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Wie konnten sich die westlichen Geheimdienste schon wieder irren? - Das haben sie nicht. Sie hatten andere Ziele.

Dies ist kein Zufall. Es ist höchst zielgerichtet. Hier ist Verhaltenspsychologie am Werk.
von Larry Johnson - 10. März 2023 übernommen mit Dank und Genhmigung von sonar21.com
11. März 2023
Der Professor für klinische Psychologie, Mattias Desmet, hat erklärt, dass sich die Desorientierung der Massen nicht in einem Vakuum bildet. Sie entsteht im Laufe der Geschichte aus einer kollektiven Psychose, die einem vorhersehbaren Drehbuch folgt:

Geheimdienst Mi 6 Gebäude image 17
MI 6 Headquarters London

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von Alastair Crooke* - 06. März 2023

[ANMERKUNG   – Der Abdruck erfolgt mit ausdrücklicher Genehmigung von Herrn Crooke].
Übersetzung für seniora.org von Andreas Myläus

Der Westen steht nun vor der Aufgabe, die Landmine zu entschärfen, die in der Überzeugung der eigenen Wählerschaft von einem "Sieg" der Ukraine und einer Demütigung Russlands liegt.

Larry Johnson, ein ehemaliger CIA-Analyst, schreibt: "Ich bin nicht mehr im Besitz von Zugangsberechtigungen und hatte keinen Zugang zu den geheimen Geheimdienstbewertungen. Ich habe jedoch gehört, dass die fertigen Geheimdienstinformationen, die den politischen Entscheidungsträgern der USA zur Verfügung gestellt werden, weiterhin erklären, dass Russland in den Seilen hängt   – und dass seine Wirtschaft zusammenbricht. Außerdem beharren die Analysten darauf, dass die Ukrainer die Russen besiegen."

Johnson entgegnet, dass "westliche Agenturen heute in Ermangelung zuverlässiger menschlicher Quellen fast vollständig von 'Liaison-Berichten' abhängig sind" (d.h. von 'befreundeten' ausländischen Nachrichtendiensten), ohne eine 'Due Diligence'-Prüfung vorzunehmen, bei der Diskrepanzen mit anderen Berichten abgeglichen werden.

In der Praxis bedeutet dies, dass die westliche Berichterstattung einfach die PR-Linie Kiews wiedergibt. Aber es gibt ein großes Problem, wenn man Kiews Output (wie Johnson sagt) mit britischen Berichten zusammenbringt   – zur "Bestätigung".

Die Realität ist, dass die Berichterstattung des Vereinigten Königreichs selbst auch auf den Aussagen der Ukraine beruht. Dies ist als falsche Sicherheiten (false collateral) bekannt   – d.h. wenn das, was zur Bestätigung und Validierung herangezogen wird, tatsächlich aus ein und derselben Quelle stammt. Es wird   – absichtlich   – zu einem Propaganda-Multiplikator.

Im Klartext sind all diese Punkte jedoch "Ablenkungsmanöver". Offen gesagt, sind die so genannten westlichen "Geheimdienste" nicht mehr der aufrichtige Versuch, eine komplexe Realität zu verstehen, sondern sie sind zu einem Werkzeug geworden, das eine nuancierte Realität verfälscht, um zu versuchen, die russische Psyche in Richtung eines kollektiven Defätismus zu manipulieren (nicht nur in Bezug auf die Ukraine, sondern auch auf die Idee, dass Russland als souveränes Ganzes bestehen bleiben sollte).

Und in dem Maße, in dem "Lügen" fabriziert werden, um die russische Öffentlichkeit an die unvermeidliche Niederlage zu gewöhnen, ist dies eindeutig dazu bestimmt, die westliche Öffentlichkeit zu dem "Gruppendenken" zu erziehen, dass der Sieg unvermeidlich ist. Und dass Russland ein "unreformiertes böses Reich" ist, das ganz Europa bedroht.

Dies ist kein Zufall. Es ist höchst zielgerichtet. Hier ist Verhaltenspsychologie am Werk. Die während der Covid-Pandemie erzeugte "den Kopf verdrehende" Desorientierung, die ständige Beregnung mit "datengesteuerten" Modellanalysen, die Etikettierung von allem, was kritisch gegenüber den "einheitlichen Botschaften" war, als antisoziale Desinformation   – ermöglichte es den westlichen Regierungen, ihre Bürger davon zu überzeugen, dass "Lockdown" die einzige rationale Antwort auf das Virus war. Das stimmte zwar nicht (wie wir heute wissen), aber der verhaltenspsychologische "Pilotversuch" funktionierte bestens   – sogar besser, als sich seine eigenen Architekten vorgestellt hatten.

Der Professor für klinische Psychologie, Mattias Desmet, hat erklärt, dass sich die Desorientierung der Massen nicht in einem Vakuum bildet. Sie entsteht im Laufe der Geschichte aus einer kollektiven Psychose, die einem vorhersehbaren Drehbuch folgt:

Genau wie beim Lockdown haben Regierungen die Verhaltenspsychologie eingesetzt, um Angst und Isolation zu erzeugen und große Gruppen von Menschen zu Herden zusammenzutreiben, in denen das giftige Hohngelächter über jede Abweichung jedes kritische Denken oder jede Analyse ausschließt. Es ist bequemer, innerhalb der Herde zu sein, als außerhalb.

Das vorherrschende Merkmal ist hier die Loyalität gegenüber der Gruppe   – selbst wenn die Politik schlecht funktioniert und ihre Folgen das Gewissen der Mitglieder stören. Loyalität gegenüber der Gruppe ist die höchste Form der Moral. Diese Loyalität verlangt von jedem Mitglied, dass es vermeidet, kontroverse Themen anzusprechen, schwache Argumente in Frage zu stellen oder dem Wunschdenken Einhalt zu gebieten.

Das "Gruppendenken" ermöglicht es, sich in einer selbst erdachten Realität abzuheben, sich immer weiter von jeglicher Verbindung zur Realität zu entfernen und dann in eine Wahnvorstellung überzugehen   – und dabei stets auf gleichgesinnte Cheerleader zurückzugreifen, um sich zu bestätigen und zu radikalisieren.

Es heißt also "Auf Wiedersehen" zur traditionellen Intelligenz! Und "willkommen" beim westlichen Geheimdienst für Anfänger: In der Geopolitik geht es nicht mehr darum, die Realität zu begreifen. Es geht um die Installation eines ideologischen Pseudo-Realismus   – der die universelle Installation eines singulären Gruppendenkens ist, so dass jeder passiv danach lebt, bis es viel zu spät ist, den Kurs zu ändern.

Oberflächlich betrachtet, mag dies als clevere neue Psyops erscheinen   – sogar als "cool". Das ist es aber nicht. Es ist gefährlich. Durch die bewusste Bearbeitung tief verwurzelter Ängste und Traumata (z.B. der Große Vaterländische Krieg für die Russen) wird im kollektiven Unbewussten eine Art generationenübergreifende existenzielle Notlage geweckt   – die der totalen Vernichtung   – eine Gefahr, mit der Amerika nie konfrontiert war und für die es in Amerika keinerlei empathisches Verständnis gibt.

Vielleicht haben die westlichen Regierungen durch die Wiederbelebung langer, kollektiver Erinnerungen an die Pest in europäischen Ländern (wie Italien) festgestellt, dass sie in der Lage waren, ihre Bürger für eine Politik des Zwangs zu mobilisieren, die ansonsten völlig gegen ihre eigenen Interessen gerichtet war. Aber Nationen haben ihre eigenen Mythen und zivilisatorischen Sitten.

Wenn dies der Zweck war (die Russen an die Niederlage und die endgültige Balkanisierung zu gewöhnen), ist die westliche Propaganda nicht nur gescheitert, sondern hat auch das Gegenteil erreicht. Die Russen haben sich gegen eine existenzielle westliche Bedrohung zusammengeschlossen   – und sind bereit, bei der Bekämpfung dieser Bedrohung notfalls "bis zum Ende zu gehen". (Lassen Sie diese Implikationen auf sich wirken.)

Andererseits hat die falsche Darstellung eines unvermeidlichen Erfolgs für den Westen unweigerlich Erwartungen an ein politisches Ergebnis geweckt, das nicht nur nicht realisierbar ist, sondern auch in weite Ferne rückt, da diese phantastischen Behauptungen über russische Rückschläge die europäischen Führer davon überzeugen, dass Russland ein Ergebnis akzeptieren kann, das ihrer konstruierten falschen Realität entspricht.

Ein weiteres 'Eigentor': Der Westen steht nun vor der Aufgabe, die Landmine zu entschärfen, die in der Überzeugung der eigenen Wählerschaft von einem "Sieg" der Ukraine und von der Demütigung und Zersetzung Russlands liegt. Die Folge werden Wut und weiteres Misstrauen gegenüber den westlichen Eliten sein. Es besteht ein existenzielles Risiko, wenn die Menschen nichts glauben, was die Eliten sagen.

Im Klartext: Der Rückgriff auf clevere "Nudge-Theorien" hat nur dazu geführt, dass die Aussichten auf einen politischen Diskurs vergiftet wurden. Weder die USA noch Russland können jetzt direkt zu einem reinen politischen Diskurs übergehen:

Erstens müssen die Parteien unweigerlich zu einer stillschweigenden psychologischen Assimilation zweier völlig unverbundener Realitäten kommen, die nun durch diese psychologischen "Intelligenz"-Techniken zu greifbaren, lebendigen Wesen gehyped werden. Keine der beiden Seiten wird die Gültigkeit oder moralische Richtigkeit der anderen Realität anerkennen, aber ihr emotionaler Inhalt muss psychologisch anerkannt werden   – zusammen mit den Traumata, die ihnen zugrunde liegen   –, wenn die Politik ihre Fesseln verlieren soll.

Kurz gesagt, diese übertriebenen westlichen Psyops ist perverserweise geeignet, den Krieg zu verlängern, bis die Fakten vor Ort die gegensätzlichen Erwartungen endlich an das "neue Mögliche" heranführen. Wenn die wahrgenommenen Realitäten nicht "angepasst" und nuanciert werden können, führt der Krieg letztlich dazu, dass das eine oder das andere in eine geschmeidigere Form gebracht wird.

Die Entartung der westlichen Intelligenz begann nicht mit der jüngsten kollektiven "Aufregung" über die Möglichkeiten der "Nudge-Psychologie". Die ersten Schritte in diese Richtung begannen mit einer Veränderung des Ethos, die bis in die Clinton/Thatcher-Ära zurückreicht, in der die Geheimdienste "neoliberalisiert" wurden.

Die Rolle des "Advokaten des Teufels", der der zuständigen politischen Führung "schlechte Nachrichten" (d.h. knallharten Realismus) überbringt, wurde nicht mehr geschätzt; stattdessen wurde eine radikale Verlagerung hin zu einer "Business School"-Praxis eingeführt, bei der die Dienste damit beauftragt werden, einen "Mehrwert" für die bestehende Regierungspolitik zu schaffen und (sogar) ein "Markt"-System im Bereich der Intelligenz aufzubauen!

Die Politiker-Manager verlangten "gute Nachrichten". Und damit das auch so bleibt, wurde die Finanzierung an den "Mehrwert" geknüpft   – mit Verwaltungsangestellten, die in der Verwaltung der Bürokratie bewandert waren und in Führungspositionen kamen. Dies bedeutete das Ende der klassischen Geheimdienstarbeit   – die immer eine Kunst und keine Wissenschaft war.

Kurz gesagt, es war der Beginn der Ausrichtung der Nachrichtendienste auf die Politik (um einen Mehrwert zu schaffen) und nicht mehr die traditionelle Funktion der Gestaltung der Politik auf der Grundlage fundierter Analysen.

In den USA erreichte die Politisierung der Nachrichtendienste ihren Höhepunkt, als Dick Cheney eine ihm persönlich unterstellte Nachrichtendiensteinheit Team "B" ins Leben rief. Es sollte die Anti-Geheimdienstarbeit liefern, um die Ergebnisse der Nachrichtendienste zu bekämpfen. Natürlich erschütterte die Team-'B'-Initiative das Vertrauen der Analysten und ging an der Arbeit der traditionellen Kader vorbei   – ganz im Sinne Cheneys. (Er hatte einen Krieg (den Irakkrieg) zu rechtfertigen).

Aber es gab noch weitere strukturelle Verschiebungen. Erstens hatte im Jahr 2000 der woke-Narzissmus begonnen, das strategische Denken in den Hintergrund zu drängen und sein eigenes neuartiges Gruppendenken zu schaffen. Der Westen konnte das Gefühl, im Zentrum des Universums zu stehen, einfach nicht abschütteln (wenn auch nicht mehr im rassischen Sinne, sondern durch sein Erwachen zur "Opferpolitik", die endlose Wiedergutmachung und Reparationen verlangte   – und solche woke- Werte schienen den Westen zufälligerweise mit einem neuen globalen "moralischen Primat" zu salben).

Parallel dazu haben sich die amerikanischen Neokonservativen auf diesen neuen woke-Universalismus gestützt, um das Mem "das Empire ist primordial wichtig" zu zementieren. Die unausgesprochene Folge davon ist natürlich, dass die ursprünglichen Werte der amerikanischen Republik oder Europas nicht neu konzipiert und in die Gegenwart übertragen werden können, solange das "liberale" Gruppendenken des Empire sie als Bedrohung für die westliche Sicherheit darstellt. Dieses Rätsel und dieser Kampf stehen im Mittelpunkt der heutigen US-Politik.

Dennoch stellt sich die Frage, wie es möglich ist, dass die Geheimdienstinformationen, mit denen die US-Politiker versorgt werden, darauf bestehen, dass Russland wirtschaftlich implodiert und dass die Ukraine gewinnt   – entgegen den leicht zu beobachtenden Fakten vor Ort.

Nun, kein Problem; die Washingtoner Denkfabriken werden von der militärisch-industriellen Welt großzügig finanziert, wobei der Großteil dieser Gelder an die Neokonservativen geht   – und an deren Beharren darauf, dass Russland eine kleine "Tankstelle" ist, die sich als Staat ausgibt, und keine ernstzunehmende Macht.

Die Neokonservativen zerren an jedem, der ihre "Linie" vertritt, und Denkfabriken beschäftigen ein Heer von "Analysten", die "akademische" Berichte verfassen, in denen sie behaupten, dass Russlands Industrie   – sofern sie überhaupt existiert   – implodiert. Seit März letzten Jahres sagen westliche Militär- und Wirtschaftsexperten in schöner Regelmäßigkeit voraus, dass Russland die Raketen, Drohnen, Panzer und Artilleriegranaten ausgegangen sind   – und dass es seine Arbeitskraft darauf verwendet, Menschenwellen unausgebildeter Truppen auf die ukrainischen Belagerungslinien zu werfen.

Die Logik ist einfach, aber auch hier fehlerhaft. Wenn eine vereinte NATO Schwierigkeiten hat, Artilleriegranaten zu liefern, muss Russland mit einer Wirtschaft von der Größe eines kleinen EU-Staates (logischerweise) schlechter dran sein. Und wenn wir (die USA) China nur hart genug damit drohen, Russland nicht zu beliefern, dann wird letzterem schließlich die Munition ausgehen   – und die von der NATO unterstützte Ukraine wird "gewinnen".

Die Logik ist also, dass ein verlängerter Krieg (bis das Geld ausgeht) ein Russland ohne Munition hervorbringen muss, und die von der NATO unterstützte Ukraine "gewinnt".

Diese Sichtweise ist aufgrund von konzeptionellen Unterschieden völlig falsch: Die russische Geschichte ist eine Geschichte des totalen Krieges, der in einem langen, kompromisslosen Kampf gegen eine überwältigende Streitmacht geführt wird. Dieser Vorstellung liegt jedoch die Überzeugung zugrunde, dass solche Kriege über Jahre hinweg geführt werden und ihr Ausgang von der Fähigkeit zur Steigerung der Militärproduktion abhängt.

In den 1980er Jahren haben die USA ihr militärisch-industrielles Paradigma der Nachkriegszeit aufgegeben und die Produktion nach Asien verlagert und auf Just-in-Time-Lieferketten umgestellt. Die USA (und der Westen) haben sich von "surge capacity" verabschiedet [surge capacity = die Fähigkeit einer Organisation, schnell und effektiv auf einen plötzlich auftretenden Bedarf zu reagieren], während Russland dies nicht tat: Es hielt an der Idee fest, das zu erhalten, was dazu beigetragen hatte, Russland während des Großen Vaterländischen Krieges zu retten.

Die westlichen Geheimdienste haben sich also wieder einmal geirrt; sie haben die Realität falsch eingeschätzt? Nein, sie haben es nicht "falsch" verstanden. Ihr Ziel war ein anderes.

Die wenigen, die Recht hatten, wurden gnadenlos als Handlanger karikiert, um sie absurd erscheinen zu lassen. Die Mehrheit der westlichen Bürger lebte passiv in der Umarmung des Gruppendenkens   – bis es zu spät für sie war, aufzuwachen und den gefährlichen Kurs zu ändern, auf den sich ihre Gesellschaften begeben hatten.

Ungeprüfte ukrainische Berichte (Liaison-Berichte), die den westlichen Führern serviert werden, sind daher keine "Panne"   – sie sind ein "Merkmal" des neuen Paradigmas des Geheimdienstes für Anfänger, das die Wählerschaft verwirren und abstumpfen soll.

Quelle: https://sonar21.com/how-could-western-intelligence-have-got-it-wrong-again-they-didnt-they-had-other-purposes/

Mit freundlicher Genehmigung von Larry Johnson - sonar21.com

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