Skip to main content

Doctorow: Das Blatt wendet sich: Russlands neue Position zur Aufnahme von Verhandlungen über strategische Waffen

Von Gilbert Doctorow 20.03.2024 - übernommen von gilbertdoctorow.com
21. März 2024

Gilbert Doctorow 34fe6e0adc4f0ec7a16b69062daab692
Gilbert Doctorow

Westliche Medien haben die Äußerungen Wladimir Putins vor etwa einer Woche erwähnt, wonach Russland keine neuen Verhandlungen über die Begrenzung strategischer Waffen mit den Vereinigten Staaten aufnehmen wird, während die USA alles tun, um seinem Land im Ukraine-Krieg eine strategische Niederlage beizubringen. Die Gespräche über strategische Waffen können nicht vom Rest der Beziehungen zwischen den beiden Ländern getrennt werden, sagte Putin.

Diese Position wurde vor einem Tag von einem hochrangigen russischen Diplomaten, Dmitri Poljanski, dem ersten stellvertretenden ständigen Vertreter Russlands bei den Vereinten Nationen, bekräftigt. Seine Äußerungen fanden in unseren Medien wenig oder gar keine Beachtung, obwohl sie in Russland zur besten Sendezeit ausgestrahlt wurden.

Was in der westlichen Berichterstattung meines Wissens völlig fehlt, ist ein Kontext für diese russischen Stellungnahmen, der weiter als ein paar Wochen zurückreicht. Lassen Sie uns versuchen, diese Lücke hier und jetzt zu schließen.

                                                                        *****

Anders als man erwarten könnte, wurde das Streben nach strategischen Rüstungsverträgen mit der Sowjetunion und dann mit Russland nie von den Tauben in den USA befürwortet, die mehr an zwischenmenschlichem Austausch, verstärkten Kultur-, Bildungs- und Handelsbeziehungen... an Entspannung (détente) im weitesten Sinne interessiert waren. Viele dieser Tauben glaubten sogar, dass Russland und die Vereinigten Staaten Freunde sein könnten und sollten, die gemeinsam die Probleme der Menschheit angehen.

Nein, die Verfechter und Hauptverhandler von strategischen Rüstungsverträgen waren immer die Falken in den politischen Kreisen der Vereinigten Staaten. Sie waren es, die in diesen Abkommen die Möglichkeit sahen, eine Handels-, Diplomatie- und andere Politik fortzusetzen, die die wirtschaftliche Entwicklung der UdSSR verhindern und ihre allgemeine Bedrohung für die globalen Interessen der USA verringern würde, während sie gleichzeitig die Leitplanken dafür bildeten, dass die Beziehungen nicht in einen Krieg ausarteten, der das Leben auf der Erde und ganz besonders das Leben und den Wohlstand in den USA bedrohte.

Die letzte Iteration dieser von den USA initiierten Rüstungskontrollgespräche war die Aushandlung des New-START-Abkommens unter der Präsidentschaft von Barack Obama. Dies geschah vor dem Hintergrund des groß angekündigten "Reset" der Beziehungen, mit dem die offene Feindschaft zwischen den beiden Ländern im Sommer 2008 während des Russland-Georgien-Krieges unter George W. Bush überwunden werden sollte. Damals konnte ein bewaffneter Konflikt im Schwarzen Meer nur durch das Eingreifen der Türkei abgewendet werden, die die Einfahrt amerikanischer Marineschiffe durch die Dardanellen verhinderte.

In dieser Krisenatmosphäre formulierten "weise Männer" aus den Reihen aktiver und pensionierter US-Senatoren, ehemaliger hochrangiger Regierungsbeamter, darunter auch der berühmteste Mann der damaligen Zeit, Henry Kissinger, einen Fahrplan, um die amerikanisch-russischen Beziehungen wieder auf Vordermann zu bringen, den sie an die beiden Präsidentschaftskandidaten Barack Obama und John McCain weitergaben. Die zugrundeliegende Logik bestand darin, die Atmosphäre zu verbessern, aber nichts an der Substanz der amerikanischen Eindämmungspolitik gegenüber der Russischen Föderation im Geiste des Ersten Kalten Krieges zu ändern. Nach Obamas Amtsantritt im Jahr 2009 wurde dies als "Reset" vorgestellt. Die Logik, die der amerikanischen Öffentlichkeit vermittelt wurde, lautete, dass die Vereinigten Staaten trotz ihrer gegensätzlichen Positionen diejenigen Themen herausgreifen würden, bei denen eine kooperative Beziehung zu Russland den amerikanischen Interessen dienen würde, und diese in den kommenden Monaten verfolgen würden.

Für diejenigen, die die Ursprünge und den Sinn des "Reset" verstehen wollen, gibt es mehrere sehr sachdienliche und detaillierte Aufsätze in meinem Buch Stepping out of Line: Collected (Nonconformist) essays on Russian-American relations, 2008-2012.

Man könnte sich fragen, warum die Russen 2008 die amerikanische Initiative mitgemacht haben, die weit hinter ihren Hoffnungen auf eine neue Entspannung zurückblieb? Die Antwort ist sehr einfach: Der Kreml hatte schlechte Karten, die genauso schlecht, vielleicht sogar noch schlechter waren als die der Sowjetunion, als sie in den 1970er Jahren die ersten Verträge über Rüstungsbeschränkungen mit den Vereinigten Staaten aushandelte. Ihre Streitkräfte waren noch weit davon entfernt, sich von der Selbstzerstörung und dem Chaos der Jelzin-Jahre zu erholen. Dies wurde zur Freude westlicher Militäranalysten deutlich, die die Leistung der russischen Truppen bei ihren Einsätzen in Georgien kommentierten. Und selbst wenn Russland bessere Karten hatte, war sein damaliger Präsident Dmitri Medwedew, sagen wir, naiv und unerfahren in internationalen Beziehungen. Er hoffte, dass die Gesten des guten Willens gegenüber den Amerikanern erwidert werden würden. Unnötig zu sagen, dass dies nicht der Fall war.

Was hat sich nun geändert, sodass Russland die Gespräche über Rüstungsbeschränkungen für untrennbar mit den Verhandlungen über den gesamten Umfang der amerikanisch-russischen Beziehungen verbunden erklärt? Die Antwort auf diese Frage geht auf das Jahr 2018 und Wladimir Putins Ankündigung der neuesten strategischen Waffensysteme seines Landes zurück, die Russland zum ersten Mal in der Geschichte der Sowjetunion und der Russischen Föderation bei der Entwicklung, Herstellung und Stationierung strategischer Waffen um mehr als ein Jahrzehnt gegenüber den Vereinigten Staaten voranbringen. Die Hyperschallraketen und andere hochmoderne Systeme, die Putin damals in seiner Rede zur Lage der Nation vorgestellt hat, seien unbesiegbar und würden die nukleare Erstschlagskapazität, in die die USA unter Bush Hunderte von Milliarden Dollar für ihre globalen Anlagen zur Abwehr ballistischer Raketen investiert hatten, vollständig obsolet machen.

Im Jahr 2018 wurden Putins Ankündigungen einer strategischen Überlegenheit gegenüber den Vereinigten Staaten als Bluff aufgefasst. Unter den US-Eliten herrschte die allgemeine Überzeugung, dass die Russen diese Waffen niemals in ausreichender Zahl herstellen könnten, um eine Bedrohung für die amerikanische Überlegenheit darzustellen.

Jetzt, im Jahr 2024, hat Putin Recht behalten, und die Zweifler und Spötter im kollektiven Westen sind eines Besseren belehrt worden, was die Fähigkeit Russlands angeht, Waffen einsatzbereit zu machen, die die USA noch nicht einmal haben erproben können. Darüber hinaus haben die zwei Jahre des Krieges zwischen Russland und der Ukraine gezeigt, dass Russland über konventionelle Waffen verfügt, die dem Besten, was die NATO auf das Schlachtfeld bringen kann, ebenbürtig oder überlegen sind.

Während die großen westlichen Medien noch vor einigen Jahren von China als der am schnellsten aufsteigenden Militärmacht der Welt sprachen, die nach den USA die zweitgrößte sei, und Russland nur als Spielverderber, als ein Stern im Niedergang bezeichnet wurde, zögern die Financial Times, die New York Times und ihre Konsorten in den USA und Europa heute nicht, zuzugeben, dass Russland die Nummer zwei in der Weltliga der Militärmächte ist.

Dies, meine Freunde, ist der richtige Kontext, um die Erklärungen von Herrn Polyansky bei den Vereinten Nationen zu lesen. Das Blatt hat sich gewendet.

Quelle: https://gilbertdoctorow.com/author/gilbertdoctorow/
Mit freundlicher Genehmigung von Gilbert Doctorow
Die Übersetzung und das Transkript besorgte Andreas Mylaeus

Weitere Beiträge in dieser Kategorie