Weitere hochrangige europäische Offizielle werden China besuchen, wenn Macrons Forderung nach "strategischer Autonomie" mehr Unterstützung erhält
Das Verhältnis von China und der EU Foto: VCG
Experten gehen davon aus, dass weitere europäische Offizielle nach China reisen werden, um die Beziehungen zwischen Peking und Europa durch den Dialog zu verbessern, vor allem, wenn andere Macrons jüngste Forderung nach europäischer "strategischer Autonomie" aufgreifen, die es Europa erleichtern kann, sich ein objektives Bild von China zu machen.
Macrons Äußerungen haben bei einigen US-Politikern anhaltende negative Reaktionen hervorgerufen. Sie befürchten, dass solche Stimmen weitere europäische Länder aufrütteln und der hegemonieorientierten Außenpolitik der Biden-Administration einen schweren Schlag versetzen werden, so Experten, während sie gleichzeitig die Überzeugung vertreten, dass die "Zwangshandlung" der USA, Europa als ihren Vasallen in einem geopolitischen Spiel unter Druck zu setzen, Europas Entschlossenheit, die Unabhängigkeit von Washington zu verfolgen, nur noch verstärken wird.
Intensive Besuche
Auf Einladung des chinesischen Staatsrats und Außenministers Qin Gang wird Josep Borrell, Hoher Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsident der Europäischen Kommission, China besuchen und vom 13. bis 15. April die 12. Runde des hochrangigen strategischen Dialogs zwischen China und der EU abhalten, teilte das chinesische Außenministerium am Mittwoch mit.
Später am Mittwoch teilte Borrell jedoch auf Twitter mit, dass er die geplante Reise nach China verschoben habe, nachdem er positiv auf COVID-19 getestet wurde.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock wird China vom 13. bis 15. April einen offiziellen Besuch abstatten. Während des Besuchs werden Qin und Baerbock gemeinsam die sechste Runde des Strategischen Dialogs zwischen China und Deutschland über Diplomatie und Sicherheit leiten, teilte das chinesische Außenministerium am Mittwoch mit.
Die Besuche von Borrell und Baerbock finden statt, nachdem Macron und von der Leyen ihre Reisen in der vergangenen Woche beendet hatten.
Wang Wenbin, Sprecher des chinesischen Außenministeriums, sagte bei der routinemäßigen Pressekonferenz am Mittwoch, dass Qin und Baerbock ein umfassendes und tiefgehendes Gespräch über die Beziehungen zwischen China und Deutschland und China und Europa sowie über wichtige regionale und internationale Themen führen werden.
Zu Borrells Besuch merkte Wang an, dass China und Europa die strategische Kommunikation und Koordinierung verbessern, das gegenseitige Vertrauen stärken, sich auf die Zusammenarbeit konzentrieren, Störungen überwinden und gemeinsam die globalen Herausforderungen bewältigen sollten.
Ein wichtiges Ziel der Besuche von Borrell und Baerbock sei die weitere Stabilisierung der chinesisch-europäischen Beziehungen, sagte Cui Hongjian, Direktor der Abteilung für Europastudien am China Institute of International Studies, am Mittwoch gegenüber der Global Times.
Cui sagte, die eigentliche Bedeutung der aufeinanderfolgenden Besuche europäischer Offizieller in China liege darin, dass beide Seiten trotz aller Unterschiede die Kommunikation und den Dialog aufrechterhalten können. "Solange wir in dieselbe Richtung gehen, werden die Probleme, die wir haben, früher oder später gelöst werden."
Europa befindet sich derzeit in einer hitzigen Debatte über "strategische Autonomie", die durch Macrons frühere Äußerungen ausgelöst wurde, in denen er Europa aufforderte, seine Abhängigkeit von den USA zu verringern und sich davor zu hüten, in einen Konflikt zwischen Peking und Washington über die Taiwan-Frage hineingezogen zu werden.
Trotz einiger Kritik an seinen Äußerungen betonte Macron am Dienstag in einer Rede am Nexus-Institut in Den Haag (Niederlande) erneut das Konzept der "strategischen Autonomie" für Europa.
Die Wiederholung der "strategischen Autonomie" inmitten der anschwellenden Kontroverse in Europa zeige Macrons klare Vision für die Zukunft Europas und für eine multipolare Welt sowie seine Entschlossenheit, ein solches Ziel voranzutreiben, sagte Cui.
Macrons Plädoyer findet innerhalb Europas große Unterstützung. Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, sagte am Mittwoch vor den Medien, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs Macrons Vorstoß für eine "strategische Autonomie" weg von den USA zunehmend befürworten.
Macrons Stimme hat die Bremse gelöst, während Europa, das von den USA mit dessen Karren gekidnappt wurde, allmählich zu einem Gefolgsmann Washingtons herabsinkt, sagte Sun Keqin, ein Forschungsstipendiat des China Institutes of Contemporary International Relations, am Mittwoch der Global Times.
Die Debatte über die "strategische Autonomie" in Europa ist heftig, und Sun sagte, dass eine solche Debatte den europäischen Ländern letztendlich helfen wird, eine objektivere und umfassendere Sichtweise auf China und die internationale Ordnung zu entwickeln.
Bezwingende USA
Obwohl es in der Debatte um die Zukunft Europas geht, sind die USA einer der schärfsten Kritiker. Mehrere amerikanische Politiker verurteilten Macrons Äußerungen oder sprachen Drohungen aus.
Mike Gallagher, Vorsitzender des Sonderausschusses des Repräsentantenhauses für China, sagte am Montag gegenüber Fox News, Macrons Äußerungen seien "peinlich, beschämend und geopolitisch sehr naiv".
US-Senator Marco Rubio sagte am Sonntag in einem Tweet: "Wenn Macron für ganz Europa spricht und seine Position ist, dass er sich nicht zwischen den USA und China wegen Taiwan entscheiden wird... sollten wir vielleicht sagen, dass wir uns auf Taiwan und die Bedrohung durch China konzentrieren werden und ihr euch um die Ukraine und Europa kümmert."
Als Reaktion auf die Vorwürfe aus Washington sagte Wang Wenbin am Mittwoch, ein bestimmtes Land wolle nicht, dass andere unabhängig seien, und beuge immer den Willen anderer, um seinen Befehlen zu gehorchen. Wer auf strategischer Autonomie bestehe, gewinne mehr Respekt und Freunde, während die Unterdrückung anderer nur auf mehr Widerstand und Opposition stoße, so Wang.
Macrons lautes Plädoyer wird mehr und mehr europäische Länder aufrütteln, sich öffentlich von den USA zu distanzieren – Europas eigene Stimme, die nach Unabhängigkeit ruft, wurde lange unterdrückt, und nun reißt die Geduld, sagte Lü Xiang, Forschungsstipendiat an der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften, der Global Times. Europas kollektiver Aufruf wird der diplomatischen Politik der Regierung Biden einen schweren Schlag versetzen, so Lü.
Die Zwangspolitik der USA und die ungleiche und unfaire Behandlung Europas seien durch das Unbehagen Washingtons angesichts des europäischen Strebens nach Autonomie offengelegt worden, so Cui.
Die Reaktion der USA sollte Europa die Augen öffnen, um zu erkennen, was transatlantische Verbündete für die USA wirklich bedeuten, und die Entschlossenheit des Kontinents fördern, seine Abhängigkeit von Washington weiter zu verringern, so Cui.
Quelle: https://www.globaltimes.cn/page/202304/1289009.shtml
Die Übersetzung für seniora.org besorgte Andreas Mylaeus
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