Skip to main content

Fremde Teufel auf dem Weg nach Afghanistan

M. K. BHADRAKUMAR 12. März 2023 übernommen von indianpunchline.com
13. März 2023
Am 7. März trafen sich die westlichen Mächte in Paris zu einer nichtöffentlichen Sitzung über die Taliban und die Lage in Afghanistan. Es handelte sich um ein exklusives Treffen der Sonderbeauftragten und Gesandten für Afghanistan von Australien, Kanada, der Europäischen Union, Frankreich, Deutschland, Italien, Norwegen, der Schweiz, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten.

indian p. united nations women 2023 03 08 08 59 15
Sitzung des UN-Sicherheitsrats zum Thema Frauen und Frieden und Sicherheit im UN-Hauptquartier, New York, 7. März 2023

[Übersetzung für seniora.org und Kurzkommentar von Andreas Myläus: Nachdem Russland und China mit dem Iran-Saudi-Deal die Weltbühne übernommen haben, zeigt sich in der indischen Sicht, dass der Westen auch in Zentralasien und zunehmend auch in Afrika sämtliche Optionen verloren hat. Die Welt verändert sich zum Besseren!]

Die zufällige Auswahl war auffällig   – Augen auf!   – Türkei raus, Norwegen rein. Vermutlich traut der Westen den Türken nicht zu, Geheimnisse zu bewahren. Aber Norwegen macht sich als europäisches Land mit einem erstklassigen Geheimdienstapparat, der westlichen Interessen gedient hat, unentbehrlich.

Seltsamerweise haben auch Australien und Kanada teilgenommen, aber die gehören ja auch zu den Five Eyes. [Anm. des Übersetzers: Die Five Eyes sind ein Geheimdienstbündnis, dem Australien, Kanada, Neuseeland, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten angehören. Die Ursprünge des Bündnisses gehen auf den Zweiten Weltkrieg zurück, als die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich vereinbarten, nachrichtendienstliche Informationen auszutauschen. Im Laufe der Zeit wurde das Bündnis auf die anderen drei Länder ausgeweitet.] Und die Five Eyes gehen überall dorthin, wo eine Agenda zur Destabilisierung Russlands oder Chinas ins Spiel gebracht wird. Washington entscheidet über solche Dinge.

Das Pariser Treffen lässt die Alarmglocken läuten. Am 7. März fand im UN-Hauptquartier in New York eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats zum Thema Frauen und Frieden statt, bei der die US-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield interessanterweise die "Gewalt und Unterdrückung von Frauen und Mädchen" in Afghanistan, im Iran und in den "von Russland besetzten Gebieten der Ukraine" angesprochen hat.

Das übermäßige Interesse Frankreichs an der Ausrichtung des Treffens ist nicht überraschend. Frankreich unterstützt die so genannte Nationale Widerstandsfront Afghanistans [National Resistance Front of Afghanistan   – NRFA], die von den Panjshiris angeführt wird, die Ahmad Massoud, dem ältesten Sohn des antisowjetischen Militärführers Ahmad Schah Massoud, treu sind.

Präsident Emmanuel Macron warb beim tadschikischen Präsidenten Emomali Rahmon dafür, sein Land als Zufluchtsort für die NRFA zur Verfügung zu stellen, um mit westlicher Hilfe einen bewaffneten Aufstand gegen die Taliban-Regierung in Kabul durchzuführen.

Macron ist es ein Dorn im Auge, dass die russische Wagner-Gruppe die französischen Truppen in der Sahelzone in Nordafrika ersetzt hat, die seit der Entsendung von Truppen nach Burkina Faso, Tschad, Mali, Mauretanien und Niger im Jahr 2015 Frankreichs Laufstall gewesen war, um Militärbasen einzurichten, angeblich zur Bekämpfung von "Dschihadisten".

Doch die französische Präsenz wurde in der Region zunehmend unpopulär und die islamistische Bedrohung nahm zu, während sich Frankreich in seinen ehemaligen Kolonien in die lokale Politik einmischte. Schließlich wurden Macrons Motive in den Augen der Afrikaner suspekt und der Eindruck wuchs, dass die französische Expeditionsstreitmacht eher wie eine Besatzungsmacht agierte.

Als die afrikanischen Staaten begannen, die französischen Kontingente durch die russische Wagner-Gruppe zu ersetzen, verkündete Macron im November das Ende seiner gefeierten "Operation Barkhane".

Macron sucht nach Möglichkeiten, Russland in seinem eigenen Hinterhof im Kaukasus und in Zentralasien zurückzudrängen. Aber er überschätzt seine Bedeutung. Nichtsdestotrotz äußerte das Pariser Treffen am Dienstag "große Besorgnis über die zunehmende Bedrohung durch terroristische Gruppen in Afghanistan, darunter ISKP, Al-Qaida, Tehrik-i-Taliban-Pakistan und andere, die die Sicherheit und Stabilität innerhalb des Landes, in der Region und darüber hinaus stark beeinträchtigt, und forderte die Taliban auf, die Verpflichtung Afghanistans zu erfüllen, diesen Gruppen keinen sicheren Zufluchtsort zu gewähren." Die gemeinsame Erklärung ist sorgfältig formuliert   – ein Alibi für die westliche Intervention ist jetzt verfügbar. [Hervorhebung hinzugefügt].

Den Taliban ist es in der Tat gelungen, ihre Herrschaft vor Ort trotz großer Schwierigkeiten zu stabilisieren. Aber die westlichen Mächte sind wütend darüber, dass die Taliban sich nicht mehr um eine Zusammenarbeit mit ihnen bemühen. Die Unterstützung der NRFA durch den Westen hat die Taliban verärgert. Die Taliban sehen in der NRFA die Rückkehr der vom Westen finanzierten Warlords.

Die NRFA hat sich nicht durchsetzen können. Trotz Macrons persönlicher Diplomatie mit Rahmon kann dieser es sich nicht leisten, Moskau zu verärgern   – und die oberste Priorität des Kremls ist es, die Sicherheitslage in Afghanistan irgendwie zu stabilisieren. Die Russen und die Chinesen sind bereit, mit den Taliban zusammenzuarbeiten und sie zu Beteiligten an der Sicherheit und Stabilität ihres Landes zu machen.

Am selben Tag, an dem sich die westlichen Mächte in Paris versammelten, kündigte Delhi an, dass es eine weitere Lieferung von 20.000 Tonnen Weizen über die Chabahar-Route als humanitäre Hilfe nach Afghanistan verschiffen werde. Der russische Botschafter in Kabul, Dmitri Schirnow, sprach auch über das sich vertiefende Engagement Russlands mit den Taliban, das sich auf wirtschaftliche Beziehungen konzentriert. (Interessanterweise teilte der Botschafter mit, dass Moskau den strategisch äußerst wichtigen Salang Tunnel   – ein sowjetisches Erbe   –, der Kabul mit Nordafghanistan und Zentralasien verbindet, reparieren und wieder eröffnen könnte).

China hat vor kurzem ein Öl- und Gasgeschäft im Wert von 540 Millionen Dollar unterzeichnet und eine Vereinbarung über die Ölförderung im Amu-Darja-Becken in Nordafghanistan getroffen. Eines der ersten Telefongespräche, das der neue Außenminister Qin Gang nach seiner Ernennung führte, bestand darin, den Taliban-Kollegen in Kabul anzurufen und auf die Sicherheitsbedenken in Afghanistan hinzuweisen. Zweifellos spiegelten sich ähnliche Bedenken auch in dem Treffen zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem indischen nationalen Sicherheitsberater Ajit Doval im Kreml wider.

Russland ist sehr an einer Zusammenarbeit mit Indien in Bezug auf Afghanistan interessiert. China teilt die russische Sorge um die Sicherheit und Stabilität Afghanistans. Die USA und die EU sind hingegen der Ansicht, dass Russlands Sorgen im Ukraine-Konflikt ein günstiger Zeitpunkt sind, um den zentralasiatischen Topf umzurühren. Aber das ist eine vereinfachende, eigennützige Annahme.

US-Außenminister Antony Blinken, der im vergangenen Monat Zentralasien bereiste, musste zu seinem Entsetzen feststellen, dass die Staaten der Region einfach kein Interesse daran haben, sich in Washingtons Nullsummenspiel verwickeln zu lassen. Die gemeinsame Erklärung, die nach Blinkens Treffen mit seinen zentralasiatischen Amtskollegen veröffentlicht wurde, enthielt keinerlei russland- (oder china-) -kritische) Hinweise.

Prof. Melvin Goodman von der Johns Hopkins University und bekannter Autor, der früher als CIA-Analyst tätig war, bezeichnete Blinkens Reise nach Zentralasien, die erste eines hochrangigen Beamten der Biden-Administration in die Region, als "einen Irrweg, der lediglich die Vergeblichkeit der US-Bemühungen um eine doppelte Eindämmung Russlands und Chinas aufzeigte... Alle fünf zentralasiatischen Länder weigerten sich, die Vereinigten Staaten bei der UN-Resolution vom letzten Monat zu unterstützen, in der Russland aufgefordert wurde, seine Truppen aus der Ukraine abzuziehen und die volle Souveränität der Ukraine über ihr Territorium anzuerkennen. Alle fünf zentralasiatischen Länder werden auf die Unterstützung Russlands oder Chinas angewiesen sein, wenn sie mit interner Opposition in ihren eigenen Ländern konfrontiert sind."

Die neutrale Haltung der zentralasiatischen Staaten steht im Einklang mit ihrer unabhängigen Position gegenüber den abtrünnigen ex-sowjetischen Regionen Abchasien, Ossetien, Krim, Lugansk, Donezk, Saporoshja und Cherson. Das Wichtigste ist: Moskau hat den Zentralasiaten nie gedroht: "Entweder ihr seid mit uns oder gegen uns.“

Die Zentralasiaten haben den Rückzug der westlichen Allianz aus Afghanistan miterlebt und werden sie nicht als verlässliche Sicherheitsgaranten betrachten. Sie sind auch misstrauisch gegenüber dem Tändeln des Westens mit extremistischen Gruppen. In Zentralasien ist die Überzeugung weit verbreitet, dass der Islamische Staat eine amerikanische Schöpfung ist. Die westlichen Länder verfolgen vor allem eine merkantilistische Außenpolitik, die auf die Bodenschätze der Region schielt, aber kein Interesse an der Entwicklung der Region hat. Zudem sind sie aufdringlich und präskriptiv.

Auf dem Pariser Treffen hätten die Amerikaner hinter verschlossenen Türen zu verstehen gegeben, dass die zentralasiatischen Staaten einen Regimewechsel in Afghanistan nicht unterstützen werden. Selbst Tadschikistan, das ethnische Gemeinsamkeiten mit der tadschikischen Bevölkerung Afghanistans hat, wird sich von der NRFA distanzieren, um nicht in einen afghanischen Bürgerkrieg hineingezogen zu werden. Macron hält sich für einen geborenen Charmeur, aber Rahmon ist ein knallharter Realist.

Da es den USA und ihren Verbündeten nicht gelungen ist, die Taliban zum Einlenken zu bewegen, sie aber auch nicht in der Lage waren, eine Anti-Taliban-Widerstandsbewegung aufzubauen oder die zentralasiatischen Staaten dazu zu bewegen, sich von Moskau und Peking abzukoppeln, besteht die reale Gefahr, dass ihnen nun die einzige verbleibende Option bleibt, nämlich anarchische Bedingungen in Afghanistan zu schaffen, bei denen es keine Gewinner gibt.

Der Aufstieg des Islamischen Staates und seine offenen Drohungen gegen die russischen, pakistanischen, chinesischen, iranischen und indischen Botschaften in Kabul sind Wegweiser. Das Pariser Treffen der westlichen Spione und "Diplomaten" war eine Bestandsaufnahme.

indian p. Bradrakhumar Photo 2 1024x677
M. K. BHADRAKUMAR

Quelle: https://www.indianpunchline.com/foreign-devils-on-the-road-to-afghanistan/

Weitere Beiträge in dieser Kategorie