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Interview  – „Das Nordische Modell ist Heuchelei“

Die Berlinerin Aya Velázquez hat jahrelang in Bordellen und als Escort gearbeitet. Sie spricht über ihre Erfahrungen und sagt, warum sie ein Sex-Kauf-Verbot für gefährlich hält.
Von Philippe Debionne 20.01.2024 - übernommen von schwaebische.de
02. August 2024


AYA Velazquez*  (Foto: Monika Czosnowska)

Deutschland ist ein Hort für Menschenhandel, sagte die CSU-Politikerin Dorothee Bär kürzlich. Sie - und viele andere - wollen das Nordische Modell einführen. Das Nordische Modell bedeutet, dass sich Menschen strafbar machen, wenn sie für Sex Geld bezahlen. Die freie Journalistin Aya Velázquez, die sich ihr Studium im Bordell verdient hat, sagt: Das Nordische Modell wäre eine Katastrophe für unzählige Menschen - egal welchen Geschlechts.

Frau Velázquez, beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos brummt das Geschäft mit käuflichem Sex. Zugleich hat sich das Europaparlament für ein Sexkauf-Verbot nach dem sogenannten Nordischen Modell ausgesprochen, ebenso erst vergangene Woche die CSU-Politikerin Dorothee Bär. Wie passt das zusammen?

Gar nicht. Es zeigt, wie sehr die Forderung nach dem nordischen Modell, also nach einem Sexkauf-Verbot, an der Realität vorbeigeht. Menschen bezahlen für Sex, andere Menschen lassen sich für Sex bezahlen. Das kann man nicht verbieten. Im Gegenteil, das Nordische Modell würde die Situation für Sexarbeiterinnen deutlich verschlechtern.

Wieso denn das?

Es heißt immer, das Nordische Modell würde nur die Freier kriminalisieren, aber das stimmt nicht. Schauen Sie nach Schweden, dort wird das Modell seit über 20 Jahren umgesetzt. Die dortige Kriminalisierung betrifft eben nicht nur die Kunden, sondern jeden, der in irgendeiner Form Beihilfe zur sexuellen Dienstleistung gibt. Das kann der Lebenspartner sein, der seine Partnerin zur Arbeit fährt. Das kann der Hosting-Betreiber einer Webseite sein, auf der für erotische Dienstleistungen geworben wird. Der müsste die Seite vom Netz nehmen, um sich nicht strafbar zu machen.

Das kann ein Hotelier sein, der den Frauen ein Zimmer vermietet und sich nicht vorher per Fragebogen versichert hat, dass da keine Prostitution stattfindet. Das kann der Wohnungsvermieter sein, der seine Wohnung an eine Prostituierte vermietet, egal ob wissentlich oder unwissentlich. Sogar Frauen, die sich aus Sicherheitsgründen eine Arbeitswohnung teilen und damit als „Betreiberinnen“ gelten, können Probleme bekommen. Vor allem entzieht man den Frauen sichere Arbeitsorte und macht den Beruf dadurch gefährlich. Das Nordische Modell ist eine einzige Heuchelei. Indem man sagt, wir kriminalisieren alles und jeden rund um eine Prostituierte, nur nicht die Prostituierte selbst.

Befürworter des Nordischen Modells sagen, dass der Menschenhandel abnehmen würde, alleine schon weil es dann weniger Prostitution gibt.

In Schweden ist die Situation für Opfer von Menschenhandel noch schlimmer als hier, weil er in komplett abgeschlossenen Parallelwelten stattfindet.

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Einblick in den Maschinenraum der Macht   – im Gespräch mit Aya Velàzquez

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