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Warum nur hat Infosperber seinen Medienleitspruch getilgt?

Auch in der Schweiz: Versuch, eine integre journalistische Stimme mundtot zu machen
08. März 2022

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Christian Müller

Christian Müller, Jahrgang 1944, ist ein Schweizer Journalist. Sein Studium der Germanistik, Geschichte und des Staatsrechts schloss er 1974 mit der Dissertation ab. Er arbeitete seit 1964 als Journalist, in teils leitenden Positionen, bei verschiedenen Schweizer Medien sowie als Medienmanager. Seit 2009 ist Müller als freier Journalist tätig und er ist seit 2010 Mitglied der Redaktionsleitung der Schweizer Internetzeitung Infosperber.Wikipedia  

Jetzt wurde er fristlos entlassen   – ein Schock! und ein weiteres Schulbeispiel, integre Stimmen mundtot zu machen,
auch in der Schweiz

Datum: 7. März 2022 um 22:27:23 MEZ
An: gasche@infosperber.ch
Kopie: willy.wahl@seniora.org
Betreff: Kündigung meiner monatlichen Zahlungen

Sehr geehrter Herr Gasche,
die haarsträubende Entwicklung mit dem Resultat des Ausscheidens eines Ihrer besten Leute im Team, Herrn Christian Müller, aus der Verantwortung im Infosperber, hat mich schockiert. Die monatliche Unterstützung der bislang von mir geschätzten Arbeit Ihrer Redaktion habe ich ab sofort gekündigt.
Mit der Bitte um Kenntnisnahme und Freundlichen Grüssen
Willy Wahl
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Leserbrief an Infosperber von Verena Tobler [der bis heute nicht gebracht wurde]

Warum nur hat Infosperber seinen Medienleitspruch getilgt?

Als überzeuge Anhängerin und langjährige Unterstützerin von Infosperber  war der mir bislang eine Medien-Perle unter den Schweizer Mainstream-Medien: „Infosperber sieht, was andere übersehen“. Nun muss ich das leider vergessen! Denn was da in den letzten Wochen auf Betreiben von Rainer Stadler, einstiger NZZ-Mitarbeiter, passiert ist und dann von der Redaktion beschlossen wurde, spricht diesem Motto Hohn!

Was Rainer Stadler lanciert und die Redaktion abgesegnet hat, halte ich aus drei Gründen für unethisch:

Es ist erstens ein Angriff auf einen mutigen Journalisten: Christian Müller hat über all die Jahre durchwegs faktenbezogen recherchiert und uns umfassend informiert; zweitens ist es eine doppelte Attacke: sowohl auf den recherchengestützten Journalismus als auch auf das Recht der Leserschaft, sachbezogen und sachgetreu informiert zu werden. Drittens wird auf diese Weise erneut jenes Wetterleuchten geschürt, das viele bereits während der Pandemie beunruhigt hat.

So frage ich jetzt konsterniert zweierlei: Ist es für Rainer Stadler ein Affront, wenn nicht alle in der Schweiz die Kriegs- und Russlandhetze mittragen, die sein einstiges Hausblatt seit dem Antritt von Chefredaktor Eric Gujer vom Stapel liess? Und: Wie weit ist es für ihn unerträglich, dass nicht alle mitbrüllen, wenn die NZZ ihrer Leserschaft inzwischen täglich die alt-bekannte Frage neu stellt: „Wollt ihr den totalen Krieg?“ Leider schreit es derzeit wieder aus vielen Kehlen „ja!“ Dabei ist meine erste Erinnerung an Hitler akustischer Art, gehört am Radio. In einer Nachkriegs-Sendung zum Nazi-Regime hat mich meine Mutter als kleines Mädchen mit dem Verhängnis konfrontiert, in das gleichgeschaltete Medien eine ganze Nation füh-ren können. Man höre endlich auf mit der Mär, Hitler habe Deutschland in den Abgrund geführt, weil er eine problematische Person war. Das Aufschaukeln von Schwarz-weiss-Malerei und Lagerdenken, im Verband mit dem Idealisieren des Eigenen und dem Dämonisieren eines als unmenschlich auszugrenzenden Gegners, geht uns alle an: ein Unheil, das in unsicheren Zeiten und bedrohlicher Situation in den Menschen seit eh und je Angst und niedrigste Instinkte wecken konnte. Doch wie weit können moderne Medien, das was als Massenpsychologie erforscht wurde, zur Massenpsychose aggravieren?

Nüchtern betrachtet ist die Berichterstattung der NZZ, also dem Stammhaus von Herrn Stadler, extrem unterkomplex und deshalb gefährlich. Da werden nämlich ständig folgende Sachverhalte ausgeblendet:

  • Die Staaten, welche die UNO-Charta gezeichnet haben, sind gemäss im Artikel 2, Abs. 4 verpflichtet, auf beides zu ver-zichten: sowohl auf die Anwendung als auch die Androhung von Gewalt. Die beiden gehören zusammen, weil sie ein- und dasselbe Ziel verfolgen: Die Staaten dieser Welt sollen einander verbindlich garantieren, dass sie sowohl die völkerrechtliche Souveränität als auch das Sicherheitsbedürfnis von anderen Staaten respektieren.
  • Dass die NATO seit Dekaden eine Drohkulisse gegen Russland aufgebaut und damit sowohl die UN-Charta als auch das Sicherheitsbedürfnis von Russland zunehmend verletzt hat: Wie weit wurde damit bewusst eine unheilvolle Spirale in Gang gesetzt, die früher oder später zur Anwendung von Gewalt führen musste?
  • Dass Putin bereits 1999, erst recht 2007 an der Münchner Sicherheitskonferenz dem Westen eine konstruktive Zusammen-arbeit mit Russland vorgeschlagen hat: Sein Angebot wurde verächtlich ausgeschlagen und stattdessen infam das einstige Versprechen gebrochen, die NATO nicht nach Osten auszuweiten.
  • Niemand hat dafür gesorgt, dass das unter der Führung der OSZE ausgehandelte Minsker-Abkommen umgesetzt wurde, oder darüber informiert, dass in der Ukraine seit dem Maidan gewaltbereite Rechtsextreme im Aufwind sind: Weshalb kümmert es den Westen nicht, dass das faschistische Azov-Battalion in die Armee aufgenommen wurde, dass die Nazi-Ideologie huldigenden Kräfte den Geheimdienst durchsetzt haben und es bereits zum ersten „offiziellen“ Mord kam?
  • Putin hat im letzten halben Jahr mehrmals klar und offiziell und formell um das gebeten, wozu a l l e Staaten qua UN-Charta verpflichtet sind: ihm vertraglich zuzusichern, dass der Westen - die EU, die USA und damit auch die NATO - Russlands Sicherheitsbedürfnisse respektieren   – en vain!

Dabei sind in schwierigen Zeiten und insbesondere in heissen Konflikten die Medien gehalten, verantwortlich zu handeln, statt öl ins Feuer zu giessen, d.h. umfassend und faktentreu zu informieren, um auf diese Weise zur Lösung des vertrackten Konflikts beizutragen. Derzeit ist das Gegenteil der Fall!

Deshalb zurück zum Wetterleuchten: Bereits in der Pandemie haben viele Medien zu jener Hysterie beigetragen, die nicht nur das konstruktive Zusammenleben erstickt, sondern jede Reflexion verunmöglicht. Im Infosperber hingegen hat Urs P. Gasche in vorbildlicher Weise für Ausnüchterung gesorgt und damit viel für das konstruktive Zusammenleben getan! Weshalb nur gibt der Infosperber seine Linie jetzt plötzlich auf? Und das ausgerechnet mitten in einem Chaos, zu dem die NATO und der Westen wacker beigetragen haben! Zugegeben: Auch die NZZ hat während der Pandemie relativ nüchtern und ehrlich, einmal sogar witzig und heiter informiert. Doch inzwischen schreit sie ihr verlogenes Zeter-Mordio! Schlimmer noch: Sie feiert unsere sieben Zwerge im Bundeshaus ab, weil diese die alt-bewährte Neutralität aufgeben haben. Und sie ruft geifern auf, den Sport für russische Bürger zu sperren, Konzerte zu meiden, in denen Sängerinnen aus Russland auftre-ten. Das ist nicht mehr nur „schlafwandlerisch“, sondern geradezu „untergangslüstern“   – auch das gehört zur Hysterie. Dabei sind all diese Aufrufe weit ab vom geltenden Recht und Gesetz und jenseits von jeder konsenualen Moralität und Moral!

Was wir jetzt dringend bräuchten, wäre ein Infosperber, der weiterhin den Mut aufbringt, das zu sehen und zu benennen, was andere ignorieren oder sogar mit Füssen treten!

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03. März 2022 um 10:50

Die Schweiz hat ihre Neutralität beerdigt. Ich schäme mich.

Von Christian Müller.   – Die sieben Mitglieder der Schweizer Regierung   – der Bundesrat, wie die Regierung in der Schweiz heißt   – haben es am 28. Februar 2022 geschafft, in den Schweizer Geschichtsbüchern der Zukunft namentlich aufgeführt zu werden: Sie haben die 173 Jahre alte verfassungsmäßige Neutralität der Schweiz beerdigt und Genf als international hochgeschätzten politischen Konferenzort liquidiert. Der EU wollte die Schweiz noch nie beitreten, sie bevorzugte immer bilaterale Abkommen oder, wie gerade jetzt wieder, Probleme auszusitzen und Distanz zu halten. Ihr Interesse galt immer nur dem Marktzugang zur EU. Und sogar die neuen Kampfjets für die Armee sollen nicht von einem Unternehmen in der EU, sondern von den USA gekauft werden.

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Weitere Texte von Christian Müller nun bei den NachDenkSeiten: https://www.nachdenkseiten.de/?gastautor=christian-mueller

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