M. K. Bhadrakumar: Russland verbündet sich mit dem Iran, die Kriegswolken zerstreuen sich
Der iranische Oberste Führer Ayatollah Ali Khamenei (L) hat sich mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am 19. Juli 2022 in Teheran getroffen.
Israel hat offenbar seinen geplanten Angriff auf den Iran auf Eis gelegt. Dieser Rückzug ist auf eine Kombination von Umständen zurückzuführen, die Israels eigene hochtrabende Rhetorik, man sei bereit zum Losschlagen, Lügen straft.
Trotz Israels brillantem Medienmanagement sind Berichte aufgetaucht, dass der iranische Raketenangriff am 1. Oktober ein spektakulärer Erfolg war. Es war eine Demonstration der Abschreckungsfähigkeit des Iran, Israel, wenn nötig, zu vernichten. Die Unfähigkeit der USA, iranische Hyperschallraketen abzufangen, hatte seine eigene Botschaft. Der Iran behauptet, dass 90 Prozent seiner Raketen das israelische Luftverteidigungssystem durchdrungen haben.
Will Schryver, ein technischer Ingenieur und Sicherheitskommentator, schrieb auf X: „Ich verstehe nicht, wie jemand, der die vielen Videoclips der iranischen Raketenangriffe auf Israel gesehen hat, nicht erkennen und anerkennen kann, dass es sich um eine beeindruckende Demonstration der iranischen Fähigkeiten handelte. Die ballistischen Raketen des Iran durchbrachen die US-amerikanische/israelische Luftabwehr und trafen mehrere israelische Militärziele mit großen Sprengköpfen.“
Offensichtlich gab es in der darauf folgenden Paniksituation in Israel, wie der US-Präsident Joe Biden es ausdrückte, am 4. Oktober noch keine Entscheidung darüber, welche Art von Reaktion Israel gegen den Iran ergreifen sollte. „Wenn ich an ihrer [israelischen] Stelle wäre, würde ich über andere Alternativen nachdenken als den Angriff auf Ölfelder“, sagte Biden bei einem seiner seltenen Auftritte im Briefing-Raum des Weißen Hauses, einen Tag nachdem israelische Beamte erklärt hatten, dass eine „bedeutende Vergeltungsmaßnahme“ unmittelbar bevorstehe.
Biden fügte hinzu, dass die Israelis „noch nicht entschieden haben, wie sie – was sie tun werden“ als Vergeltung. Biden sagte Reportern auch, dass der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu bei der Entscheidung über die nächsten Schritte an die Unterstützung der USA für Israel denken sollte. Er behauptete, dass er versuche, die Welt zu mobilisieren, um einen umfassenden Krieg in Westasien zu vermeiden.
In dieser Pantomime ist es sicherer, Biden zu glauben, denn die ehrliche Wahrheit ist, dass Israel ohne die Beiträge und die praktische Hilfe der USA sowie deren Geld und direkte Intervention einfach nicht die Kraft hat, es mit dem Iran aufzunehmen. Israels regionale Dominanz beschränkt sich auf die Durchführung von Mordanschlägen und Angriffe auf unbewaffnete Zivilisten.
Aber auch hier ist fraglich, wie autark Israel gegenüber dem Iran ist. Berichten zufolge haben die neuen technologischen Erkenntnisse der USA den Aufenthaltsort des Hisbollah-Führers Sayyed Nasrallah lokalisiert, der an Israel weitergegeben wurde, was zu dessen Ermordung führte.
Interessanterweise trat CIA-Direktor William Burns auf den Plan, um die Gerüchte zu widerlegen, dass der Iran am Samstag einen Atomtest durchgeführt habe. In einer Rede auf einer Sicherheitskonferenz am Montag erklärte Burns, dass die USA die nuklearen Aktivitäten des Iran genau beobachtet hätten, um Anzeichen für eine rasche Entwicklung hin zu einer Atombombe zu erkennen.
„Wir sehen heute keine Beweise dafür, dass eine solche Entscheidung getroffen wurde. Wir beobachten das sehr genau“, sagte er. Burns machte damit einem weiteren Alibi für einen Angriff auf den Iran einen Strich durch die Rechnung.
Ein entscheidender Faktor, der Israel/die USA dazu gezwungen hat, einen Angriff auf den Iran aufzuschieben, ist die strenge Warnung Teherans, dass jeder Angriff auf seine Infrastruktur durch Israel mit einer noch härteren Reaktion beantwortet werden würde. „Bei unserer Reaktion zögern wir weder noch überstürzen wir etwas“, um Außenminister Abbas Araghchi zu zitieren, der übrigens am Wochenende eine Reise in den Libanon und nach Syrien unternahm, um Israel eine trotzige „Botschaft“ zu übermitteln – wie er es ausdrückte –, dass „der Iran den Widerstand stark unterstützt hat und ihn immer unterstützen wird“.
Am 4. Oktober hatte der Oberste Führer Ayatollah Ali Khamenei in einer seltenen öffentlichen Predigt den Raketenangriff des Iran auf Israel verteidigt und erklärt, er sei „rechtmäßig und legal“ und Teheran werde ihn „bei Bedarf“ wiederholen. Während der Freitagsgebete in Teheran sprach Khamenei sowohl auf Persisch als auch auf Arabisch und sagte, der Iran und die Achse des Widerstands würden vor Israel nicht zurückweichen. Der Iran werde bei der Konfrontation mit Israel weder „zögern noch hastig handeln“, um seine Pflicht zu erfüllen, erklärte Khamenei.
Was die Israelis jedoch abschreckt und die Amerikaner beunruhigt, ist etwas anderes – Russlands immer länger werdende Schatten auf dem westasiatischen Teppich.
Amerikanische Militäranalysten haben bekannt gegeben, dass in den letzten Wochen bestimmte hochmoderne russische Waffen an den Iran übergeben wurden, unterstützt durch die Entsendung von russischem Militärpersonal zur Bedienung dieser Systeme, darunter S‑400‑Raketen. Es wird spekuliert, dass der Sekretär des russischen Sicherheitsrates (ehemaliger Verteidigungsminister) Sergei Shoigu in jüngster Zeit zwei geheime Besuche im Iran durchgeführt hat.
Offenbar hat Moskau auch auf die iranische Anfrage nach Satellitendaten für Ziele in Israel für den Raketenangriff am 1. Oktober reagiert. Russland hat den Iran auch mit dem elektronischen Langstrecken-Kriegsführungssystem „Murmansk-BN“ beliefert.
Das „Murmansk-BN“-System ist ein leistungsstarkes EW-System [EW = Electronic Warfare], das feindliche Funksignale, GPS, Kommunikationssysteme, Satelliten und andere elektronische Systeme in einer Entfernung von bis zu 5.000 km stören und abfangen, „intelligente“ Munition und Drohnensysteme neutralisieren und hochfrequente Satellitenkommunikationssysteme der USA und der NATO stören kann.
Die russische Beteiligung an der Konfrontation zwischen dem Iran und Israel könnte das Blatt wenden. Aus Sicht der USA wird dadurch das beunruhigende Szenario einer direkten Konfrontation mit Russland heraufbeschworen, die sie nicht wollen.
In diesem Zusammenhang haben offizielle russische Nachrichtenagenturen am Sonntag den Präsidentenberater Juri Uschakow zitiert, dass Putin plane, sich am 11. Oktober in der turkmenischen Hauptstadt Aschgabat mit seinem iranischen Amtskollegen Masud Pezeshkian zu treffen.
Uschakow ging nicht näher auf das Treffen ein. Dies kommt in der Tat überraschend, da die beiden Staatsoberhäupter auf dem BRICS-Gipfel in der russischen Stadt Kasan vom 22. bis 24. Oktober erneut zusammentreffen sollen.
Natürlich geben sich auch die Iraner bedeckt. Sowohl Moskau als auch Teheran gaben bekannt, dass ihre Präsidenten am 11. Oktober Aschgabat besuchen würden, um an einer Zeremonie zum 300. Geburtstag des turkmenischen Dichters und Denkers Magtymguly Pyragy teilzunehmen. Nebelkerzen und Täuschungsmanöver! (hier und hier)
Es ist durchaus denkbar, dass Moskau und Teheran angesichts der zunehmenden regionalen Spannungen die formelle Unterzeichnung des russisch-iranischen Verteidigungspakts, die ursprünglich in Kasan stattfinden sollte, vorgezogen haben.
In diesem Fall würde die Veranstaltung am Donnerstag an den außerplanmäßigen Besuch des damaligen sowjetischen Außenministers Andrei Gromyko in Neu-Delhi zur Unterzeichnung des historischen Vertrags über Frieden, Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen Indien und der UdSSR am 9. August 1971 erinnern.
Interessanterweise fügte Uschakow hinzu, dass Putin kein Treffen mit Netanjahu plane. Putin hat noch nicht auf Netanjahus vor fünf Tagen geäußertes Ersuchen um ein Telefongespräch reagiert. Eine Legende, die Netanjahu in den letzten Jahren erfunden hat, um sein heimisches Publikum zu beeindrucken (und die arabische Straße zu verwirren), nämlich dass er eine besondere Beziehung zu Putin habe, löst sich auf.
Andererseits macht der Kreml Washington und Tel Aviv mit der Ansetzung eines dringenden Treffens in Aschgabat – tatsächlich war der turkmenische Präsident Serdar Berdimuhamedow erst am Montag/Dienstag zu einem Arbeitsbesuch in Moskau – deutlich, dass Moskau sich unwiderruflich Teheran angeschlossen hat und letzterem helfen wird, koste es, was es wolle. (Siehe meinen Blog West Asian crisis prompts Biden to break ice with Putin [Westasienkrise veranlasst Biden, das Eis mit Putin zu brechen], Indian Punchline, 5. Oktober 2024)
Wiederholt sich hier nicht die Geschichte? Der indisch-sowjetische Vertrag von 1971 war der folgenreichste internationale Vertrag, den Indien seit seiner Unabhängigkeit geschlossen hat. Es handelte sich nicht um ein Militärbündnis. Aber die Sowjetunion stärkte die militärischen Fähigkeiten Indiens für einen bevorstehenden Krieg und schuf Raum für Indien, um die Grundlage für seine strategische Autonomie und seine Fähigkeit zu unabhängigem Handeln zu stärken.
Quelle: https://www.indianpunchline.com/russia-aligns-with-iran-war-clouds-scatter/
Mit freundlicher Genehmigung von indianpunchline.com
Die Übersetzung besorgte Andreas Mylaeus
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