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Chávismo und partizipatorische Demokratie in Venezuela

29. März 2013

Chávismo und partizipatorische Demokratie in Venezuela

WIDERSPRUCH 55-08

von Beat Ringger

Vor zehn Jahren, im Dezember 1998, wurde der ehemalige Armee-Oberst Hugo Chávez Frías mit 56.2% der Stimmen zum Präsidenten Venzuelas gewählt.

Rückblickend ist klar, dass mit dieser Wahl ein historischer Wandel verbunden ist, der mittlerweile in ganz Lateinamerika Wirkung entfaltet. Besonders interessant ist dieser „proceso" im Hinblick auf Fragen der Demokratisierung, das heisst der Selbstgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse durch die davon Betroffenen.

„Das wohl freieste Land der Welt"

Michael Zeuske, Professor für iberische und lateinamerikanische Geschichte an der Universität Köln, schreibt in seinem neuen, umfangreichen Werk zur venezolanischen Geschichte: „Venezuela ist seit 1999 das wohl freieste Land der Welt" (Zeuske, 2008, 500). (Hervorhebung seniora.org). Ich war 2007 und 2008 während insgesamt sieben Wochen in Venezuela und hatte Gelegenheit zu Begegnungen und Diskussionen mit Leuten aus den verschiedensten politischen Strömungen und Bewegungen, und ich stimme der Aussage von Zeuske zu. Das Neue an dieser Freiheit besteht darin, dass sie nicht von einer solide im Sattel sitzenden herrschenden Klasse gewährt wird, die keine Angst haben muss, die demokratischen Rechte würden genutzt, um sie zu stürzen. Auch das Umgekehrte ist nicht der Fall: Die Freiheiten sind nicht Ausdruck einer starken Opposition, die es versteht, den Mächtigen die Freiheitsrechte gegen deren Willen abzuringen.

Die Freiheiten, von denen Zeuske redet, entsprechen vielmehr der sozialen Praxis eines  Transformationsprozesses, einer Phase intensiver politischer und gesellschaftlicher Auseinandersetzungen und Klassenkämpfe. Die Freiheiten sind nicht zufällig, sie sind programmatischer Teil der bolivarianischen Revolution.

Insbesondere Chávez begründet die hohe Wertschätzung für demokratische Rechte immer wieder explizit mit den negativen Erfahrungen des Realsozialismus im 20. Jahrhundert. In diesen Freiheiten besteht eine historisch neue Erfahrung, die zu den wichtigsten Errungenschaften für die Bevölkerung Venezuelas gehört.

Seit dem misslungenen Putsch vom April 2002 ist antichavistische, bürgerliche Opposition Venezuelas politisch weitgehend desorganisiert   – allerdings mit einer wichtigen Ausnahme: Die Opposition beherrscht nach wie vor die überwiegende Mehrzahl der grossen Medien, vor allem die Presse und die Fernsehanstalten. Viele dieser Medien   – an erster Stelle die beiden grössten Fernsehanstalten RCTV und Venevisión   – haben beim Putsch vom 11. April 2002 eine aktive und bedeutsame Rolle gespielt.

Quelle:
http://www.denknetz-online.ch/IMG/pdf/ringger_wsp_55.pdf

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