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Uran-Munition verseucht die Welt

Ein neues Buch über eine Waffe, die viele Jahre Tabu-Thema war
von Dr. med. Gabriella Hunziker
17. April 2019
Das Buch ist gerade neu erschienen, es ist kein leichtes Thema, sondern schwere Kost. Es geht um schwerste Verbrechen gegen die Menschheit und gegen die Natur, und zwar in einem solchen Ausmass, dass wir uns alle damit beschäftigen sollten. Der Dokumentarfilmer und Autor Frieder Wagner befasst sich seit längerem mit dem Thema Uran-Waffen. Er hat unter anderem die Filme «Todesstaub» und «Der Arzt und die verstrahlten Kinder von Basra» realisiert. Sein Anliegen, so schreibt er, ist es, die Vertuschungsstrategie der Militärs, der Industrie, der Regierungen, aber auch der Medien zu durchkreuzen und die Wahrheit verbreiten zu helfen, dass Uran-Waffen Massenvernichtungswaffen sind und darum weltweit geächtet und verboten werden sollten. Wagner erfuhr 2002 zum ersten Mal etwas über Uran-Waffen und deren Wirkung, als er den Arzt und Wissenschaftler Dr. Siegwart-Horst Günther kennenlernte. Dieser war der erste, der nach dem Golf-Krieg 1991 auf die furchtbaren Folgen der sogenannten Uran-Munition aufmerksam gemacht hat. Unter dem Einsatz seines Lebens erbrachte er den Nachweis, dass die Verwendung von Uran-Waffen durch die USA und ihre Verbündeten todbringende Erkrankungen bei Bevölkerung und Soldaten sowie schwerste Missbildungen bei Neugeborenen verursacht (Morbus Günther). Was ist abgereichertes Uran, warum werden Geschosse aus diesem Material hergestellt, und warum sind diese Waffen so gefährlich?

 Buch Todesstaub Made in USA Frieder Wagner

 

Das Isotop U238 ist abgereichertes Uran, kurz auch DU (Depleted Uranium) genannt, dessen Dichte ist etwa 70% grösser als die von Blei. Es ist wie Blei auch ein Schwermetall und damit hochgiftig. Zudem ein sogenannter Alphastrahler mit einer radioaktiv strahlenden Halbwertszeit von 4,5 Milliarden Jahren! Abgereichertes Uran ist ein Abfallprodukt, welches bei der Herstellung von Kernbrennstäben für Atomkraftwerke entsteht. Der Verkauf an die Rüstungsindustrie sei für die Atomindustrie eine profitbringende Alternative zur teuren und komplizierten Entsorgung, so Frieder Wagner.

«Abgereichertes Uran besitzt für militärische Zwecke zwei ganz wichtige, ausgezeichnete Eigenschaften: Formt man das Metall zu einem spitzen Stab und beschleunigt ihn entsprechend, durchdringt er auf Grund seines enormen Gewichtes mühelos Stahl und Stahlbeton. Dabei entsteht an diesem Uranstab ein Abrieb, der sich bei der enormen Reibungshitze mit Temperaturen zwischen 1000 und 5000 Grad Celsius selbst entzündet.»

Nach der Explosion fliegen Millionen von winzigen Uranteilchen durch die Luft und können jeden gesundheitlich schwer schädigen oder sogar töten, der diesen Feinstaub einatmet. Diese Uranoxid-Partikelchen sind lungengängig, weil sie 100mal kleiner sind als ein rotes Blutkörperchen, und sie verseuchen überall dort, wo diese Waffen bisher eingesetzt wurden, den Boden, die Luft und das Wasser. Eingeatmet können die Uranoxid-Teilchen in Nanogrösse Krebs und Leukämien auslösen. Das Immunsystem bricht wie bei Aids zusammen, Nieren und Leber werden geschädigt. Mit dem Blut wandern die Partikelchen auch ins Gehirn, zu den weiblichen Eizellen und zu den männlichen Samen.

So kommt es bei den Betroffenen zu Brüchen der Chromosomen und damit zu Veränderungen des genetischen Codes. Das heisst, die Kinder dieser Menschen haben oft Fehlbildungen, und deren Kinder und Kindeskinder auch. Ganze Generationen werden also über viele Jahrzehnte und Jahrhunderte geschädigt sein, weil sich ihr genetischer Code unheilbar verändert hat, schreibt Wagner.

Warum uns das alle etwas angeht?

Das Problem geht uns alle an, weil die radioaktiven Partikel nicht auf einen Ort beschränkt bleiben. Durch die vor Ort herrschenden Winde und Stürme wird der feine, unsichtbare «Todesstaub» immer wieder aufgewirbelt und kann so in Gebiete getragen werden, wo gar keine Kampfhandlungen stattgefunden haben. Dies zeigt Wagner am Beispiel der nord­irakischen, kurdischen Stadt Erbil, die viele hundert Kilometer entfernt von einem Kriegsschauplatz liegt, auf.

«Dort wurde ein ungewöhnlicher Anstieg von Leukämiefällen bei Kindern und Kleinkindern festgestellt, und zwar durch eine Leukämieart, die sonst nur bei alten Menschen vorkommt. Daraufhin wurden Urinproben der erkrankten Kinder, der Staub aus dem Luftfilter eines Autos, das vor Ort gefahren wurde, und Organproben einer geschlachteten Kuh, die auf den Weiden von Erbil gross geworden ist, untersucht. Das Ergebnis war entsetzlich, denn alle Proben enthielten hohe Konzentrationen von Uran 238. Der Staub aus dem Luftfilter des Autos war sogar um 1000fach höher kontaminiert als die höchsten Probewerte von den Schlachtfeldern in Basra.»

2003 hat Wagner zusammen mit Professor Dr. Günther die Kinderkrankenhäuser in Bagdad und in Basra besucht. Was er dort sah, schildert er eindrücklich in seinem Buch. Er sei zum ersten Mal mit der Realität der Folgen von Geschossen mit abgereichertem Uran konfrontiert gewesen. Er sah Babys mit schwersten, schrecklichen Missbildungen, die nicht lebensfähig waren. Die Väter dieser Babys hatten an den Kriegen als Soldaten teilgenommen und waren deshalb kontaminiert. Ein Arzt erzählte ihnen mit belegter Stimme:

«Bis 1991 hatten wir nach unseren Aufzeichnungen in Bagdad bei 1000 Geburten höchstens eine mit irgendwelchen leichteren Defekten und höchstens alle 14 Tage. Heute haben wir hier fast jeden Tag ein bis zwei solche Missbildungen, und sie ähneln alle den Missbildungen, wie wir sie nach der Tschernobyl-Katastrophe kennengelernt haben.»

In Basra wurde ihnen gesagt, dass heute zehnmal mehr Patienten an Krebs leiden als vor dem Krieg 1991, und dass 20mal mehr Babys mit Missbildungen zur Welt kommen   – Tendenz steigend. Aber auch in Familien der alliierten Soldaten wurden Babys mit schwersten Missbildungen geboren.

Uran-Waffen-Einsatz im Kosovo, in Bosnien und Serbien, in Kuwait, Afghanistan, im Libanon, in Somalia, im Irak und in Syrien

Seit dem Golf-Krieg 1991 setzt die US-Armee unter stillschweigender Duldung der Nato-Verbündeten in ihren Kriegen Uran-Waffen ein. Im Kosovo ebenso wie in Bosnien und Serbien, in Kuwait, Afghanistan, im Libanon, in Somalia, im Irak und in Syrien. Wagner wirft auch die Frage auf, wo Deutschland in Sachen Uran-Munition stehe. Mit Rücksicht auf die Friedensbewegung in den 1980er Jahren habe die deutsche Bundeswehr die Panzer nicht mit Uran-Munition ausgestattet. Wagner:

«Einen ersten Riss hat diese Politik dadurch erhalten, dass sich die Bundesregierung bei der letzten Resolution der UN-Generalversammlung, Uran-Munition weltweit zu ächten, im Dezember 2014 zum ersten Mal der Stimme enthalten hat …»

Das Verbot der Uran-Waffen ist auch 2014 wieder am Veto von drei Mitgliedern des Sicherheitsrates gescheitert, nämlich den USA, Grossbritannien und Frankreich. Wagner schreibt:

«Eine so vorbildliche Sichtweise wie die des kleinen Belgiens wird es hier bei uns (gemeint ist Deutschland) vorerst nicht geben. Belgien hat als erstes Land weltweit die Produktion und den Einsatz von Uran-Waffen verboten. Auch der Handel mit der umstrittenen Waffe ist in Belgien verboten und auch seine Lagerung und ein Transport dieser Waffen durch Belgien. Das bereits 2007 vom belgischen Parlament beschlossene entsprechende Gesetz trat am 21. Juni 2009 in Kraft.»

Das Buch von Frieder Wagner beinhaltet eine reichhaltige Beweis- und Faktensammlung, die jedem die Augen öffnet. Es leistet einen enorm wichtigen Beitrag zur Aufklärung über die Gefahren der radioaktiven Munition. Das Schweigen über das «Tabu-Thema Uran-Munition» muss endlich ein Ende haben. Das Thema geht uns alle an, denn es geht um die Zukunft unserer Kinder und unserer Erde. Das Buch rüttelt auf und macht betroffen, es muss eine weite Verbreitung finden, um von den Regierungen der Welt ein Verbot des Einsatzes von Uran-Waffen zu fordern. Wagner:

«Denn keine Macht dieser Welt hat das Recht, auf ihren selbstherrlich gewählten Kriegsschauplätzen ganze Regionen unbewohnbar zu machen und die Menschen noch lange nach Beendigung der Kriegshandlungen zu vergiften und zu töten. Denn so vernichten wir den Lebensraum unserer Kinder und Kindeskinder, und die werden uns dafür zu Recht eines Tages verfluchen.»

Quelle: https://www.zeit-fragen.ch/de/ausgaben/2019/nr-9-9-april-2019/uran-munition-verseucht-die-welt.html