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von Thomas Röper 23. März 2025 - übernommen von anti-spiegel.ru
24. März 2025

Warum es für Russland interessant sein kann, beim AKW Saporoschje mit den USA zusammenzuarbeiten


US-Präsident Trump hat vorgeschlagen, die ukrainischen AKW in US-Eigentum zu überführen. Dabei geht es auch um das unter russischer Kontrolle stehende AKW Saporoschje. Ein russischer Experte hat aufgezeigt, warum die Idee für Russland interessant sein könnte.
AKW Saporoschje

(Red.) Hier zeigen sich konkrete mögliche Pfade in echten "Friedensverhandlungen" zwischen Russland und den USA. Neben der Meldung, dass die USA trotz öffentlich wirksamem Sanktions-Getöse heimlich die Durchsetzung von Sanktionen gegen Russland auf dem Gebiet der russischen Schattenflotte sabotiert, sind auch dies hier ermutigende Signale.(am)

Gestern habe ich aufgezeigt, warum US-Präsident Trump Interesse an der Überführung der ukrainischen AKW in US-Eigentum interessiert ist. Diesen Vorschlag hat er dem ukrainischen Machthaber Selensky in einem Telefongespräch gemacht und Selensky hat dem vor allem in Bezug auf das unter russischer Kontrolle stehende AKW Saporoschje zugestimmt, wobei Trump allerdings alle ukrainischen AKW haben will.

Man sollte meinen, dass Russland die Idee rundweg ablehnen müsste, da das AKW sowjetischer Bauart unter russischer Kontrolle steht und sich im Gebiet Saporoschje befindet, das aus russischer Sicht nun russisches Staatsgebiet ist. Warum also sollte Russland die USA oder US-Konzerne an das AKW heranlassen, wenn die noch nicht einmal technisches Verständnis von der Konstruktion des AKW haben?

Ein russischer Experte für Energiesicherheit hat dazu für die russische Nachrichtenagentur TASS einen sehr interessanten Artikel geschrieben, in dem er erklärt, wie und unter welchen Umständen eine Beteiligung der USA am AKW Saporoschje für Russland durchaus interessant sein könnte, und ich habe seinen Artikel übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Russland könnte dem Verkauf von Energie aus dem AKW Saporoschje zusammen mit den USA zustimmen

Igor Juschkow über die Aussichten auf eine Zusammenarbeit zwischen Russland und den USA beim AKW Saporoschje und darüber, ob diese für unser Land von Vorteil ist.

Die Verhandlungen zwischen Russland und den USA mit der Ukraine über die Beendigung der Kampfhandlungen stehen weiterhin im Mittelpunkt der Weltpolitik. Neben der Frage der Waffenstillstandsbedingungen hat sich eine separate wirtschaftliche Linie herausgebildet. Insbesondere besteht Washington weiterhin darauf, dass die Ukraine die USA für die Kosten der früher geleisteten militärischen und finanziellen Unterstützung entschädigen muss. Der erste Versuch, ein Abkommen über seltene Erden zu unterzeichnen, wurde durch das skandalöses Gespräch zwischen Selensky und Trump im Weißen Haus am 28. Februar vereitelt.

Die USA sind an der ukrainischen Energie interessiert

Nachdem das Trump-Team Druck auf Kiew ausgeübt hat, ist die ukrainische Regierung entgegenkommender geworden. Aber auch der von den USA angebotene Deal hat sich verändert, und zwar nicht zu Gunsten der Ukraine. Jetzt geht es nicht mehr nur und vielleicht auch nicht mehr so sehr um seltene Erden (wahrscheinlich hat die amerikanische Regierung Informationen darüber erhalten, dass es auf ukrainischem Territorium keine Reserven der meisten der angegebenen Elemente gibt), sondern um die Kontrolle über die Verkehrs- und Energieinfrastruktur.

Washington ist auf die Anlagen aufmerksam geworden, die hier und jetzt Gewinne abwerfen können. Auf der Liste dieser Einrichtungen stehen auch Atomkraftwerke. In der Ukraine gibt es noch drei Atomkraftwerke: Riwne, Chmelnyzky und Süd-Ukraine. Es wäre für die USA von Vorteil, die Kontrolle über sie zu erlangen. Aber es gibt Nuancen…

Jetzt sind diese Atomkraftwerke die wichtigsten Erzeugungskapazitäten der Ukraine und bilden die Grundlage für den gesamten Energiesektor des Landes. Die Strompreise auf dem ukrainischen Inlandsmarkt sind jedoch nicht hoch.

Um die Rentabilität des Besitzes solcher Anlagen zu erhöhen, werden sich die neuen Eigentümer für höhere Tarife einsetzen. Es wird bereits eine Erklärung dafür gefunden, warum Kiew die AKWs an die USA übergeben soll: Es wird darauf hingewiesen, dass auf diese Weise ihre Sicherheit gewährleistet ist   – Russland, so heißt es, werde es nicht wagen, amerikanisches Eigentum zu beschießen. Das geht aus einer gemeinsamen Erklärung des US-Außenministers Marco Rubio und des Sicherheitsberaters des US-Präsidenten Mike Waltz hervor, die nach dem Telefongespräch zwischen Trump und Selensky am 19. März veröffentlicht wurde.

Aber unser Land hat während der gesamten Militäroperation aus Prinzip keine Atomkraftwerke und die dazugehörige Infrastruktur angegriffen, um keine nukleare Katastrophe zu provozieren. Daher ist der Verweis auf die Sicherheit nur der schwache Versuch, die geplante Aufteilung des ukrainischen Staatsvermögens zu begründen. Eine andere Möglichkeit ist der Export von Strom aus den AKWs nach Europa, wo die Strompreise bereits recht hoch sind. Aber dann müsste man den ukrainischen Verbrauchern den Strom wegnehmen, denn es gibt keinen Ersatz für die AKWs, denn der Einergiesektor ist von den russischen Streitkräften stark „ausgedünnt“ worden. Daher ist der Export nur in kleinen Mengen und nach Reparaturen in einer Reihe von Stromkraftwerken möglich.

Die Ukraine bietet an, was ihr nicht gehört

Die spannendste Frage ist das Thema des AKW Saporoschje. Das Kraftwerk befindet sich seit 2022 unter russischer Kontrolle und wurde von Rosatom übernommen. Das AKW Saporoschje ist das größte Atomkraftwerk Europas: Es besteht aus 6 WWER-1000-Reaktoren. Aufgrund des Beschusses des Kraftwerksgeländes und der Netzinfrastruktur durch das ukrainische Militär wurden alle Reaktoren in den Kaltstillstand versetzt. Das Risiko bestand darin, dass, wenn die Stromleitungen, die das Kraftwerk versorgen, beschädigt werden und die Backup-Dieselgeneratoren den gesamten Brennstoff verbrauchen, das Kühlsystem des Reaktors ausfällt und sich der Unfall von Fukushima in Japan wiederholen könnte.

Es wäre für die Ukraine von Vorteil, den USA die Übernahme des AKW Saporoschje anzubieten, da sie ohnehin keine Kontrolle darüber hat. Und auf diese Weise kann sie versuchen, die Beziehungen zwischen Moskau und Washington zu stören. Russland geht davon aus, dass das AKW Rosatom gehört und sich auf russischem Territorium befindet, und die USA müssen alle Verhandlungen über den Betrieb des AKW mit dem Kreml führen. Aber für Russland ist es auch nicht vorteilhaft, die Zusammenarbeit mit den Amerikanern beim AKW Saporoschje zu verweigern.

Warum Russland kooperieren könnte

Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Zusammenarbeit. So könnte es beispielsweise nicht darum gehen, dass amerikanische Strukturen Eigentümer des Kraftwerks werden, sondern dass ein Joint Venture gegründet wird, das den Strom an die ukrainischen Verbraucher verkauft. Eine Reihe von Faktoren sprechen für eine mögliche Zusammenarbeit.

Erstens ist es unter den derzeitigen Bedingungen äußerst schwierig, das AKW Saporoschje in Betrieb zu nehmen. Es besteht immer noch die Gefahr, dass die Infrastruktur des Kraftwerks beschossen wird. Und hier kann das Prinzip angewandt werden, von dem die US-Seite der Ukraine erzählt: Die Anwesenheit eines US-Unternehmens wird den Beschuss verhindern. In diesem Fall könnte das funktionieren, schließlich beschießt die ukrainische Regierung das Kraftwerk.

Zweitens ist es riskant, das AKW Saporoschje mit voller Kapazität zu betreiben, da die Ukraine im Juni 2023 das Wasserkraftwerk Kachowka in die Luft gesprengt hat, was zum Wegfall des gleichnamigen Stausees geführt hat. Das AKW Saporoschje verfügt zwar über einen eigenen Kühlteich, doch war der immer mit dem Kachowka-Stausee verbunden, und es bestand nie die Gefahr von Wasserknappheit. Nun muss das Wasserentnahmesystem praktisch neu gebaut werden, um den Kühlteich des Kraftwerks mit Wasser versorgen zu können. Dazu muss die Sicherheit während des Baus und des Betriebs dieser Infrastruktur gewährleistet werden, oder das Wasserkraftwerk Kachowka selbst muss wiederhergestellt werden. Dann stellt sich allerdings die Frage nach den Finanzierungsquellen. Die Parteien werden sich natürlich streiten: Wer braucht die Wiederherstellung des Normalbetriebs des AKW Saporoschje mehr? Der müsste den größten Teil des Geldes bereitstellen.

Für Russland wäre es günstig, zumindest einige Reaktoren in Betrieb zu nehmen. Das würde es ermöglichen, Verbraucher in neuen Regionen mit Strom zu versorgen und Reserven für das Energiesystem des gesamten Südens des Landes, einschließlich der Krim, zu schaffen. Außerdem würde bei der Wiederherstellung des Kachowka-Stausees der Nord-Krim-Kanal wieder funktionieren, da sein Anfang in der Nähe des zerstörten Wasserkraftwerks liegt. Jetzt gibt es aber keinen Stausee, weshalb der Kanal, der für die Region Cherson und die Krim notwendig ist, ausgetrocknet ist.

Es gibt auch Hindernisse für mögliche Vereinbarungen zwischen Russland und den USA über das AKW Saporoschje. Erstens kann Washington selbst in der Phase der politischen Kontakte unannehmbare Bedingungen stellen   – nämlich das Kernkraftwerk in das Eigentum amerikanischer Strukturen zu überführen. Zweitens besitzt der amerikanische Staat selbst auf seinem eigenen Staatsgebiet keine Atomkraftwerke. Die Eigentümer von AKWs sind kommerzielle Unternehmen. Die Unternehmen könnten sich vor einem so riskanten Projekt wie dem AKW Saporoschje scheuen, denn es ist mit politischen, technischen und wirtschaftlichen Risiken verbunden.

Das dritte Hindernis könnte der technische und wirtschaftliche Aspekt sein. Die ersten beiden Blöcke des AKW Saporoschje dürften 2025, der dritte 2027, der vierte 2028 und der fünfte 2030 ihre Ressourcen erschöpft haben. Sie alle haben bereits das Verfahren der Betriebsdauerverlängerung durchlaufen. Selbst wenn man berücksichtigt, dass sich diese Termine um einige Jahre verschieben (seit 2022 sind sie alle abgeschaltet), bleibt das Problem bestehen, dass die Blöcke veraltet sind. Der Kraftwerkseigentümer muss eine umfassende Studie über den technischen Zustand jedes Blocks durchführen und entscheiden, ob er kostspielige Reparaturen zur Betriebsdauerverlängerung durchführen oder den Block stilllegen will. Block 6 wird im Jahr 2026 das Ende seiner Nutzungsdauer erreichen, es gab aber noch keine Arbeiten für eine erste Betriebsdauerverlängerung, so dass er problemlos weitere zehn Jahre in Betrieb bleiben könnte.

Das Ergebnis hängt von den Verhandlungen ab

Daher ist es für Russland politisch wichtig, die volle Kontrolle über das Atomkraftwerk zu demonstrieren und sowohl der Ukraine als auch den USA zu signalisieren, dass wir keine Möglichkeit zulassen, die Ergebnisse unserer Gebietserwerbungen neu zu verhandeln. Gleichzeitig ist es von Vorteil, Bereitschaft für Vereinbarungen über eine für beide Seiten vorteilhafte wirtschaftliche Zusammenarbeit zu zeigen. Schließlich ist es für den geschäftsorientierten Trump wichtig, einen Deal mit einem großen Objekt abzuschließen, um seinen Kritikern zu zeigen, dass er bei den Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine viel erreicht hat. Und Russland kann die genannten Risiken teilen. Welche Waagschale am Ende schwerer wiegt, wird von den Details der Verhandlungen abhängen.

Ende der Übersetzung

 


Quelle: Thomas Röper Anti-Spiegel - Mit freundlicher Genehmigung übernommen