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Auch der «Neuen Zürcher Zeitung» muss Einhalt geboten werden

von Karl-Jürgen Müller
Karl-Jürgen Müller ist Lehrer in Deutschland. Er unterrichtet die Fächer Deutsch, Geschichte und Gemeinschaftskunde.
15. Mai 2017

Manchmal ertappt man sich bei der menschlich sehr verständlichen Regung, nun müsse es doch einmal besser werden. Am Samstag, den 13. Mai 2017, wurden solche Regungen erneut eines Besseren belehrt. Leider nicht nur im eigenen Land, sondern auch im Nachbarland Schweiz. Unverfroren folgt die «Neue Zürcher Zeitung» (NZZ) auch heute noch dem 1895 erschienenen Hauptwerk von Gustave Le Bon, «Die Psychologie der Massen».

Buch Beham Kriegstrommeln 2

Mira Beham   – Kriegstrommel

Dort ist zu lesen:

«Die reine, einfache Behauptung ohne Begründung und jeden Beweis ist ein sicheres Mittel, um der Massenseele eine Idee einzuflößen. Je bestimmter eine Behauptung, je freier sie von Beweisen und Belegen ist, desto mehr Ehrfurcht erweckt sie. […] Die Behauptung hat aber nur dann wirklich Einfluss, wenn sie ständig wiederholt wird […] Das Wiederholte befestigt sich so sehr in den Köpfen, dass es schließlich als eine bewiesene Wahrheit angenommen wird. […] Wenn eine Behauptung oft genug und einstimmig wiederholt wurde, […] so bildet sich das, was man eine geistige Strömung nennt, und der mächtige Mechanismus der Ansteckung kommt hinzu. Unter den Massen übertragen sich Ideen, Gefühle, Erregungen, Glaubenslehren mit ebenso starker Ansteckungskraft wie Mikroben.»

NZZ, Gustave Le Bon und Edward Bernays

Oder soll man einen geistigen Nachfahren von Le Bon zitieren, den US-Amerikaner Edward Bernays, der die Propaganda für den Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg koordinierte:

«Die bewusste und intelligente Manipulation der organisierten Gewohnheiten und Meinungen der Massen stellt ein wichtiges Element in der demokratischen Gesellschaft dar. Jene, die diesen unsichtbaren Mechanismus der Gesellschaft manipulieren, bilden eine unsichtbare Regierung, die die wirklich lenkende Herrschaft in unserem Land ausübt.»

Am 13. Mai 2017 hat die NZZ ihrem Feindbild Russland eine neue Krone aufgesetzt. Auf der ersten Seite titelte sie ganz oben: «Putin führt Krieg gegen den Westen». Der halbseitige Beitrag unterstellte dem russischen Präsidenten und dessen Regierung «Wahlkampfmanipulationen in den USA und Europa», belegt diese Behauptung nicht, hält sich aber mit politischen Forderungen nicht zurück:

«Russland muss glaubhaft zu spüren bekommen, dass weitere Manipulationskampagnen schmerzhafte Vergeltung zur Folge hätten.»

Realität wird auf den Kopf gestellt

Was ist zu sagen?

Das erste ist: Die Realität wird von der NZZ auf den Kopf gestellt. Warum verliert sie kein Wort darüber, dass spätestens seit 1991 von Regierungen der EU-Staaten und der USA direkt oder indirekt geförderte NGOs massiven Einfluss auf die osteuropäischen Staaten und insbesondere Russland genommen haben und bis heute zu nehmen versuchen, angeblich zur Förderung von Demokratie, Freiheit und Marktwirtschaft. George Soros, den die NZZ einen Tag zuvor, am 12. Mai, auf vier Seiten als «Philanthrop» (Menschenfreund) «gewürdigt» hatte, ist ja nur ein Synonym für die unzähligen Angriffe auf das Selbstbestimmungsrecht der osteuropäischen Völker. All das ist nachgewiesen. EU-Europa und die USA sind sogar «stolz» darauf. Für sie ist das ein Mittel der Wahl neokolonialer «Entwicklungshilfe».

Das zweite ist: Gustave Le Bon und Edward Bernays formulierten eine falsche Theorie. Menschlich wache und eigenständige Persönlichkeiten lassen sich nicht manipulieren und haben sich ihren kritischen Verstand und ihre Mitmenschlichkeit bewahrt. Sie sind empört: nicht nur über die ständige Wiederholung des Feindbildes Russland, sondern auch über die Geringschätzung, welche die NZZ ihren Lesern entgegenbringt.

Volksverhetzung

Aber leider gilt auch das dritte: Viele Menschen, die nicht die Möglichkeit haben, den Dingen auf den Grund zu gehen, und die auf eine Orientierung durch Leitmedien angewiesen zu sein glauben   – zumal, wenn solche Medien einmal einen guten Ruf hatten   –, werden verunsichert: Wenn Tag für Tag und in allen Schattierungen eine Propagandawalze rollt, dann bleibt das nicht ohne Wirkung. Zu Recht spricht man von Volksverhetzung.

Geistiger Brandstifter

Wenn die NZZ nun schreibt, der russische Präsident führe einen Krieg gegen den Westen, dann ist damit eine tolerierbare Grenze überschritten. Die Zeitung zeigt sich damit als «geistiger Brandstifter», und dies muss öffentlich gesagt und geschrieben werden. Sind sich die Macher dieser Zeitung eigentlich der Verantwortung bewusst, die sie tragen? Wie gut kann jemand noch schlafen, der Kriege bewusst herbeiredet? Genau das tut die NZZ.

Schon 1996 veröffentlichte Mira Beham ein leider viel zu wenig gelesenes Buch mit dem Titel «Kriegstrommeln. Medien, Krieg und Politik». Die NZZ rührt die Kriegstrommeln. Dabei wird die älteste und die primitivste Behauptung aufgestellt: Nicht wir, sondern der Feind will den Krieg. Wir verteidigen uns ja nur. Was werden die Verantwortlichen der NZZ tun, sollte es ähnlich wie am 1. September 1939 heißen: «Seit 5:45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen»?

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