen. Seine Redakteure könnten Ponomarenkos Artikel gelesen und Tom beauftragt haben, ähnlichen Unsinn abzuliefern.

Tom schrieb auch: "Die Frage, wie derartige Symbole zu interpretieren sind, ist nicht nur in der Ukraine, strittig. Südstaatler in den USA bestehen bis heute darauf, dass die Flagge der Konföderierten ein Symbol des Stolzes ist und nicht für Rassismus und Abspaltung steht. Und das Hakenkreuz war ja auch ein wichtiges hinduistisches Symbol, bevor es von den Nazis vereinnahmt wurde."

Lieber Tom, dein Rückgriff auf Ponomarenkos Artikel war leider kein Griff nach den Sternen.

Dieser aufstrebende Korrespondent der New York Times hat aber nicht nur eine vom Westen finanzierte Kiewer Zeitung als Vorlage benutzt, sondern auch ausschließlich das ukrainische Verteidigungsministerium und Bellingcat zitiert, eine Geheimdienstorganisation, die zu einem Think-Tank der NATO gehört. Ja, und auch ihr Südstaatler geht immer noch Einflüsterungen der Geheimdienste und des Tiefen Staates auf den Leim.

Erst im März war Gibbons-Neff von der New York Times interviewt worden. Ja, so etwas ist in der Eighth Avenue üblich, wo man immer wieder gern über sich selbst berichtet. Es war sehr erhellend. Der forsch auftretende Interviewer fragte unseren "unerschrockenen Korrespondenten": "Was sind die größten Herausforderungen bei der Berichterstattung über diesen Krieg?" Gibbons-Neffs Antwort ist unbezahlbar und war äußerst aufschlussreich:

"Das Ringen um Zugänge und die Erlaubnis, bestimmte Orte besuchen zu dürfen, um Dinge zu sehen, für die man die Begleitung eines Presseoffiziers oder die Erlaubnis der betreffenden Militäreinheit braucht," erklärt der furchtlose Ex-Marine. "Die Ukrainer wissen nämlich ziemlich gut, wie man mit der Presse umgeht. Es war also schon schwierig, immer all ihre Vorschriften einzuhalten und niemanden vor den Kopf zu stoßen."

Vergessen Sie also Bomben, Raketen, Blutvergießen, den Nebel des Krieges, Soldaten in Lebensgefahr, den Gestank der Schützengräben, explodierende Granaten oder andere Schrecken der Schlacht   – Gibbons-Neffs größte Probleme bei der Berichterstattung über den Ukraine-Krieg bestehen darin, sich Zugänge zu verschaffen, die Erlaubnis der Kiewer Behörden zu erhalten und "die Pförtner des Regimes" nicht zu verärgern.

Das sagt eigentlich alles, über diesen Times-Mann.

Es ist immer interessant, sich zu fragen, warum ein Artikel wie dieser gerade jetzt erschienen ist. Monatelang herrschte Totenstille bezüglich der Neonazifrage, und dann plötzlich diese langatmige Erklärung dazu, die alles tut, um nichts erklären zu müssen. Die Frage "Warum gerade jetzt?" ist also nicht einfach zu beantworten.

Es könnte sein, dass eine Menge neuer Fakten über die ukrainischen Neonazis ans Licht zu kommen drohen. Vielleicht steht eine große Enthüllung bevor, und der Artikel sollte als "Präventivschlag" dienen. Gibbons-Neff oder seine Redakteure könnten den Ponomarenko-Artikel auch als Gelegenheit betrachtet haben, den peinlichsten Makel des Kiewer Regimes endgültig zu "beerdigen"

Vielleicht steht der Artikel aber auch in einem größeren Zusammenhang. Letzte Woche hat Times-Korrespondent Steve Erlanger (s. https://www.nytimes.com/by/steven-erlanger ) von Brüssel aus vorgeschlagen, die NATO solle die Ukraine wie Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg behandeln: Den Westen des Landes im Bündnis willkommen heißen und die östlichen Provinzen auf unbestimmte Zeit sich selbst überlasse, wobei die Wiedervereinigung das langfristige Ziel bleiben könne. Außerdem veröffentlichte Foreign Affairs (s. https://de.wikipedia.org/wiki/Foreign_Affairs ) Ende letzter Woche einen wunderlichen Artikel (s. https://www.foreignaffairs.com/ukraine/protect-europe-let-ukraine-join-nato-right-now ) von Andriy Zagorodnyuk, einem ehemaligen ukrainischen Verteidigungsminister, der jetzt für den Atlantic Council arbeitet. Dieser Artikel erschien unter der Überschrift: "Um Europa zu schützen, sollte die Ukraine der NATO beitreten   – und zwar sofort".

Zagorodnyuks Argumentation ist ebenso abwegig wie der Untertitel seines Artikel: "Kein Land ist besser darin, Russland aufzuhalten". Aber diese Art von Behauptungen, so unrealistisch und übertrieben sie auch sein mögen, haben trotzdem einen praktischen Zweck. Sie dienen dazu, das Feld des Diskurses zu erweitern und den Gedanken akzeptabler machen, dass die Ukraine unbedingt in das nordatlantische Bündnis aufgenommen werden muss, ganz gleich, wie provokativ ein solcher Schritt für Russland wäre.

Dies lässt vermuten, dass mit dem Gibbons-Neff-Artikel und dem von Ponomarenko in der Kiewer Zeitung, das Problem "Neonazis in der Ukraine" endgültig aus der Welt geschafft werden sollte. Wie Sie sich erinnern werden, hat die westliche Presse, die eng mit den Geheimdiensten zusammenarbeitet, ihr Bestes getan, um die brutalen Dschihadisten, die versucht haben, die Assad-Regierung in Damaskus zu stürzen, in "gemäßigte Rebellen" zu verwandeln. Vermutlich ist Gibbons-Neff in einer ebenso unehrenhaften Mission in Sachen Ukrainische Neonazis unterwegs.

Semper fi! Immer treu,wie bei der US-Marineinfanterie.

Patrick Lawrence war lange Jahre Auslandskorrespondent, vor allem für die International Herald Tribune, ist Medienkritiker, Essayist und Dozent. Sein jüngstes Buch heißt "Time No Longer: Americans After the American Century." Seine Website ist aufzurufen unter http://patricklawrence.us/ :

(Wir haben den Artikel mit DeepL-nerstützung übersetzt und mit Ergänzungen und zusätzlichen Links in runden Klammern versehen. Die Links in eckigen Klammern waren bereits im Originaltext enthalten.)

Anmerkung: Der Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 hat 27 000 000 Russen das Leben gekostet (s. dazu auch https://de.wikipedia.org/wiki/Unternehmen_Barbarossa und https://de.wikipedia.org/wiki/Tote_des_Zweiten_Weltkrieges ). Der Verfolgung der im Donbass in der Ostukraine lebenden Russen durch das von Neonazis dominierte Regime, das nach dem 2014 unter Führung der USA inszenierten Maidan-Putsch vom Westen in Kiew installiert und hochgerüstet wurde, sind bis zu der russischen Intervention im Februar 2022 über 10.000 Menschen zum Opfer gefallen (s. https://www.youtube.com/watch?v=E79NCgpd8_4 ). Und bis heute töten Neonazis in der Ukrainischen Armee russische Soldaten auch mit deutschen Waffen.

Deshalb sollten der Westen und besonders die Bundesregierung in Berlin nicht so tun, als gäbe es das Neonazi-Problem in der Ukraine überhaupt nicht. Deutsche Politiker , die im eigenen Land jedwede berechtigte Kritik oder abweichende Meinung als "Rechts" diffamieren, müssen sich fragen lassen, warum sie den Mantel des Schweigens über dieses offensichtliche Nazi-Problem in der Ukraine breiten und die Rechtsextremen Strukturen in der Ukraine mit milliardenschweren Waffenlieferungen und Hilfsgeldern unterstützen?

Mit diesem Verschweigen und der Unterstützung verstärken sie das allzu verständliche Nazi-Trauma der Russen nur und machen Waffenstillstandsverhandlungen in der Ukraine unnötig schwer.

Quelle: https://scheerpost.com/2023/06/06/patrick-lawrence-first-there-were-neo-nazis-then-there-were-no-nazis-then-there-were/
Übersetzt von Fee Strieffler und Wolfgang Jung ,19.06.2023

[Hervorhebungen, Bilder und Titel: seniora.org]   

*Nachtrag zu Stepan Bandera auf seniora.org:

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