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Plumpe Kriegshandwerker gegen Putin und Trump

Fast eine Glosse
von Karl-Jürgen Müller
Karl-Jürgen Müller ist Lehrer an einer deutschen Schule und unterrichtet Deutsch, Geschichte und Gemeinschaftskunde.
11. Januar 2017
Es ist noch nicht lange her (23. Oktober 2016), da überschrieb die Schweizer «NZZ am Sonntag»  – also die Sonntagsausgabe der bekannten «Neuen Zürcher Zeitung»  – ein Bild des russischen Präsidenten mit: «Eiskalt. Putin versetzt die Welt in Sorge.» Und unter dem Bild  – das im übrigen gar nicht «eiskalt» wirkte  – war zu lesen: «Rücksichtslos setzt der russische Präsident Wladimir Putin seine Interessen durch. […] Die ganze Welt ist besorgt: Der Mann mit dem eiskalten Blick will Russland wieder zur Supermacht machen.»

Ich habe Bild und Text im Gemeinschaftskunde-Unterricht verwendet, um an einem Beispiel deutlich zu machen, wie Mainstream-Medien heute arbeiten. Ich habe nur das Original der Zeitung auf einen Projektor gelegt und die Schülerinnen und Schüler ohne Lehrerkommentar gefragt, was Bild und Text aussagen und was sie davon halten. Die Antwort war einhellig: Alle, die sich zu Wort meldeten, fanden die Bild-Text-Kombination total unsachlich. Eine Schülerin sagte sogar, sie halte die ständige Propaganda gegen Russland in unseren Medien schier nicht mehr aus. Kein Mitschüler widersprach. Was ich als Lehrer über Russland denke, habe ich nicht gesagt.

So wie diese Schulklasse denken viele Menschen, die unsere Mainstream-Medien einigermaßen kennen. Und auf den ersten Blick ist es kaum nachvollziehbar, warum unsere Mainstream-Medien dazu übergegangen sind, so ganz offen zu einer Machart zu greifen, die in jedem guten Deutsch-, Geschichts- und Gemeinschaftskundeunterricht als Symptom und Instrument eines möglichen totalitären Systems gedeutet wird. Mit Ausgewogenheit oder gar Bemühen um Objektivität, so wie es dem Ideal guter Medien in einer Demokratie entspräche, hat dies nichts mehr zu tun. Gut nur für das Lernen, dass es so viele furchtbare historische Vorläufer gibt.

Es fällt tatsächlich auf, dass man spätestens seit 2014 in den deutschsprachigen Mainstream-Medien keinen einzigen redaktionellen Beitrag mehr findet (von Interviews einmal abgesehen), der am heutigen Russland irgendetwas Gutes findet. Da ist alles nur noch schlecht, egal wo man hinschaut. Und am schlimmsten sind der russische Präsident und seine Politik.   – Selbst ein Laie spürt: Das kann doch nicht die Wahrheit sein!

Wladimir Putin soll mittlerweile sogar so gefährlich (und einflussreich) sein, dass er erstens dafür gesorgt hat, dass ein ganz bestimmter Kandidat US-Präsident geworden ist, und zweitens soll er nun auch noch in der Lage sein, diesen gewählten US-amerikanischen Präsidenten erpressen zu können.

Das ist der doppelte Rittberger der politischen Propaganda.

Zum einen: Der russische Präsident ist nicht nur böse, sondern ganz böse. Böse ist Putin, weil er nicht das tut, was «wir» wollen. Und ganz böse ist Putin, weil er dafür sorgen will, dass in allen Staaten die von ihm Abhängigen («Populisten» und «Extremisten») an die Macht kommen und er so der mächtigste Mann der Welt werden könnte.

Zum anderen: Zugleich wird deutlich, wie verdorben all diejenigen sind, die man schon seit langer Zeit als «Putin-Versteher» bezeichnet. Jetzt soll selbst der neue US-Präsident dazu gehören.

Aber wie in Hollywood naht auch diesmal die Rettung: «Unsere» guten Regierungen, Geheimdienste, Medien und Armeen und so weiter werden Putin einen Strich durch die Rechnung machen   – und die Guten werden siegen.

Also, eigentlich der Stoff für eine Kriminal-Komödie. Aber leider nicht; denn diese grotesken Konstruktionen gehen einher mit einer gar nicht lustigen Kriegsvorbereitung … und US-Panzern, die seit Anfang Januar zusammen mit 4000 US-Soldaten einer Kampfbrigade in Richtung Osten rollen (Militäraktion «Atlantic Resolve»).

Wie tief sind wir gesunken, dass Politiker wie Barack Obama, Hillary Clinton oder Angela Merkel mit breiten medialen Lobhudeleien bedacht werden? Obwohl sie so viel Blut an ihren Händen kleben haben … und der Frieden auf der Strecke bleiben kann.

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