Zum Abschluss dieser Woche soll an den gestrigen Bericht angeschlossen werden. Denn es lässt sich beobachten, dass gerade eine wichtige neue Handelsroute zu entstehen scheint, die Russland und Indien in der Zukunft direkt miteinander verbinden würde – und welche den Iran mit einbindet.
Diese Situation bedingt es, dass sich die bilateralen Beziehungen zwischen Indien und dem Iran unter aller Voraussicht intensivieren werden, was wiederum enorme Auswirkungen mit Blick auf das geopolitische Schachbrett haben dürfte.
Ein erster Testlauf
Dass dieses geopolitische Schachbrett in unentwegter Bewegung ist, verwundert aus heutiger Sicht und unter Berücksichtigung der aktuellen Geschehnisse rund um den Erdball wohl kaum jemanden. Vor Kurzem vermeldete die iranische Nachrichtenagentur IRNA, dass es demnächst zu einem Testlauf für die neu entstehende Handelsroute kommen soll.
Im Zuge dieser Entwicklung soll es neben einer Reduzierung der Transportkosten auch zu einem Abbau der Bürokratie und der Wartezeiten beim Check von Gütern in anzulaufenden Seehäfen und anderen wichtigen Transportdrehkreuzen kommen.
Um die auf der Strecke zum Einsatz kommende Logistik zu vereinfachen, wird es zu einem Transport von zwei 40-Fuß-Containern aus dem russischen St. Petersburg ans Kaspische Meer – und zwar zum Zielhafen von Bandar Anzali im Nordiran – kommen.
Dort angekommen, wird diese Fracht auf einen LKW verladen, um auf dem Landweg durch den Iran an den Persischen Golf – und zwar zum Hafen von Bandar Abbas – transportiert zu werden. Von dort aus wird es dann per Schiff weiter zum indischen Hafen von Nhava Sheva (Jawaharlal Nehru Port Trust) gehen.
Der Bericht der Nachrichtenagentur IRNA nimmt Bezug auf einen iranischen Offiziellen, laut dessen Aussage sich die Dauer des Frachttransports auf 25 Tage belaufen soll. Bei IRNA wurde überdies darauf aufmerksam gemacht, dass es sich in Bezug auf diesen Testlauf um eine partielle Instandsetzung des nun schon seit geraumer Zeit diskutierten Nord-Süd-Korridors handele.
Das Kaspische Meer mit dem Indischen Ozean verbinden
In Planung befindet sich dieser Nord-Süd-Korridor nun bereits seit mehr als zwanzig Jahren. Ziel aller beteiligten Akteure ist es, das Kaspische Meer mit dem Persischen Golf und darüber hinaus mit dem Indischen Ozean zu verbinden.
In diesem Zuge soll es zu einer stetigen Verbindung unter allen wichtigen Seehäfen in diesen Regionen kommen. Ziel ist es, die Transportzeiten im Vergleich mit anderen Handelsrouten – wie beispielsweise dem Suez-Kanal – auf diese Weise deutlich zu reduzieren.
Diesen Gedanken seit dem Jahr 2000 verfolgend, gehören diesem Verbund heute neben den ursprünglichen Initiatoren (Russland, Indien und Iran) auch Aserbaidschan, Armenien, die Türkei, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, der Oman, Syrien, Weißrussland sowie die Ukraine an.
Um eine Umsetzung dieser Idee zu befördern, ist im Iran der Bau einer neuen Bahnlinie vom Kaspischen Meer zum dem im Südosten des Landes gelegenen Hafen von Tschahbahar geplant.
Indien und der Iran – es bahnt sich etwas an
Ein noch ambitionierteres Projekt sieht den Bau eines Kanals vor, mittels dem das Kaspische Meer in der Zukunft mit dem Persischen Golf verbunden werden soll. Wahrscheinlich nicht von ungefähr ist es in diesem Zusammenhang zu einer offiziellen Staatsvisite des iranischen Außenministers Hossein Amir-Abdollahian in Indien gekommen.
Zugang wurde dem iranischen Außenminister in diesem Zuge unter anderem auch zu dem indischen Premierminister Narendra Modi und dem Nationalen Sicherheitsberater Indiens gewährt.
In einer sich an diese Staatsvisite anschließenden Erklärung hieß es seitens der indischen Regierung, dass den Iran und Indien neben einer miteinander verwandten Historie auch eine enge zivilisatorische Bande eine.
Gleichzeitig wurde in dieser Erklärung die herausragende Stellung des iranischen Seehafens von Tschahbahar gepriesen, mittels dessen Hilfe es in der Vergangenheit zu einer Belieferung Afghanistans mit lebenswichtigen Gütern und Waren auf dem Landweg gekommen sei.
Darüber hinaus habe sich der Seehafen von Tschahbahar zu einem kommerziellen Drehkreuz und Transitverkehrsknotenpunkt in der Region, inklusive Zentralasiens, entwickelt. Aus indischer Sicht bietet sich mittels einer Nutzung des iranischen Hafens von Tschahbahar eine Alternative in Bezug auf eine Verbindung zu Afghanistan und Zentralasien.
Denn seit 1947 sieht sich der Landweg nach der in diesem Jahr erfolgten indischen Teilung durch Pakistan blockiert. In einem Bericht auf der Seite von The Diplomat heißt es hierzu, es sei an der Zeit, die indisch-iranischen Beziehungen einem Neustart zu unterziehen.
Noch im Jahr 2019 habe sich die indische Regierung dem Druck der US-Regierung gebeugt, um fortan kein Erdöl aus dem Iran mehr zu importieren. Zuvor hatte sich das Land als global zweitgrößter Importeur von iranischem Erdöl erwiesen.
Spätestens seitdem offiziell bekannt geworden ist, dass neben Argentinien auch der Iran einen Antrag auf eine zukünftige Mitgliedschaft im BRICS-Verbund gestellt hat – und angesichts der nicht vorankommenden Verhandlungen über ein potenzielles Wiederinkrafttreten des Atomabkommens (JCPOA) mit dem Iran – scheinen sich die Sichtweisen in Indien verändert zu haben.
Sollte es in absehbarer Zeit nicht zu einem Wiederinkrafttreten von JCPOA kommen, wonach es nicht aussieht, wird es auch nicht zu einer Aufhebung der durch die Vereinigten Staaten gegenüber dem Iran verhängten Sanktionen kommen.
Neu-Delhi geht eigene Wege
Indien hatte hierauf unter anderem mit einer deutlichen Steigerung seiner Erdölimporte aus der Russischen Föderation reagiert. Die gegenüber der Russischen Föderation aufgrund des Krieges in der Ukraine durch den Westen verhängten Sanktionen haben Indien bislang völlig kalt gelassen.
Zu einer ähnlichen Entscheidung könnte es in Neu-Delhi nun auch im Hinblick auf den Iran kommen, der nicht nur Erdöl zu liefern weiß, sondern aus indischer Perspektive auch ein enormes Handelspotential aufweist.
Indien ist inzwischen zur weltweit sechstgrößten Volkswirtschaft aufgestiegen. Sollte Indien – ähnlich wie im Fall der Russischen Föderation – ebenfalls keine Bereitschaft mehr dazu an den Tag legen, sich dem amerikanischen Sanktionsregime gegen den Iran zu beugen, könnten den Amerikanern nach einer solchen Entscheidung noch eine ganze Menge andere Nationen von der Stange gehen.
Saudi-Arabien und der Iran: Auf Versöhnungskurs?
Über den Verlauf der letzten Jahre hatte Indien seine bilateralen Beziehungen samt seiner ökonomischen Zusammenarbeit auch zu Saudi-Arabien und anderen Golfnationen ausgebaut. Dass der Iran inzwischen auf Versöhnungskurs mit Saudi-Arabien angesichts von mehreren im benachbarten Irak stattgefundener Gespräche zu sein scheint, lässt tief blicken.
Im Mai hatte der saudische Außenminister Faisal bin Farhan al-Saud mitgeteilt, dass Saudi-Arabien seine Nachbarn im Iran dazu ermutige, auf diesem Kurs fortzufahren, weil es auf diese Weise zu einem enorm wichtigen Wandel in der gesamten Region kommen könnte. Es wurde gar eine neue Ära der Kooperation und Zusammenarbeit in Aussicht gestellt, von der alle Beteiligten profitieren würden.
Noch lässt sich nicht wirklich durchschauen, welche Wendungen die Dinge in der Region des Nahen und Mittleren Ostens nehmen werden. Wie im gestrigen Bericht erörtert, haben sich die Saudis auch gegenüber Israel angenähert, was insbesondere den Bemühungen der Trump-Administration geschuldet war.
Jetzt, da die Demokraten in Washington das Zepter in der Hand halten, sehen sich sowohl Saudi-Arabien als auch Israel unter Dauerkritik aus dem Lager des ultralinken Flügels der Demokratischen Partei.
Es sieht nicht danach aus, als ob Joseph Biden die Überzeugungskraft aufweisen würde, um gemäß seiner eigens verfolgten Linie ein Machtwort in dieser Sache zu sprechen. Vielmehr bahnen sich mit Blick auf die unmittelbare Zukunft Entscheidungen an, die zu weitreichenden Veränderungen auf dem geopolitischen Schachbrett führen könnten.
Die USA und die Washingtoner Regierung erwecken momentan nicht den Eindruck, als würden sie eine federführende Rolle in Bezug auf diese sich möglicherweise anbahnenden Veränderungen einnehmen. Im Gegenteil wird Washington die Entwicklungen in der Region – insbesondere nach dem in Teheran erfolgten Dreier-Gipfel zwischen Ebrahim Raisi, Waldimir Putin und Recep Erdogan – mit einem gesteigerten Misstrauen verfolgen.
Der Iran verfügt sowohl über sehr gute Beziehungen zur Russischen Föderation als auch zur Volksrepublik China. Falls Indien und andere Golfnationen sich darüber hinaus mit dem Iran einig werden sollten, so würde ein großer kooperierender Staatenblock entstehen, der es den Amerikanern noch weitaus schwieriger machen würde, deren eigenen Ziele in der Region durchzusetzen.
Der Iran hatte neben der Türkei kürzlich bekannt gegeben, den bilateralen Handel mit der Russischen Föderation und der Volksrepublik China in der Zukunft auf Basis von nationalen Währungen – und somit unter Umgehung des US-Dollars – abwickeln zu wollen.
OPEC+ lassen aufhorchen: Kommt bald eine Förderkürzung?
Gleichzeitig wurde vermeldet, dass der Iran das russische Zahlungssystem Mir im eigenen Land akzeptieren wird. Ebenfalls von Interesse ist in diesem geschilderten Zusammenhang die gestrige Meldung, wonach sich die Organisation der OPEC+ (Erdöl exportierende Länder einschließlich der Russischen Föderation) auf die baldige Bekanntgabe einer Förderkürzung vorbereite.
Nun hatte sich Joseph Biden solche Mühe gegeben, um für eine Zusage zur Erhöhung der saudischen Förderquote um mickrige 100.000 Fass pro Tag im Monat September extra seinen persönlichen Gang nach Saudi-Arabien anzutreten, wo dem amerikanischen Präsidenten – wie berichtet - ein ziemlich kühler Empfang zuteilwurde.
Hierbei könnte es sich auch gleichzeitig um die zeitlich kürzeste Förderanhebung handeln, die es jemals gegeben hat, nachdem aus dem jüngsten Monatsbericht der OPEC hervorging, dass das Erdölkartell von einem sich im laufenden Quartal einstellenden Überangebot an den globalen Erdölmärkten ausgeht.
Danach habe sich die weltweite Erdölnachfrage zuletzt reduziert. Wen verwundert dies im Angesicht von horrenden kostspieligen Preisen an den Tankstellen und einer Situation, in der nahezu alle großen Wirtschaftsräume vor dem Eintritt in eine Rezession stehen oder sich zum aktuellen Zeitpunkt bereits in einer solchen befinden?!
Und so haben die OPEC-Nationen ihren Ausblick für die im dritten Quartal zu fördernde Menge an Erdöl um 1,24 Millionen auf 28,27 Millionen Fass pro Tag gesenkt, wie es unter anderem in einem Bericht von Bloomberg hieß.
Diese seitens der OPEC-Nationen erfolgte Senkung der Prognose zur globalen Ölnachfrage erfolgt recht überraschend, da diese Sichtweise doch sehr von dem jüngsten Ausblick der Internationalen Energieagentur (IEA) abweicht.
Die IEA hatte ihre eigens angestellte Prognose zur globalen Ölnachfrage in der laufenden Woche nochmals angehoben, darauf hinweisend, dass die extrem gestiegenen Erdgaspreise viele Unternehmen dazu verleite, verstärkt auf eine Nutzung von Erdöl umzusteigen.
In jüngst veröffentlichten Monatsbericht der IEA hieß es, dass der weltweite Erdölverbrauch im Rest des laufenden Jahres um 2,1 Millionen Fass pro Tag ansteigen werde. Im vorherigen Monatsbericht wurde hingegen noch von einem weit geringeren Anstieg in Höhe von 300.000 Fass pro Tag ausgegangen.
Insbesondere Unternehmen und Raffinerien in Europa fragten aufgrund der angespannten Erdgassituation nun verstärkt Erdölprodukte nach. Gleichzeitig sorge die anhaltende Hitze in Europa und einigen Regionen im Rest der Welt zu einer wachsenden Energienachfrage.
Insbesondere die Verbrennung von Erdöl spiele eine tragende Rolle in der Stromerzeugung. Dass die OPEC+ sich nun – entgegen den Prognosen der IEA – auf eine mögliche Kürzung der eigenen Förderquoten vorbereiten mag, lässt tief blicken, und dürfte in den USA und im Rest des Westens angesichts der angespannten Energiemarktlage alles andere als auf fruchtbaren Boden fallen.
Joseph Biden und das Weiße Haus könnten eine solche Entwicklung gar als Affront werten. Den Saudis scheint es egal zu sein. Doch selbst die IEA hält eine bevorstehende Kürzung der Förderquoten der OPEC+ für möglich.
Denn insbesondere die Russische Föderation blicke einem potenziellen Rückgang von deren eigenen Erdölförderung ins Auge. Aus diesem Grund würde sich die Last einer ausreichenden Versorgung der Welt mit Erdöl auf die Schultern der führenden OPEC-Nationen verteilen.
Sowohl Saudi-Arabien als auch die Vereinigten Arabischen Emirate hatten in jüngster Vergangenheit allerdings mehrfach darauf aufmerksam gemacht, eine solche Last nicht tragen zu können. Denn schon zum aktuellen Zeitpunkt befände sich die Förderung in den beiden Ländern nahe ihrer Kapazitätsgrenzen.
Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt Bezug auf zwei Berichte auf der Seite der iranischen Nachrichtenagentur IRNA (HIER) und auf der Seite von The Diplomat (HIER).
„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)
Die sich anbahnenden Entwicklungen im Nahen und Mittleren Osten bleiben zu beobachten. Lässt es sich tatsächlich vorstellen, dass sowohl der Iran als auch Saudi-Arabien zu neuen Mitgliedern im Verbund der BRICS-Nationen werden könnten? Und welche geopolitischen Folgen würde eine solche Entwicklung nach sich ziehen?
Eine Entscheidung in dieser Angelegenheit wird alsbald getroffen werden müssen, denn weder Saudi-Arabien noch die Türkei werden es sich angesichts des Auseinanderdriftens dieser Welt noch viel länger leisten können, ein doppeltes Spiel zu spielen, um jeweils eigene Vorteile aus einer West- und einer Ostanbindung zu ziehen. Ein Spagat zwischen diesen beiden Welten dürfte in den nächsten Monaten immer schwieriger werden.