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Die Nato gefährdet unsere Sicherheit

von Gabriel Galice, Daniele Ganser, Hans von Sponeck
29. März 2017

Si vis pacem, cole iusticiam
(Wenn du Frieden willst,
pflege die Gerechtigkeit)
Devise der IAO
(Internationale Arbeitsorganisation)

Die Nato massiert Truppen und Waffen vor der Haustüre Russlands. Es ist uns wichtig, unsere Besorgnis zum Ausdruck zu bringen über die Propaganda, welche die reellen Bedrohungen verzerrt, die auf dem Frieden lasten.

Diese heimtückische Propaganda produziert imaginäre Feinde, um die Erhöhung der Militärausgaben, die Eroberung neuer Gebiete oder «Marktanteile», die Übernahme der Kontrolle über die Energieversorgung und die Zersetzung der Demokratie zu rechtfertigen.

Nein, Russland ist nicht der Aggressor und bedroht in keiner Weise die baltischen Staaten, Polen oder Schweden. Bei der Implosion der UdSSR und des Warschauer Paktes bestand der strategische Fehler der USA und ihrer Alliierten darin, die internationale Sicherheitsarchitektur nicht neu begründet zu haben. Die Charta von Paris (1990), die Frieden für Europa versprach, blieb unbeachtet.

In seinem Buch «Die einzige Weltmacht   – Amerikas Strategie der Vorherrschaft» stellte Zbigniew Brzezinski 1997 die Frage, ob Russ­land in der Nato und in die EU zu integrieren sei. Schliesslich entschied er sich, der taktischen Sicherheit und nicht dem strategischen Frieden den Vorrang zu geben, wohlwissend, dass dies russische Reaktionen auslösen würde. Er sprach sich für die Integration der Ukraine aus   – einem der fünf «geopolitischen Dreh- und Angelpunkte» in Eurasien   –, und zwar in die Nato und die EU.

2010 schlug Charles A. Kupchan, Professor an der Georgetown University, vor, die Russen in die Nato zu integrieren.1 Das den Russen bei der deutschen Wiedervereinigung gegebene Versprechen der USA, die Nato nicht weiter nach Osten auszudehnen, wurde «vergessen», was den westlichen Mächten ermöglichte, die verschiedenen russischen Regierungschefs ständig zurückzustossen, einzukreisen und zu demütigen. Was auch immer wir vom russischen Regime halten, in den Augen des Westens ist der Hauptfehler Wladimir Putins (und vieler anderer Länder auf der Welt), dass er sich nicht mehr dem westlichen Hegemonialwillen unterzieht.

Nach dem illegalen Krieg gegen den Irak, der zahlenmässigen Ausweitung der Nato-Mitgliedsländer und deren in alle Richtungen ausgeweitetem Aktionskreis bedeutete der Sturz Gaddafis in Libyen und der Staatsstreich in der Ukraine die Übertretung der roten Linie, welche den russischen und chinesischen Widerstand hervorriefen. Sie hatten ja bereits nach der ersten Erweiterung der Nato die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) ins Leben gerufen. Die Operationen in Libyen und in der Ukraine sowie die Unterstützung der zum Sturz des syrischen Regimes entschlossenen «Rebellen» durch den Westen (ab 2006, gemäss Time Magazine vom 19.12.2006) brachten die Russen dazu, die Autonomie der Krim zu unterstützen und in Syrien militärisch einzugreifen.

Obwohl es allgemein bekannt ist, dass die CIA im Jahr 2012 die französischen Präsidentschaftswahlen überwachte und dass die NSA überall auf der Welt Firmen, Organisationen und Einzelpersonen ausspioniert, gehört es heute zum guten Ton, den russischen Führungspersonen die direkte Einmischung in die amerikanischen, französischen und deutschen Wahlen zu unterschieben.

Die europäischen Länder verstärken ihre Anpassung an die Aussenpolitik der USA, inklusive des Embargos gegen Russland. Präsident François Hollande verstärkt noch die Reintegration Frankreichs in das militärische Kommando der Nato, welche Nicolas Sarkozy initiiert hatte.

Und was ist mit den neutralen Ländern? Schweden richtet die allgemeine Wehrpflicht wieder ein. Gleichzeitig wird auf Arte eine Reportage mit dem aufschlussreichen Titel «Kalter Krieg im hohen Norden» ausgestrahlt.2 Der schwedische Generalstab arbeitete einst mit der Nato und den USA zusammen   – ohne Wissen der Regierung von Olof Palme, der für die Entspannung mit Moskau einstand … und daraufhin einem Attentat zum Opfer fiel. Entspricht die Mitgliedschaft der Schweiz bei der Nato-Organisation Partnerschaft für den Frieden (PfP) der Neutralität des Landes? Daniele Ganser zitiert dazu den ehemaligen US-Verteidigungsminister William Perry: «Der Unterschied zwischen einer Nato-Mitgliedschaft und einer Beteiligung an der Nato-Initiative Partnership for Peace muss dünner gemacht werden als ein Blatt Papier.»3 Schweizer Militärflugzeuge überfliegen gemeinsam mit Nato-Flugzeugen die Ostsee.

Nein, die Nato als Angriffsbündnis trägt nichts zu unserer Sicherheit bei. Stützen wir uns auf die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), nehmen wir das Gespräch mit Russland auf und setzen wir die Artikel 46 und 47 der Uno-Charta um, mit denen ein Generalstabsausschuss zur Unterstützung des Sicherheitsrates eingesetzt wird.

Gabriel Galice, Präsident des GIPRI, Autor von «Lettres helvètes 2010  –2014»
Daniele Ganser, Historiker und Friedensforscher, Autor von «Nato-Geheimarmeen in Europa» und «Illegale Kriege   – Wie die Nato-Länder die Uno sabotieren»

Hans von Sponeck, ehemaliger stellvertretender Generalsekretär der Uno

(Übersetzung Zeit-Fragen)

Artikel 46 und 47 der Charta der Vereinten Nationen

Artikel 46

Die Pläne für die Anwendung von Waffengewalt werden vom Sicherheitsrat mit Unterstützung des Generalstabsausschusses aufgestellt.

Artikel 47

  1. Es wird ein Generalstabsausschuss eingesetzt, um den Sicherheitsrat in allen Fragen zu beraten und zu unterstützen, die dessen militärische Bedürfnisse zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit, den Einsatz und die Führung der dem Sicherheitsrat zur Verfügung gestellten Streitkräfte, die Rüstungsregelung und eine etwaige Abrüstung betreffen.
  2. Der Generalstabsausschuss besteht aus den Generalstabschefs der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats oder ihren Vertretern. Ein nicht ständig im Ausschuss vertretenes Mitglied der Vereinten Nationen wird vom Ausschuss eingeladen, sich ihm zu assoziieren, wenn die Mitarbeit dieses Mitglieds für die wirksame Durchführung der Aufgaben des Ausschusses erforderlich ist.
  3. Der Generalstabsausschuss ist unter der Autorität des Sicherheitsrats für die strategische Leitung aller dem Sicherheitsrat zur Verfügung gestellten Streitkräfte verantwortlich. Die Fragen bezüglich der Führung dieser Streitkräfte werden später geregelt.
  4. Der Generalstabsausschuss kann mit Ermächtigung des Sicherheitsrats nach Konsultation mit geeigneten regionalen Einrichtungen regionale Unterausschüsse einsetzen.

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Quelle: Zeit-Fragen
http://www.zeit-fragen.ch/de/ausgaben/2017/nr-8-28-maerz-2017/die-nato-gefaehrdet-unsere-sicherheit.html