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Kann die Türkei ins russische Lager kippen?

von Thierry Meyssan
11. Januar 2017
Auch wenn Russland historisch ein schweres Passiv mit der Türkei hat, und selbst wenn es an die persönliche Rolle des derzeitigen Präsidenten Erdoğan während des ersten Tschetschenien-Krieges gegen Russland denkt, kann es einen möglichen Austritt von Ankara aus der NATO nur als interessant bewerten. Umgekehrt, der Tiefe Staat US, der seine imperialen Ambitionen trotz der Wahl von Donald Trump weiter vorantreibt, ist zu allem bereit, um die Türkei in der NATO zu halten.

Um sein persönliches Überleben zu sichern hat Präsident Recep Tayyip Erdoğan eine umfangreiche Säuberung von allen Pro-US Elementen in seinem Land unternommen; eine Säuberung, die zu dem Kampf gegen Syrien, gegen die PKK, und nun auch gegen seine ehemaligen Söldner von Daesch hinzukommt.

Die Zerstörung des amerikanischen Einflusses begann zunächst mit der Beseitigung der Hizmet von Fethullah Gülen, dem islamistischen Prediger, der von Pennsylvania aus für die CIA arbeitet. Sie geht heute weiter mit der Entlassung und oft mit der Verhaftung von allem Militär, nicht nur mit dem, das mit den Vereinigten Staaten verbunden war, sondern auch ganz allgemein mit dem säkularen Militär. Man kann nie vorsichtig genug sein.

450 von den 600 türkischen höheren Offizieren, die in der NATO dienen, wurden in die Türkei zurückgerufen. Mehr als 100 von ihnen und ihre Familien haben in Belgien, Sitz des Atlantischen Bündnisses, politisches Asyl beantragt.

Die erste Konsequenz dieser anti-laizistischen Säuberung ist die Enthauptung der türkischen Armee, und zwar für lange Zeit. Innerhalb von fünf Monaten wurden 44 % der Generäle verabschiedet. Und dies obwohl während des Ergenekon Skandals 70 % der damaligen Offiziere entlassen, verhaftet und eingesperrt wurden. Ohne Kommando, ist die Operation ’Schild des Euphrat’ jetzt festgefahren.

Erdoğan ist daher gezwungen, seine militärischen Ambitionen für die kommenden Jahre zurückzuschrauben; sowohl in Syrien, in Irak als auch in Zypern — drei Staaten die er teilweise besetzt —. Er hat daher Ost-Aleppo (Syrien) fallen gelassen — aber nicht Idlib — und bereitet sich vor, von Baschika (Irak) abzuziehen.

Für Washington ist ein möglicher Austritt der Türkei aus der NATO, oder nur aus der integrierten Kommandostruktur des Atlantischen Bündnisses, ein Grund, der der imperialistischen Fraktion einen Angstschweiß ausbrechen lässt. Was die Zahl der Truppen angeht, ist die türkische Armee in der Tat die zweitgrößte der NATO nach den Vereinigten Staaten. Im Gegenteil, ein möglicher Ausstieg aus dem Bündnis ist eher eine Erleichterung für die Fraktion von Donald Trump, für die die Türkei ein Land ohne festen Halt ist.

Daher das Forcieren der Neokonservativen, um die Türkei in die "Richtung der Geschichte" zu bringen (jene, eines "neuen amerikanischen Jahrhunderts"). So versucht die Vize-Außenministerin, Victoria Nuland, Recep Tayyip Erdoğan Zypern anzubieten. Ein Projekt, das sie nach den Wahlen vom November 2015 konzipiert hatte, als Präsident Barack Obama befahl, den türkischen Präsidenten zu beseitigen.

Mittels einer Erpressung des zypriotischen Präsidenten Nikos Anastasiades, bat Frau Nuland ihn, ihren „Friedensplan“ für Zypern zu akzeptieren: die Insel sollte wiedervereinigt und demilitarisiert werden — d.h. ohne ihre eigene Armee —, während die NATO — konkret also die türkischen Truppen — sich dann dort entfalten würden. So könnte die türkische Armee ihre Eroberung der Insel kampflos abschließen. Für den Fall, dass Präsident Anastasiadis auf diesen faulen Handel nicht eingehen sollte, könnte er in New York wegen seiner Beteiligung als Rechtsanwalt in den Angelegenheiten des Unternehmens „Imperium“ seines russischen Freundes Leonid Lebedev belangt werden. Ein 2 Milliarden Dollar Geschäft.

Somit würde der Bruch mit der NATO der Türkei den von ihr besetzten Nordosten Zyperns kosten, während ihr Verbleiben in der Atlantischen Allianz ihr die ganze Insel einbringen würde.

Natürlich sollte Victoria Nuland in wenigen Wochen durch den neuen Secretary of State, Rex Tillerson, abgelöst werden, aber die Gruppe, die sie repräsentiert, sollte trotzdem nicht alle Macht einbüßen.

Frau Nuland ist Mitglied der Gründerfamilie des Project for a New American Century, die an der Planung der Ereignisse des 11. September beteiligt war. Ihr Schwiegervater, Donald Kagan vom Hudson Institute, hat die Neokonservativen und die Nachfolger von Leo Strauss mit der militärischen Geschichte von Sparta ausgebildet. Ihr Schwager, Frederick Kagan vom American Enterprise Institute, hat die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Generäle David Petraeus und John R. Allen gemacht. Ihre Schwägerin, Kimberly Kagan, hat das Institute for the Study of War geschaffen. Ihr Ehemann, Robert Kagan, wird jetzt von dem ehemaligen Emir von Katar an der Brookings Institution bezahlt. Vier Figuren, fünf Think-Tanks, aber nur eine Ideologie.

Victoria selbst, war sukzessive Botschafterin bei der NATO, Sprecherin für Hillary Clinton und Organisatorin des Staatsstreiches von Kiew im Februar 2014. Sie half den Präsidenten Petro Poroschenko und Erdoğan, die "islamische internationale Brigade" offiziell zu erstellen, welche umfangreiche Sabotage in Russland verursacht hat. Ihr Werk wird von dem Tiefen Staat US gegen die Trump-Administration weitergeführt werden.

Es ist die Gruppe hinter Kagan, die den Krieg in Syrien weiterführt, ohne jegliches andere Ziel, als an der Macht zu bleiben. Nicht nur Präsident Barack Obama hat es nicht vermocht, sie aus seiner Regierung zu verjagen, sondern eine Figur wie Victoria Nuland, die schon in der Bush-Administration als eine führende Persönlichkeit eingestuft wurde, hatte keine Schwierigkeiten, in den Reihen der demokratischen Verwaltung Karriere zu machen und eine Welle von Russenhass zu organisieren. Wenn sie auch in gutem Einvernehmen mit Hillary Clinton arbeitete, hielt sie nicht ein, mit ihrem Freund Jeffrey Feltman, dem wahren Boss der Vereinten Nationen, die Diplomatie des Außenministers John Kerry zu sabotieren.

Da Moskau die Fähigkeit von Erdoğan kennt, abrupt seine Strategie zu ändern, muss Moskau entweder die Ängste von Anastasiadis beruhigen, oder Ankara etwas Verlockenderes vorschlagen, um die Türkei genau in der Mitte, zwischen den Vereinigten Staaten und Russland, zu behalten.

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Mehr:
http://www.voltairenet.org/article194819.html

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Quelle: VOLTAIRENET
http://www.voltairenet.org/article194885.html
Horst Frohlich