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Was passiert nun in Venezuela?

Von Wolf Gauer, São Paulo
05. März 2019
Narren verhaftet man nicht während des Karnevals (und der begann schon am Donnerstag in Venezuela). Aus brasilianischer Sicht rechne ich damit, dass Nicolás Maduro  – der Präsident ist bekannt für seinen unerschütterlichen Legalismus - streng nach der Rechtslage vorgeht:

Der selbstgesalbte Interims-Präsident Guaidó hatte Ausreiseverbot. Rechtliche Schritte erwarten ihn nun, nachdem er wieder zurück ist. Er hatte zwar die Reiseerlaubnis der Nationalversammlung, doch sind alle Entscheidungen derselben schon seit dem 5. Januar 2019 vom Obersten Gerichtshof aufgehoben. Die juristischen Konsequenzen seiner widerrechtlichen Ausreise kann Guaidó sehr wahrscheinlich in Freiheit erwarten.

Entscheidend ist nämlich zunächst was Guaidó weiterhin anstellen wird. Bringt er eine evidente Mehrheit für sich auf die Beine - und das wäre ein Bergrutsch, der den Meinungsumfragen widerspräche - sind Verhandlungen zwischen Maduro und der Opposition das wahrscheinlichste Ergebnis. Die Opposition aber ist sich nicht einig - das wird in der Regel medienseitig ignoriert. Verhandlungen hat Maduro bislang immer akzeptiert; gescheitert sind sie an der Verschiedenheit der Interessen innerhalb der Opposition. Maduro bietet Gespräche neuerlich an. Russland, China, Mexiko und die Mehrheit der OEA sind dafür, auch 81% der Bevölkerung.

Würde Guaidó inhaftiert, sind Verhandlungen sinnlos. Das Imperium hätte einen weiteren Vorwand zur militärischen “Option". Zwar gegen die Haltung von UNO, Russland, China, der Nachbarländer Brasilien und Kolumbien und der Mehrheit der OEA, aber immerhin unterstützt selbst von Leuten wie Bernie Sanders, Ocasio-Cortez und anderen US-Hoffnungsträgern. Guaidó fürchtet Verhandlungen. Er ist der programmierbare Mann der US-Hardliner und wurde in den USA abgerichtet. Sie erwarten von ihm die rasche Liquidierung des bolivarischen Staatswesens. „Legaliter“ nach außen hin und ohne Erinnerungen an Vietnam. Noch vor den amerikanischen Präsidentschaftswahlen.

Entscheidender Faktor ist m.E. das weitere Verhalten der venezolanischen Bevölkerung. Ihr gesellschaftlicher und politischer Durchblick steht weit über dem Niveau von Kolumbien, Brasilien oder USA. Das venezolanische Militär ist in Brasilien und Kolumbien gefürchtet. Auch von den USA. Setzen sie wieder auf Bombardierung und Blockade, wären ihre Opfer alle Venezolaner, die Anhänger von Maduro und auch von Guaidó.

Wolf Gauer

Wolf Gauer

Wolf Gauer, Filmemacher und Journalist, lebt seit 1974 in Brasilien. Er schreibt für die Zf. Ossietzky und andere deutschsprachige Periodika.

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