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Seymour Hersh im Interview: Joe Biden sprengte Nord Stream, weil er Deutschland nicht traute

Der Investigativjournalist Seymour Hersh hat eine umstrittene Recherche zum Nord-Stream-Anschlag veröffentlicht. Wir haben mit ihm gesprochen. Ein Interview.
Interview: Fabian Scheidler 14.02.2023 | 17:58 Uhr - Berliner Zeitung
15. Februar 2023

Der Investigativjournalist Seymour Hersh hat eine Recherche veröffentlicht, derzufolge die Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines von der US-Regierung mit Unterstützung Norwegens veranlasst worden sind. Die US-Regierung und die CIA haben auf Hershs Anfrage seine Darstellung bestritten. In vielen Medien wurde Hersh vorgeworfen, er habe seine anonyme Quelle nicht offengelegt, weshalb seine Behauptungen nicht zu überprüfen seien. Es wurde auch die Kritik formuliert, dass die Recherche nicht stimmig sei. Der Berliner Publizist Fabian Scheidler hat für die Berliner Zeitung mit Seymour Hersh gesprochen.

Geschätzte Leserin, geschätzter Leser, liebe Freunde, die Titelseite der Weltwoche lautet heute «Terrror gegen Nordstream». Was uns in diesem Zusammenhang irritiert, ist das Schweigen Deutschlands, des Direktbetroffenen eines Terroranschlages, der fehlende Aufschrei des Kanzlers, der deutschen Regierung und der deutschen Presse. Warum bleiben alle so «unbeteiligt»? Symour Hersh stellt sich auch diese Frage. Im Bericht sagt er: «Eine Frage, die ich Scholz gern stellen würde, wenn ich eine parlamentarische Anhörung leiten würde, ist diese: Hat Joe Biden Ihnen davon erzählt? Hat er Ihnen damals gesagt, warum er so zuversichtlich war, dass er die Pipeline zerstören könnte?» Dieses Schweigen ist absolut unerklärlich, denn eine normale Reaktion ist doch, wenn mein Eigentum zerstört wird: «Haltet den Dieb!» und man bringt ihn vors Gericht. Wahrscheinlich können wir heute noch nicht alle in diesem Zusammenhang aufkommenden Fragen beantworten, weil die Antworten derart bedrückend, vielleicht auch noch zu gefährlich sind. Als die Twintower senkrecht zusammensackten, erklärte George W. Bush den «War on Terror». Diese Maxime war schon damals ein Verstoss gegen die Charta der Vereinten Nationen und hätte verurteilt werden müssen: Verbot eines Angriffskrieges, sogar Verbot der Androhung eines Angriffskrieges. Diese schönen Vereinbarungen wurden seither mit Füssen getreten und das Völkerrecht ausgehebelt. Heute gilt das Recht des Stärkeren. Das sieht wie eine Rückkehr ins Mittelalter aus. Vielleicht hilft uns hier im Westen ein immer offener und immer unerträglicher Blick auf das Sterben in der Ukraine dazu, dass wir Russland die Friedenshand entgegen strecken müssen, um Frieden in Europa zu erreichen. Ein hoffnungsvoller Aufschrei: Zur Beendigung der Kriegsfinanzierung erreicht uns soeben   – nicht aus Deutschland   – aber aus USA! Herzlich Margot und Willy Wahl

Herr Hersh, bitte legen Sie Ihre Erkenntnisse im Detail dar. Was ist Ihrer Quelle zufolge genau passiert, wer war am Nord-Stream-Attentat beteiligt und was waren die Motive?

Es war eine Geschichte, die danach schrie, erzählt zu werden. Ende September 2022 sollten in der Nähe der Insel Bornholm in der Ostsee acht Bomben gezündet werden, sechs davon gingen hoch, in einem Gebiet, in dem es ziemlich flach ist. Sie zerstörten drei der vier großen Pipelines von Nord Stream 1 und 2. Die Nord-Stream-1-Pipeline hat Deutschland und andere Teile Europas seit vielen Jahren mit sehr billigem Erdgas versorgt. Und dann wurde sie gesprengt, ebenso wie Nord Stream 2, und die Frage war, wer das getan hat und warum. Am 7. Februar 2022, gut zwei Wochen vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, sagte der US-Präsident Joe Biden auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus, die er mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz abhielt, dass die USA Nord Stream stoppen würden.

Biden sagte wörtlich: „Wenn Russland einmarschiert, wird es kein Nord Stream 2 mehr geben, wir werden dem Projekt ein Ende setzen.“ Und als eine Reporterin fragte, wie genau er das zu tun gedenke, da das Projekt vor allem unter deutscher Kontrolle stehe, sagte Biden nur: „Ich verspreche, dass wir in der Lage sein werden, es zu tun.“

Seine stellvertretende Außenministerin Victoria Nuland, die tief in die Geschehnisse der Maidan-Revolution im Jahr 2014 verwickelt war, hatte sich ein paar Wochen zuvor ähnlich geäußert.

Originallink abgerufen am 15.02.2023

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