Die Rolle der Medien in bewaffneten Konflikten
Hitlers Truppen belagerten ab 8. September 1941 bis 27. Januar 1944 die russische Stadt Leningrad: Mehr als 28 Monate lang kamen so keine Lebensmittel mehr in die Stadt. Geschätzt 1,1 Millionen Einwohner kamen dabei ums Leben, eine Million Menschen waren verhungert. Aber die Bilder der Menschen in der blockierten Stadt kamen erst nach dem Krieg zum Vorschein. (Foto Archiv Novosti)
Recherchen vor Ort des Geschehens werden oft eingespart und durch Berichte der dominierenden westlichen Nachrichtenagenturen AFP, AP, Reuters und DPA ersetzt – oder aber sie werden mit den Mitteln des sogenannten «Parachute Journalism» zusätzlich zur einseitigen Information missbraucht. Die deutsche Journalistin Karin Leukefeld, die seit vielen Jahren im Nahen und Mittleren Osten im Einsatz ist – und auch dort lebt! –, beschreibt hier, wie die neue Informationstechnologie und der Druck der Aktualität die Medienlandschaft verändert hat – vor allem zum Negativen. (cm)
Noch vor nicht allzu langer Zeit – sagen wir zu Zeiten des Ersten und Zweiten Weltkriegs im 20. Jahrhundert – gab es Radio, Zeitungen, Briefe. Manchmal gab es Telefon und es wurde gefilmt und fotografiert. In den kriegführenden Nationen wie in Deutschland und Frankreich wurden Filme mit Frontberichterstattung produziert. An den verschiedenen Fronten entstanden in die Heere eingebunden Korrespondentennetze. Heute nennen wir das „embedded journalism“. Diese Filme wurden unter dem Titel „Wochenschau“ in lokalen Kinos gezeigt. Menschen kamen dort zusammen, um sie zu sehen und – davon können wir ausgehen – auch um darüber zu sprechen. Es fand also ein Austausch über das Gesehene statt.
Die Übermittlung von Informationen jenseits dieser offiziellen Kriegsberichterstattung dauerte lange. Briefe oder Postkarten beispielsweise, die von Soldaten an die Familien geschickt wurden und auch über den Krieg berichteten, kamen manchmal gar nicht an. Das Film- und Fotomaterial musste zu den Redaktionen transportiert werden.
Bei meinen Recherchen über die Vertreibung der Armenier aus dem Osmanischen Reich zwischen 1915 und 1917 stieß ich auf die Berichte des deutschen Schriftstellers Armin T. Wegner, der als Unteroffizier in einer deutsch-ottomanischen Sanitätsmission in Ostanatolien am Euphrat stationiert war. Wegner wurde Augenzeuge des großen Sterbens. Heimlich fotografierte er und sprach nach seiner Rückkehr in Bildvorträgen über das Geschehen. Die Filme mit den Fotos hatte er in seiner Kleidung verborgen aus der Türkei geschmuggelt. Seine Aufnahmen stammten meist aus dem Jahr 1916. Seine Vorträge hielt er 1919, drei Jahre später. Da war der Völkermord an den Armeniern schon Geschichte.
Oder nehmen wir den deutschen Theologen Johannes Lepsius, der 1916 einen „Bericht über die Lage des armenischen Volkes in der Türkei“ verfasst hatte und diesen aus der Türkei an die deutsche Regierung und das Parlament, an den Reichstag schickte. Die Abgeordneten bekamen diesen Bericht nie zu sehen, weil die deutsche Militärverwaltung ihn verbot und beschlagnahmte.
Vieles änderte sich in den Kriegen nach 1945.
Die technische Informationsübermittlung verschnellerte sich. Berichterstattung, insbesondere aus Kriegen, wurde zum Geschäft.
Im Vietnamkrieg zwischen 1962 und 1975 hielten sich einer Untersuchung zufolge insgesamt etwa 5.100 Journalisten aus 64 Ländern in Vietnam auf. Während der nordvietnamesischen Tet-Offensive waren es etwa 600 Journalisten. Beim Fall von Saigon am 30. April 1975 waren es noch 100. Die Bilder aus dem Vietnamkrieg wurden auf die Fernsehgeräte übertragen, man sprach auch von einem „Wohnzimmerkrieg“.
Allerdings führten die Bilder und Berichte über das Vorgehen der US-Truppen – als Beispiel nenne ich das Massaker von My Lai 1968 – zu so massiven Protesten und nicht nur, aber besonders in den USA, dass die US-Regierung schließlich die Truppen – die ohnehin dem Vietkong nicht gewachsen waren – abziehen mußte.
Doch vieles, was in den nationalen Befreiungskriegen in Afrika, Lateinamerika und Asien geschah, blieb in den zumeist westlich kontrollierten und ausgerichteten Medien unterberichtet. Informationen über dieses Geschehen kam meist über zivilgesellschaftliche Gruppen, Unterstützungskomitees oder Kirchen. Und diese wiederum hatten eigene Interessen, die die Informationen prägten.
Nach der Auflösung der Sowjetunion (1991) machte die technische Entwicklung erneut einen Sprung.
Im 2. Golfkrieg 1990/91 fand über CNN eine Direktübertragung der Bombardierung Bagdads statt, ansonsten wurden die meisten Bilder dieses Krieges vom US-Militär und von PR-Agenturen produziert und kontrolliert.
Im Kosovo- und in den Jugoslawienkriegen Ende der 1990iger Jahre wurden digitale Kameras eingesetzt, deren Bilder fast unmittelbar übertragen werden konnten. Da aber im Einsatzgebiet die Internetverbindung noch schwach war, arbeiteten viele Fotografen weiterhin mit Dia- oder Negativfilmen, die sie vor Ort entwickeln und scannen lassen konnten, um die Bilder dann als Datei mit schlechter Internetverbindung zu übertragen. Die Übertragung von drei Fotos dauerte schon mal eine Nacht.
Schon bald gab es schnellere Internetverbindung. Wenn nicht über ein lokales Netz, dann über Satelliten. Vor dem Irakkrieg 2003 arbeiteten Journalisten von Printmedien in Bagdad noch mit langsamem – und übrigens vom Irak kontrollierten – Internet, um ihre Berichte zu übertragen. Oder man konnte per Faxgerät den Bericht an die Redaktion schicken oder den Text telefonisch durchgeben. Fernseh- und Radiosender konnten bereits Satellitenschüsseln nutzen. Als der Krieg dann begann, zogen fast alle Journalisten ihre digitalen Satellitenübertragungsgeräte aus der Tasche, die im Irak verboten waren. Nun konnten sie von jedem Ort in alle Welt ihre Daten – also Fotos und Berichte – übertragen.
Heute, insbesondere seit Beginn des „Krieges gegen den Terror“ 2001, hat sich die digitale Informationsvermittlung weiter beschleunigt. Tausende Satelliten kreisen um die Welt, bewaffnete Gruppen in Kriegsgebieten sind mit digitaler Technologie ausgestattet, die schon bei Smartphones beginnt. Mit dem so genannten „Arabischen Frühling“ 2009/10 rasten digitale Meldungen aus Mobiltelefonen in großer Geschwindigkeit über Facebook und Twitter. Heute gibt es TikTok und Telegram und anderes mehr.
Das hat die Rolle von Medien und von Nachrichten verändert.
Was zunächst als Errungenschaft für die weltweite Kommunikation gefeiert wurde, wird nicht nur von Journalisten, sondern auch von den Akteuren in Kriegen, auch von Geheimdiensten genutzt und – für eigene Zwecke – instrumentalisiert. Als Beispiel möchte ich nur auf die in Israel entwickelte Spionagesoftware Pegasus hinweisen. Im Januar 2022 wurde bekannt, dass diese israelische Spionagesoftware im Libanon auf Hunderten Telefonen von Politikern, Journalisten und zivilgesellschaftlichen Akteuren gefunden wurde.
Für Nachrichten bedeutet es, dass Empfänger von Meldungen aus Kriegs- und Krisengebieten über die so genannten „sozialen Medien“ in Redaktionen oder in der Öffentlichkeit das tatsächliche Geschehen im Herkunftsland kaum nachvollziehen können. Es fehlt der Kontext. Die berühmten W-Fragen von Journalisten werden ganz oder teilweise ignoriert und sind wohl auch vielen, die Meldungen verbreiten, nicht mehr bekannt.
Diese „W-Fragen“ müssen immer in verschiedene Richtungen gestellt werden, an die verschiedenen Akteure eines Konflikts:
- Wer (hat etwas getan) – wer hat es unterlassen, etwas zu tun?
- Was (hat er getan) – was hat er unterlassen? Dazu gehört auch die Frage nach dem, was vorher und was nachher geschah.
- Wo (hat etwas stattgefunden) – wo sitzen die Akteure?
- Wann (geschah es)? – um die Entwicklung einer Eskalation zu erklären.
- Wie (hat er es getan) – militärisch oder anders?
- Warum (hat er etwas getan)? – um den Hintergrund zu erklären.
- Woher (stammt die Information)? – was sind die Quellen?
Früher – und ich gehöre heute noch immer zu dieser Spezies von Journalisten – früher fuhr man an den Ort eines Geschehens, dokumentierte mit Foto- oder Filmaufnahmen, man sprach mit Augenzeugen, schrieb, und mehrere Quellen gab es allein durch die Zeit, die alles dauerte. Dadurch konnten mehr Eindrücke gesammelt, Aussagen überprüft werden, es entstand ein genaueres Bild. Heute muss es schnell gehen, weil die nächsten Meldungen schon in der „Pipeline“ warten, wie es heißt. Schnelligkeit öffnet Propaganda Tor und Tür. Doch „Aktualität“ macht eine Meldung oder einen Bericht nicht seriöser, womit ich redlich und integer, genauer meine. Für die Seriosität von Nachrichten ist Schnelligkeit ein Nachteil.
In den letzten zehn Jahren etwa werden Journalisten, Fotografen und Kameraleute häufig ersetzt durch so genannte „Bürgerjournalisten“. Diese halten Ereignisse mit dem Mobiltelefon fest, machen Fotos, sprechen vielleicht noch eine kurze Audio-Botschaft ein und ab die Post. Ihre Identität und ihr Standort bleibt meist unklar. Das wird dann damit begründet, dass „die Sicherheit gewährleistet sein müsse“. Seit dem Irak-Krieg 2003 hat die BBC beispielsweise gezielt Menschen aufgefordert, Berichte zu schicken, wenn sie in einem bestimmten Gebiet sind, wo gekämpft wurde oder wo Raketen eingeschlagen waren. Damit wurden Standards gesetzt und mit dem „Arabischen Frühling“ gingen Redaktionen von Printmedien, Funk und Fernsehen dazu über, solche Meldungen zu übernehmen und für deren Verbreitung zu sorgen. Ein Geschehen wirkt so aktuell und authentisch, doch die Verifizierung wird erschwert und die Transparenz von Informationen ist nicht mehr gewährleistet.
Deutlich wurde das für Journalisten im Libyen-Krieg und noch deutlicher bei dem Krieg in Syrien. Wir können sicher sagen, dass die Informationen aus dem Krieg in der Ukraine, die Redaktionen und Öffentlichkeit erreichen, nicht den ursprünglichen journalistischen Standards entsprechen.
Ich möchte ein Beispiel aus Syrien nennen, von wo ich ja seit vielen Jahren berichte. Dabei geht es um einen angeblichen Giftgasangriff auf Douma, eine Stadt östlich von Damaskus. Über „soziale Medien“ wurde im April 2018 von den Weißhelmen – die als Hilfsorganisation und zivile Aktivisten gelten – über zahlreiche Tote in Douma durch einen Chemiewaffeneinsatz berichtet. Die syrische Armee wurde dafür verantwortlich gemacht. Die syrische Regierung wies das zurück und forderte eine Überprüfung durch ein Expertenteam der Organisation zum Schutz vor Chemiewaffen, OPCW.
Die Meldung der Weißhelme über die sozialen Medien ging um die Welt. In Deutschland war es landesweite Schlagzeile. In Washington, Paris und London wurde die Nachricht als wahr eingestuft, sowohl die syrische Regierung als auch Russland, Syriens Verbündeter in dem Krieg, wurden beschuldigt. Um die syrische Seite zu bestrafen, flogen die drei westlichen UNO-Vetostaaten ohne Beschluss des UN-Sicherheitsrates einen „Vergeltungsangriff“, bei dem mehr als 100 Raketen in einer Nacht abgefeuert wurden. Das OPCW-Expertenteam saß derweil in Beirut, weil ihm „aus Sicherheitsgründen“ – wegen der US-amerikanischen-britisch-französischen Luftangriffe – die Weiterfahrt nach Syrien untersagt worden war. Eine Meldung über soziale Medien von „Bürgerjournalisten“ oder „Aktivisten“ führte zu einem von der UNO nicht genehmigten Luftangriff. Keines der drei Länder war von Syrien angegriffen worden, eine Verletzung der UNO-Charta. Der Bericht des OPCW-Teams, das vom UN-Sicherheitsrat mit der Untersuchung dessen beauftragt worden war, was in Douma geschehen war, wurde nicht abgewartet.
Monate später wurden Aussagen von zwei Wissenschaftlern des OPCW-Douma-Teams bekannt. Beide hatten seit Jahren für die Organisation gearbeitet. Daraus ging hervor, dass ihre Untersuchungen vor Ort einen Giftgasangriff aus der Luft nicht bestätigen konnten. Ihr Bericht wurde von der OPCW durch einen anderen Bericht ersetzt. Die beiden Wissenschaftler wurden der Lüge und Bestechung beschuldigt. Journalisten, die an einem Treffen mit einem der beiden Wissenschaftler der OPCW teilnahmen und über seine Erkenntnisse berichteten, wurden – von anderen Journalisten – diffamiert und russischer Propaganda bezichtigt. Bis heute.
Die andere Perspektive
Als Journalistin arbeite ich seit mehr als 20 Jahren in Kriegs- und Krisengebieten des so genannten „Nahen“ und des Mittleren Ostens. Das ist ein politischer Begriff. In dieser Zeit entstanden neue, weltumspannende Fernsehsender wie Al Jazeera, Al Arabia, Russia Today, TeleSur, CCTV aus China oder Al Mayadeen aus dem Libanon. Sie unterschieden sich in ihrer Perspektive auf die Geschehnisse von den westlich geprägten Sendern wie BBC, CNN, ABC oder kleineren europäischen Sendern wie France 24 oder der Deutschen Welle. Ob in diesen Fernsehsendern oder in arabischen Printmedien: Die andere Perspektive war und ist bis heute für meine Arbeit wichtig.
Leben im Hintergrund der Schlagzeilen
Leben im Hintergrund der Schlagzeilen ist das Motto meiner Berichterstattung. Wie leben die Menschen und wie wollen sie leben? Wie wirken sich Krieg und Sanktionen, Interventionen und Bevormundung auf ihr Leben und auf ihren Alltag aus?
Ich berichtete zunächst aus der Türkei, dann über und aus dem Irak, wo ich von 2001 bis 2005 arbeitete. Als es im Irak zu gefährlich wurde, folgte ich 2005 den irakischen Flüchtlingen nach Damaskus, wo ich 2010 die Akkreditierung erhielt. Seitdem berichte ich von dort über die Länder der Region. Damaskus hatte ich ursprünglich gewählt, weil Syrien ruhig war, sich in guter Entwicklung befand und ich von dort alle Länder in der Region gut erreichen konnte. Das ist seit 2011 nicht mehr so, der Weg nach Damaskus und in die Länder der Region ist beschwerlich geworden. Grund ist der Krieg, sind geschlossene Grenzen. Grund sind auch die von der EU einseitig verhängten wirtschaftlichen Strafmaßnahmen, die Flüge nach und von Damaskus verbieten.
Ich wollte Brücken bauen mit meiner Berichterstattung, zur Verständigung von Menschen in unterschiedlichen Kulturen und politischen Systemen beitragen. Doch ich wurde eine Korrespondentin über Kriege. Heute sehe ich sehr viel deutlicher als damals, wie der „Krieg gegen den Terror“ und der Kampf der USA, sich als „einzige“, als „unverzichtbare Weltmacht“ gegen andere Staaten zu behaupten, meine Arbeit verändert hat.
Der „Krieg gegen den Terror“ hat neue Kriege und neue militärische Akteure – beispielsweise auch private Sicherheitsfirmen wie Black Water oder die Wagner Gruppe – hervorgebracht. Der „Krieg gegen den Terror“ hat aus Weizenfeldern Schlachtfelder gemacht, sagte mir jemand im Libanon. Fruchtbare Landstriche zwischen Euphrat und Tigris wurden verwüstet. Der „Krieg gegen den Terror“ hat die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen zerstört und sie zu Flüchtlingen gemacht. Der „Krieg gegen den Terror“ hat Regierungen, Unternehmen, Medien, Hilfsorganisationen, Kultur, Bildung und Justiz manipuliert und instrumentalisiert – dieser Krieg hat einfach alle Bereiche gesellschaftlichen Lebens infiltriert.
Und dieser Krieg hat Widerstand hervorgebracht, wie wir im Nahen und Mittleren Osten, aber auch auf dem afrikanischen Kontinent oder in den süd- und lateinamerikanischen Ländern sehen können. Es gibt Menschen, Gruppen, Regierungen, militärische Kräfte, die ihr Land und ihre Region verteidigen. Großmächte wie China, Russland und Schwellenländer stellen sich den USA und der NATO entgegen. Und überall gibt es auch nationale und lokale und gesellschaftliche Konflikte, die den internationalen „Krieg gegen den Terror“ und den Widerstand dagegen noch komplexer machen.
Diese Entwicklung in Reportagen und Berichten, in Vorträgen oder auch in Fotos darzustellen, ist schwierig. Zumal die Medien – wie zuvor beschrieben – sich immer weniger an der ursprünglichen Medienarbeit von Information und Aufklärung orientieren. Das betrifft besonders die Auslandsberichterstattung und da vor allem die Berichte aus Kriegs- und Krisengebieten.
Berichte – auch die von Nachrichtenagenturen – werden zunehmend mit Künstlicher Intelligenz erzeugt. Es werden kaum noch unterschiedliche Sichtweisen dargestellt, die natürlich – und nicht nur bei Konflikten – vorhanden sind. Artikel berufen sich auf Agenturmeldungen von AFP, AP, Reuters, DPA – die alle ihre Zentralen in westlichen Hauptstädten haben. Medien aus anderen Teilen der Erde werden kaum wahrgenommen und wenn – wie aus Russland oder China – als „gesteuert“ dargestellt. Oder sie werden sogar verboten.
Sich nicht einschüchtern lassen
Wir leben in einer gefährlichen Zeit. Stimmen für Dialog und Frieden werden diffamiert. Das internationale Recht wird missachtet und verkommt. Anstatt Unrecht, Heuchelei und Lüge aufzuzeigen und alle Seiten zu Wort kommen zu lassen, damit die Öffentlichkeit sich ein Bild machen und verstehen kann, bereiten Medien politische Krisen vor und drängen zur Eskalation, die sie dann wie Kriegstrommler und Trompeter früherer Heere begleiten. Wir erleben das in Deutschland extrem, seit Ende 2021 in Berlin eine neue Regierung ins Amt kam.
Die Berichterstattung ist – und hier beziehe ich mich auf einen Offizier des österreichischen Bundesheeres – Teil einer hybriden Drohkulisse geworden. „Krieg ohne Kampf“ nennen das die Militärs. Ein Krieg, der einen politischen Gegenspieler schwächen und destabilisieren soll.
Schauplatz ist vor allem das Internet. Das Ziel ist der Kopf. Und jederzeit kann die „hybride Bedrohung“ auch mit militärischen Mitteln – als Krieg –fortgesetzt werden.
Akteure und gleichzeitig auch Ziel von „hybrider Bedrohung“ sind Medien, Journalisten, Diplomaten und Politiker. Akteure sind bestimmte Gruppierungen in der Bevölkerung des jeweils anderen Staates – der österreichische Offizier spricht von „Volksgewalt“ – die auf unterschiedliche Weise, bis hin zur Bewaffnung, gefördert werden, um Unruhe im gegnerischen Land zu schüren.
Gleichzeitig werden gesellschaftliche Gruppen, die sich nicht integrieren lassen, im kriegführenden Land zum Ziel von Kriminalisierung oder Ausgrenzung. In Deutschland ist das gut zu beobachten. Proteste gegen die Corona-Maßnahmen oder aktuelle Proteste gegen die Regierungspolitik, die sich gegen Russland richtet und die Ukraine bewaffnet, werden als „Querdenker“ oder „Rechtsextreme“ stigmatisiert.
Ich bin Berichterstatterin und als freie Journalistin habe ich mir Regeln gegeben, um in einem solchen Umfeld meine Arbeit als Korrespondentin in den Kriegs- und Krisengebieten im Nahen und Mittleren Osten fortsetzen zu können. Lesen, Kommunizieren, Fragen, Zuhören, Nachfragen, Hinsehen und immer wieder alles zu überprüfen, so gut es geht. Und dann berichten.
Die eiserne Regel bleibt: sich nicht einschüchtern lassen.
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Eine wichtige Information: Dieser historisch substanzielle Beitrag der unabhängigen deutschen Journalistin Karin Leukefeld zum Thema Medien und mediale Berichterstattung entstand als Referat an einer Tagung unter dem Titel: «Welche Medien für den Frieden?» am 16. Oktober 2022 in Solothurn in der Schweiz. Die Tagung wurde organisiert und finanziell ermöglicht von den vier Schweizer Organisationen «Fondation GIPRI», «Schweizerische Friedensbewegung», «Vereinigung Schweiz-Cuba» und «ALBA SUIZA». Alle diese vier Organisationen setzen sich für den Frieden ein und leben ausschliesslich von den Beiträgen ihrer Mitglieder und von Spenden aus der Bevölkerung, um deren Friedensarbeit zu unterstützen.
Quelle: https://globalbridge.ch/die-rolle-der-medien-in-bewaffneten-konflikten%ef%bf%bc/
Mit freundlicher Genehmigung von globalbridge.ch
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