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Von M.K. Bhadrakumar 05.10.2024 - übernommen von indianpunchline.com
8. Oktober 2024

M. K. Bhadrakumar: Westasienkrise veranlasst Biden, das Eis mit Putin zu brechen


Wundern Sie sich nicht, wenn die Krise im Nahen Osten ein Gipfeltreffen zwischen Biden und Putin in Rio de Janeiro dominiert  – falls ein solches Treffen stattfindet.

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Der iranische Präsident Masoud Pezeshkian (rechts) traf am 30. Oktober 2024 in Teheran mit dem russischen Premierminister Michail Mischustin (links) zusammen.

Der US-Präsident Joe Biden sorgte am Donnerstag bei einer Pressekonferenz mit Reportern vor dem Weißen Haus für eine Überraschung, als er ein mögliches Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin bei den bevorstehenden Gipfeltreffen der Gruppe der 20 oder der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft im Grunde nicht ausschloss. Biden signalisierte sozusagen: „Barkis ist bereit.“* Wie er es ausdrückte: „Ich bezweifle, dass Putin auftauchen wird.“

Wie es bei diesen Treffen im Weißen Haus üblich ist, antwortete Biden absichtlich dem TASS-Korrespondenten, der die Frage gestellt hatte, der natürlich wusste, dass Biden wusste, dass eine Reise Putins in die westliche Hemisphäre zur Teilnahme am G20-Gipfel in Rio de Janeiro, Brasilien, am 18. und 19. November im Kreml aktiv in Erwägung gezogen wird.

Biden und Putin haben viel zu besprechen, aber was auffällt, ist, dass Biden nur einen Tag nach dem massiven iranischen Raketenangriff auf Israel, der wie ein Blitz aus heiterem Himmel kam und das Vermächtnis seiner Präsidentschaft dramatisch auf den Kopf stellte, sein Interesse an einem Gespräch signalisierte.

Wundern Sie sich nicht, wenn die Krise im Nahen Osten ein Gipfeltreffen zwischen Biden und Putin in Rio de Janeiro dominiert   – falls ein solches Treffen stattfindet. Der Ukraine-Krieg steuert unaufhaltsam auf einen russischen Sieg zu. Bidens Interesse liegt darin, irgendwie sicherzustellen, dass die Kapitulation der Ukraine   – und die Demütigung der NATO   – bis nach dem 20. Januar vertagt wird. Aber Putin muss kooperieren. Das ist eine Sache.

Was Biden unterdessen schlaflose Nächte bereitet, ist die Lage im Nahen Osten, die unkontrolliert in einen regionalen Krieg münden könnte. Hier ist Putin nicht das Problem, sondern kann die Lösung sein. Das bedarf einiger Erklärungen.

Natürlich sind zwischen Biden und Netanjahu politische Differenzen aufgetreten, was angesichts ihrer jeweiligen Prioritäten als Politiker nur zu erwarten war. Es mag den Anschein haben, dass die aktuelle Krise in den amerikanisch-israelischen Beziehungen ziemlich schwerwiegend ist, aber wie viel davon nur der Optik dient oder wie wenig davon real ist, ist fraglich. Sicherlich ist selbst ein Übergang vom Krieg zu einer neuen diplomatischen Ordnung derzeit nicht in Sicht.

Die USA und Israel sind jedoch auch eng miteinander verbunden. Es steht außer Frage, dass Biden Israel bei seinen Kriegsanstrengungen und der Aufrechterhaltung seiner Wirtschaft nahtlos unterstützt. Und die USA blockieren alle Vorstöße im UN-Sicherheitsrat, die einen Waffenstillstand fordern, was bedeutet, dass Friedensbemühungen nicht einmal beginnen können.

Der iranische Raketenangriff auf Israel muss in diesem Zusammenhang relativiert werden. Er ist weniger als kriegerischer Akt zu sehen, sondern vielmehr als Zwangsmaßnahme, um Israel dazu zu zwingen, seine Bodenoffensive im Libanon einzustellen. Präsident Masoud Pezeshkian hat bekannt gegeben, dass der Iran bisher nur aufgrund der Bitten westlicher Staats- und Regierungschefs, die Verhandlungen über einen möglichen Waffenstillstand in Gaza befänden sich in einer entscheidenden Phase, äußerste Zurückhaltung geübt hat, israelische Gräueltaten zu stoppen. Doch der Westen hat sein Versprechen nicht gehalten, sodass der Iran keine andere Wahl hatte, als zu handeln.

Passivität oder Untätigkeit angesichts des unerbittlichen Vorgehens Israels gegen die palästinensische Bevölkerung mit dem Ziel der ethnischen Säuberung hat für den Iran als Retter der unterdrückten Muslime eine beunruhigende Situation geschaffen. Außerdem wurde auch die gesamte Abschreckungsstrategie des Iran in Frage gestellt.

Biden ist heute wie eine Katze auf einem heißen Blechdach. Ein Krieg im Nahen Osten ist das Letzte, was er will. Aber er hat keine Kontrolle über Netanjahu, der bereits den nächsten Schritt auf der Eskalationsleiter plant. Was den Iran betrifft, so ist seine Verzweiflung über die Niedertracht und den moralischen Bankrott des Westens spürbar. Die Glaubwürdigkeit der USA hat in der gesamten Region Westasiens einen schweren Schlag erlitten.

Auftritt Putins. Auf dem Schachbrett des Nahen Ostens kommt Russland eine große Bedeutung zu. Die Beziehungen zwischen Russland und dem Iran haben heute ein beispielloses Niveau erreicht. Russland hat sich in den letzten Jahren sehr kritisch gegenüber Israel geäußert. Russland hat offen Kontakte zu den Gruppen gepflegt, die die Achse des Widerstands bilden.

Die russische Diplomatie bewegt sich mit Blick auf das „große Ganze“, um den israelisch-palästinensischen Konflikt in den Mittelpunkt der internationalen Politik zu rücken. Im vergangenen Jahr haben sich die Sicherheitskonsultationen zwischen Moskau und Teheran deutlich intensiviert. Es gab Berichte über die Lieferung moderner militärischer Ausrüstung durch Russland zur Stärkung der Luftverteidigungsfähigkeiten des Iran.

Bezeichnenderweise war Russland das einzige Land, das der Iran im Voraus über seinen Raketenangriff auf Israel informiert hat. Laut dem bekannten US-Podcast Judge Napolitano: Judging Freedom (siehe unten), hat die russische Marineflotte im östlichen Mittelmeerraum letzte Woche in der Nähe des Libanon 13 israelische Raketen abgeschossen.

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https://www.youtube.com/watch?v=fe3d_G1Lif0

Offenbar hat ein verzweifelter Netanjahu in den letzten Tagen versucht, Putin telefonisch zu erreichen, aber der Anruf ist noch nicht zustande gekommen. Auch auf diplomatischer Ebene hat Russland betont, dass es den Beziehungen zum Iran höchste Bedeutung beimisst.

Die USA sind sich offenbar der Notwendigkeit bewusst, mit Russland zusammenzuarbeiten. Was akzeptabel sein könnte, wären verhältnismäßige Angriffe der beiden Protagonisten in Westasien, die in sorgfältig abgestimmten Medienkampagnen verpackt werden. Zum Beispiel gezielte Angriffe auf einzelne militärische Einrichtungen, die Israel das Gesicht wahren und einen größeren Krieg vermeiden würden   – ein Szenario, das auch für den Iran vorzuziehen wäre, da es unnötige Risiken vermeidet und die Trümpfe für ein Spiel bewahrt, das sich in die Länge zu ziehen verspricht.

Letztlich kommt es auf die Absichten der USA und Israels an. Die Financial Times zitierte israelische Quellen, wonach der Plan darin bestehe, der iranischen Wirtschaft maximalen Schaden zuzufügen, um das latente „Protestpotenzial“ der iranischen Gesellschaft zu wecken. Die Israelis hoffen offenbar, dass ein glaubwürdiges Programm für einen Regimewechsel in Washington Anklang findet und die USA zum Eingreifen veranlasst.

Wie dem auch sei, Bidens Versuch, mit Putin ins Gespräch zu kommen, deutet darauf hin, dass eine militärische Intervention der USA ausgeschlossen werden soll. Andererseits verleiht der historische russisch-iranische Sicherheitspakt, der voraussichtlich während des bevorstehenden BRICS-Gipfels vom 20. bis 22. Oktober in Kasan, Russland, unterzeichnet wird, dem Iran eine weitaus größere strategische Tiefe für Verhandlungen mit dem Westen.

Russland hat ein eigenes Interesse daran, die Verteidigungsfähigkeit des Iran zu stärken und die breit angelegte bilaterale Zusammenarbeit voranzutreiben, die unter den Bedingungen der Sanktionen auf der Wirtschaftsagenda verankert ist, während gleichzeitig die Integration des Iran in Moskaus Projekt „Greater Eurasia“ vorangetrieben wird. Kurz gesagt ist Russland heute als Akteur in einem stabilen und berechenbaren Iran, der mit sich selbst und der Region im Frieden ist, einzigartig positioniert.

Der russische Vice-Außenminister Sergej Rjabkow erklärte am Donnerstag in Moskau gegenüber Reportern: „Wir stehen in engem Kontakt mit dem Iran über die aktuelle Situation. Wir haben in verschiedenen Bereichen eine hervorragende Erfahrung in der Zusammenarbeit gemacht. Ich denke, dies ist der Moment, in dem unsere Beziehungen besonders wichtig sind.“ Übrigens empfing Präsident Pezeshkian den russischen Premierminister Michail Mischustin am Montag, dem 30. September, in Teheran, nur wenige Stunden vor dem Abschuss der iranischen ballistischen Raketen auf Israel.

Auf einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats, die sich mit den Entwicklungen in Westasien befasste, erklärte der ständige Vertreter Russlands bei den Vereinten Nationen, Vasily Nebenzya, am Mittwoch: „Im Rahmen seines Mandats zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit muss der UN-Sicherheitsrat Israel dazu zwingen, die Feindseligkeiten unverzüglich einzustellen. Sie und ich sollten auch alles in unserer Macht Stehende tun, um die Voraussetzungen für eine politische und diplomatische Lösung zu schaffen. In diesem Zusammenhang nehmen wir das Signal Teherans zur Kenntnis, dass es nicht bereit ist, die Konfrontation weiter anzuheizen.“

Interessanterweise ließ der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow nicht lange auf sich warten, um Bidens Bemerkung zu einem Treffen mit Putin aufzugreifen. Er sagte am Freitag: „Es gab keine Gespräche zu diesem Thema und zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine Voraussetzungen dafür. Der Präsident hat jedoch wiederholt erklärt, dass er weiterhin für alle Kontakte offen ist.“

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* Barkis ist eine Figur aus Charles Dickens' Roman David Copperfield. In der Geschichte ist Barkis ein Kutscher, der für seine einfache, aber humorvolle Art der Werbung um Peggotty, eine Bedienstete im Haushalt von David Copperfield, bekannt ist. Sein berühmter Satz "Barkis ist willig" ist seine indirekte Art, Peggotty einen Heiratsantrag zu machen. Barkis wird als freundlicher, aber etwas unbeholfener Charakter dargestellt, und seine spätere Heirat mit Peggotty ist eine der vielen Nebenhandlungen im Roman.

Quelle: https://www.indianpunchline.com/west-asian-crisis-prompts-biden-to-break-ice-with-putin/
Die Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus