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Malediven erkunden das Leben außerhalb des Indopazifiks

Die Präsidentschaftswahlen auf den Malediven waren so hart umkämpft, dass eine Stichwahl notwendig wurde
von M.K. Bhadrakumar 05.10.2023 - übernommen von indiapunchline.com
08. Oktober 2023

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Der gewählte Präsident der Malediven, Dr. Mohamed Muizzu (C), spricht zu seinen Anhängern, Malé, 2. Oktober 2023

Es war mit einem massiven Trommelfeuer westlicher Medien zu rechnen, das das Wahlergebnis der Präsidentschaftswahl auf den Malediven in binären Begriffen karikierte, wonach Chinas "Gewinn" Indiens "Verlust" gewesen sei.

Sie beklagten ferner, dass die Demokratie auf den Malediven unter der kommenden Präsidentschaft von Mohamed Muizzu, dem amtierenden Bürgermeister der Hauptstadt Malé, einem brillanten Technokraten mit einer Ausbildung, der an einer britischen Universität einen Doktortitel in Ingenieurwissenschaften besitzt und vor über zehn Jahren in die Politik gegangen ist, um als Kabinettsminister in aufeinander folgenden Regierungen zu dienen, und Prominenz für sein zentrales Engagement bei der Überwachung wichtiger Infrastrukturprojekte erlangte, insbesondere der ikonischen Sinamale-Brücke, die als wichtige Verbindung zwischen der Hauptstadt und dem Velana International Airport auf Hulhulé diente und sich weiter bis zur geplanten neuen Stadt Hulhumalé erstreckte — und dafür von den westlichen Ländern und den indischen Medien als "pro-China" gebrandmarkt wurde.

Diese beiden Annahmen über Muizzu sind zutiefst fehlerhaft und in der so genannten Indo-Pazifik-Strategie der USA und ihren geopolitischen Auswirkungen verankert. Sie weisen den Malediven einen Platz in der Indo-Pazifik-Strategie zu, den sie ohne dies zu hinterfragen einnehmen sollen, und verweigern dem kleinen Land die Entscheidungsfreiheit in einer Welt im Umbruch.

Die Malediven haben ihre Präsidentschaftswahlen gerade mit einem aufregenden Ergebnis abgeschlossen. Diese waren so heftig umstritten, dass eine Stichwahl notwendig wurde und eine Opposition als Außenseiter den amtierenden Präsidenten mit einem überzeugenden Vorsprung von 8 Prozent der abgegebenen Stimmen besiegte.

Allein die Dynamik des demokratischen Prozesses, die im Inneren des People’s Majlis [Majlis der Bevölkerung = Einkammer-Volksvertretung auf den Malediven] stattfindet, beschämt alle Länder in der Region Südasien zutiefst, einschließlich Pakistan und der selbsternannten "Mutter der Demokratie" nebenan, Indien.

Die verfassungsmäßige Regierung der Malediven geht auf das Jahr 1932 zurück, als eine Verfassung ausgearbeitet wurde, die Aussichten auf eine demokratische Herrschaft eröffnete, durch die sich der regierende Sultan bedroht fühlte und einen Mob dazu veranlasste, das Dokument öffentlich zu zerreißen. Seitdem wurde die Verfassung mehrmals überarbeitet. Übrigens erwägen die Malediven eine Umstellung auf das parlamentarische System, das sie für eine repräsentativere Regierungsform und ein Bollwerk gegen die Gefahr der Machtkonzentration in den Händen eines autoritären Individuums halten.

Tatsache ist, dass die Malediven über eine Bevölkerung mit hohem Alphabetisierunggrad verfügen, die politisch motiviert ist. Nur Sri Lanka kommt dem in dieser Hinsicht in der Region nahe. Das Paradoxe daran ist, dass diese beiden Länder noch etwas Anderes gemeinsam haben   – die Bewältigung des Umgangs mit einem massiven Nachbarn wie Indien, was ihnen die Kunst beibrachte, eine robuste, unabhängige Außenpolitik zu steuern, um ein Gegengewicht gegenüber der indischen Hegemonie zu schaffen.

Es gab Zeiten, in denen Malé und Colombo eine trügerische Unterwürfigkeit an den Tag legten, aber in Wirklichkeit hielten sie an ihren vitalen Interessen fest und spielten erfolgreich auf Zeit. In der gegenwärtigen Situation betrachten sie China ganz offensichtlich als einen Gleichgewichtsfaktor. Die Inder mit ihrer Nullsummen-Denkweise verstehen nicht, dass diese kleinen Länder weder "pro-Indien" noch "pro-China" sind, sondern beiden gegenüber freundlich sein wollen und bestrebt wären, diese zur Wahrung ihrer eigenen Interessen, vor allem im wirtschaftlichen Bereich, zu nutzen.

Das ist besonders in letzter Zeit so, wo sich Südasien in eine Arena starker Rivalitäten verwandelt (was während des Kalten Krieges nie der Fall war) und ein neuer Akteur in der Region aufgetaucht ist, der seinen Willen durchsetzt   – die Vereinigten Staaten.

Nicht nur die Malediven und Sri Lanka, sondern alle Länder in der Region, große und kleine, einschließlich zuletzt auch Pakistan, stehen heute unter dem Druck des Westens, Partei zu ergreifen. Wenn sich die USA ermutigt fühlen, ihre Hegemonie in Südasien durchzusetzen, liegt das in erster Linie an der stillschweigenden Unterstützung, die Indien, der ewige "Swing State", für sie gewährt.

Die Verschiebung der indischen Positionen im Zusammenhang mit der zunehmenden Veränderung der Beziehungen zwischen den USA und Indien geht auf das Jahr 2006 zurück, als sich der US-indische Antagonismus nach dem Atomabkommen auflöste. Einer der strukturellen Faktoren, die bei diesem Paradigmenwechsel ins Spiel kamen   – Washington und Neu-Delhi kooperierten und koordinierten ihren Ansatz gegenüber Südasien   –, war der indische und amerikanische Wunsch, eine neue Partnerschaft zu schmieden, die auf der Förderung des geopolitischen Gleichgewichts in Asien angesichts des Aufstiegs Chinas basiert. Das Ergebnis ist, dass Indien effektiv Partei für die amerikanischen Bemühungen wurde, die südasiatischen Regime zu manipulieren, um sie mit seiner Indo-Pazifik-Strategie in Einklang zu bringen.

Es genügt wohl, zu sagen, dass das aktuelle Lamento, der "von China unterstützte Kandidat Mohamed Muizzu, hat den pro-indischen Präsidenten Ibrahim Solih besiegt", et al., kompletter Unsinn ist. Es besteht kein Zweifel, dass der "pro-indische" Solih China nie wirklich den Rücken gekehrt hat. Ebenso wenig war es so, dass seine Entscheidung, die von seinem "pro-chinesischen" Vorgänger auf den Malediven ausgehandelten chinesischen Projekte nicht zu beenden, ihn nie davon abhielt, eine vorbehaltlose "Indien zuerst"-Beziehung mit Delhi anzustreben.

Politiker versuchen durch Rhetorik Wählerstimmen zu gewinnen, an die sie sich später nur selten halten. Auch dies ist kein südasiatisches Phänomen   – die USA verhandeln derzeit über ein Sicherheitsabkommen mit Saudi-Arabien, einem Land, das der Kandidat Joe Biden vor nicht allzu langer Zeit einmal als "Paria" bezeichnet hatte.

Indien ist tief in die Finanzen der Malediven verstrickt, in Handel, Infrastrukturwachstum usw., die so fundamental wichtig für das Wachstum der Malediven sind, dass es sehr schwer sein wird, all das zu stoppen   – d.h., selbst dann, wenn der designierte Präsident Muizzu es wollen würde.

Zweitens ist die Geopolitik für die Menschen auf den Malediven zweifellos kein brennendes Thema, obwohl es eine starke Unterströmung anti-indischer Gefühle gibt (wie in allen südasiatischen Ländern), die Politiker während eng umkämpfter Wahlen ausnutzen.

Indien hätte wohl ebenso gut die Kraftprobe mit Solihs "pro-chinesischem" Vorgänger Abdullah Yameen vermeiden können, wenn nur mächtige Interessengruppen unter den Eliten und innerhalb des Establishments sich nicht an einer Kraftprobe mit der Yameen-Regierung im Jahr 2012 beteiligt hätten, bei der es um die Kündigung des 511-Millionen-Dollar-Vertrages der GMR-Gruppe für die Modernisierung des Internationalen Flughafens Male Ibrahim Nasir ging. Das bleibt leider immer noch eine unerzählte Geschichte.

Hoffentlich wird sich die Geschichte nicht wiederholen, da der designierte Präsident Muizzu bereits öffentlich seine Absicht kundgetan hat, dass er an seinem Wahlkampfversprechen festhalten wird, auf den Malediven stationiertes indisches Militärpersonal abzuziehen. "Die Leute haben uns gesagt, dass sie hier kein ausländisches Militär wollen", sagte er. Delhi muss in aller Ruhe und rational bewerten, was Muizzus Engagement mit sich bringt.

Ein Bericht der Nachrichtenagentur AP behauptet: "Es ist ein schwerer Schlag für Indien in seiner geopolitischen Rivalität mit China in der Region des Indischen Ozeans." Ist das wirklich so? Anscheinend würden 75 indische Soldaten und zwei Hubschrauber das geopolitische Gleichgewicht im Indischen Ozean zu Gunsten Indiens kippen!

Am wichtigsten ist aber, dass Muizzu auch sagt, dass die Malediven gegen jede Form von ausländischer Militärpräsenz auf ihrem Boden sind, egal von welchem Land. War es nicht ein unsensibler, an Idiotie grenzender Schritt, unser Militärpersonal auf den Malediven zu stationieren? Delhi hätte mit einem solchen Zugunglück rechnen müssen.

Dies ist die Art strategischer Überdehnung, die normalerweise die USA in ihrer Überheblichkeit erzeugt   – z.B. indem sie Boris Jelzins Russland "Kot in die Kehle schieben", wie Bill Clinton einst bei einem Besuch in Moskau im Januar 1996 seinem Assistenten Strobe Talbott privat zugab (um sicherzustellen, dass Jelzin eine zweite Amtszeit gewinnen würde). Zugleich deutete er in kluger Voraussicht, dass es irgendwann zu einer Gegenreaktion kommen könnte.

Darin lag Clinton genau richtig; sie kam innerhalb von sechs Monaten, als Wladimir Putin von St. Petersburg nach Moskau zog, um in die Regierung von Präsident Jelzin einzutreten. Der Rest ist Geschichte.

indian p. Bradrakhumar Photo 2 1024x677M.K. Bhadrakumar

Über mich (M. K. BHADRAKUMAR)

Von Beruf war ich Berufsdiplomat. Für jemanden, der in den 1960er Jahren in einer abgelegenen Stadt an der Südspitze Indiens aufwuchs, war Diplomatie ein unwahrscheinlicher Beruf. Meine Leidenschaft galt der Welt der Literatur, dem Schreiben und der Politik   – ungefähr in dieser Reihenfolge. Während ich über die Werke von Tennessee Williams promovierte, ermutigten mich jedoch Freunde, es mit der Beamtenprüfung zu probieren. Wie sich herausstellte, hatte mich das Schicksal, noch bevor ich die Tragweite dessen, was sich da abspielte, begreifen konnte, in die obersten Ränge der Verdienstrangliste befördert und mich in den indischen Auswärtigen Dienst befördert.

Etwa die Hälfte der drei Jahrzehnte meiner diplomatischen Laufbahn entfiel auf Einsätze in den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion sowie in Pakistan, Iran und Afghanistan. Weitere Auslandseinsätze waren in Südkorea, Sri Lanka, Deutschland und der Türkei. Ich schreibe hauptsächlich über die indische Außenpolitik und die Angelegenheiten des Nahen Ostens, Eurasiens, Zentralasiens, Südasiens und des asiatisch-pazifischen Raums.

Das Schreiben muss in einem spontanen Ansturm von Gedanken entstehen. Das berauschende Gefühl der Freiheit eines eklektischen Geistes macht den Unterschied aus. Keiner der Indian Punchline-Blogs ist ein vorsätzlicher Akt des Schreibens gewesen. Aber ich wäre sehr nachlässig, wenn ich nicht die beiden tiefgreifenden Einflüsse auf meine prägenden Jahre anerkennen würde   – meine verstorbene Mutter, die eine tief religiöse Person von außergewöhnlicher Spiritualität war und meine innere Welt geformt hat, und mein verstorbener Vater, der ein produktiver Schriftsteller, Autor und marxistischer Intellektueller und Denker war, der mich in jungen Jahren in die Dialektik als unvergleichliches intellektuelles Werkzeug zur Analyse der materiellen Welt und zur Entschlüsselung der Politik eingeführt hat.

Die Indian Punchline mag manchmal absichtlich provozieren, aber es gibt hier keine bösen Absichten, keine versteckte Agenda und keinen Versuch, zu predigen. Einfach ausgedrückt, spiegelt die Indian Punchline die Standpunkte eines Humanisten vor dem Hintergrund des "asiatischen Jahrhunderts" wider. Ich betone dies, weil wir in schwierigen Zeiten leben, besonders in Indien, mit einer solch akuten Polarisierung in den Diskursen   – "Du bist entweder für uns oder gegen uns."

Quelle: https://www.indianpunchline.com/maldives-explores-life-outside-indo-pacific/
Die Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus

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