Rudolf Rocker: Nationalismus und Kultur

14. Mai 2013

Rudolf Rocker: Nationalismus und Kultur

Rudolf Rocker

Rudolf Rocker (1873 Mainz   – 1958 New York)

Rudolf Rocker (1873 Mainz   – 1958 New York), der “letzte ernsthafte politische Denker”, (Noam Chomsky) lebte von 1892 bis 1919 und von 1933 bis zu seinem Tode im Exil in Frankreich, England und den USA und wurde dort   – als nichtjüdischer Deutscher   – einer der einflussreichsten und bedeutendsten Figuren der jüdischen, aber auch der deutschen und der internationalen Arbeiterbewegung. Nationalismus und Kultur ist sein Hauptwerk.

“Rudolf Rockers Buch Nationalismus und Kultur ist ein wichtiger Beitrag zur politischen Philosophie … Ich hoffe, es wird in den Ländern, in denen unvoreingenommenes Denken noch nicht illegal ist, viele Leser finden.”

Bertrand Russel

“Es freut mich aufrichtig, dieses bedeutende, tief fundierte und geistig reiche Buch zu besitzen, und ich möchte wünschen, dass es in viele Hände all über die Welt hin gelangt.”

Thomas Mann

“Ich finde das Buch ausserordentlich originell und aufklärend. Es werden in demselben viele Tatsachen und Zusammenhänge in neuartiger Weise überzeugend beleuchtet.”

Albert Einstein

Mit diesem Werk legt Rudolf Rocker der deutschen Öffentlichkeit eine umfassende Arbeit von außerordentlichem soziologischen Wert vor. Die von Rocker angestellten Untersuchungen sprengen den Rahmen einer bloßen literarischen Betrachtung der Zusammenhänge zwischen dem Nationalismus und der Kultur. Sie werden bei Rocker zu Fragen des Grundsatzes und der Gesinnung und erhöhen damit den Wert des Werkes noch erheblich. In unserer Zeit wirken diese Bände als wären sie ihr auf den Leib geschrieben. Ohne jede trockene Theorie, mit feinem Einfühlungsvermögen in den umfangreichen Stoff geschrieben, haben sie nicht nur einen hohen sozialwissenschaftlichen und kulturpolitischen Wert, sondern, was noch bedeutungsvoller ist, sie haben in dieser Zeit der Entscheidungen einen geradezu enormen aktuellen Wert.

Unsere Zeit krankt an der Überschätzung der politischen Ordnung, an der Unfehlbarkeit des Staates. Sie verquickt das ganze Problem der sozialen Beziehungen mit dem Prinzip der Macht. Folglich sieht sie in den vielseitigen menschlichen Beziehungen nicht mehr Lebensfragen, die ihre Ordnung in der Vereinbarung zwischen den beteiligten Individuen finden. Sondern ist behext von dem Glauben, dass der Staat als Ausdruck der öffentlichen Gewalt fähig sei, diese Beziehungen zu einer guten Ordnung zu führen. Die staatliche Ordnung aber beruht ihrem Wesen nach auf dem ständigen Versuch, menschliche Rechte und Freiheiten einzuschränken. Als Ordnungsprinzip der Macht muss sie diese Rechte und Freiheiten gering veranschlagen und bereit sein, sie immer und überall zu begrenzen und einzuengen. Auf dem Boden des Machtgedankens wuchern die Ideen des politischen Absolutismus und der Totalität des Staates. In dem Glauben an die Lösung menschlicher und sozialer Probleme durch den Staat liegt die maßlose Übersteigerung der Wirksamkeit des Staates, der heute tatsächlich bestrebt ist, sich total zu machen. Das will heißen, dass er in immer neue Gebiete vorstößt und sie seiner Kontrolle unterwirft. Der Staat soll alles, und der Staat kann alles. Er wird quasi zu einem Hexenmeister erklärt. Programme werden zur Vergrößerung seines Einflusses auf die Gesellschaft entworfen, und in der Konsequenz mancher Staatstheorie stellt sich das Prinzip der Macht der politischen Gewalt sogar so dar, daß der Besitz der Staatsgewalt einen radikalen Wandel vom absolut Schlechten zum absolut Guten vollbringen wird, wenn nur die richtigen Männer oder politischen Gruppen sich ihrer bedienen.

In den letzten Jahrzehnten hat die Staatsidee sich fast zu einer Religion ausgewachsen und erhebt wie alle Religionen ihre Ausschließlichkeitsansprüche.

Unsere Zeit ist voll von Staatstheorien, aber sie ist auch voll von Furcht vor diesen Theorien. Es ist wohl in der Menschheitsgeschichte immer so gewesen, dass das Grauen in unmittelbarer Nachbarschaft der Hoffnung lebt. Wo heute Hoffnungen auf den Staat gesetzt werden, da steht das Gauen Pate. Irgendwie lebt das Gefühl, daß die Gesellschaft im Schlunde des Staates verschwindet. Die Gesellschaft aber repräsentiert den Menschen, vereinfacht ausgedrückt: sie ist der Mensch. Der Staat aber repräsentiert die Macht, den Willen zur Macht über die Gesellschaft über den Menschen.

Der Staat ist ein gesellschaftsfremdes Element und in seiner höchsten Ausdrucksform ein gesellschaftsfeindliches.

Es ist das Verdienst Rudolf Rockers, in seinem umfangreichen Werk der maßlosen Überschätzung von Staat und Nation, die ganz besonders den Deutschen eigen ist, den Gedanken menschlichter Verantwortung entgegengestellt zu haben. Rocker ist weder Geschichtsmaterialist, noch vermag er den sogenannten wissenschaftlichen Sozialismus zu verteidigen. Dieser wissenschaftliche Sozialismus ist ihm viel zu mechanisch, er tut den Tatsachen Gewalt an, biegt sie für seine Zwecke zurecht und schert den gesamten sozialen Entwicklungsprozeß über einen Kamm. Rocker setzt dieser Auffassung die Überzeugung entgegen, dass es immer der Mensch ist, der die Dinge gestaltet.

Nationalismus und Kultur

Rudolf Rocker: Nationalismus und Kultur

Auszug aus:
http://deu.anarchopedia.org/Rudolf_Rocker/Nationalismus_und_Kultur