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«Extending the US»  – «die USA überfordern»  – die Russen beim Schachspiel  – Analyse

Russland lädt die USA zum Schachspiel ein. Die eindimensionalen «Shooter-Gamer» aus dem Pentagon sind mit dem Schnell-Schach des Kremls komplett überfordert. Die Risiken nehmen zu.
Von Peter Hänseler 29.06.2024 - übernommen von voicefromrussia.ch
30. Juni 2024

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Einleitung

Wir mögen uns an die grosse Publikation der Rand Corporation aus dem Jahre 2019 mit dem Titel «Extending Russia» (deutsch: «Russland überfordern») erinnern: Der Titel war Programm: Russland schwächen. Auf 354 Seiten wurde in dieser Gebrauchsanweisung darüber sinniert, wie man Russland fertigmachen kann, wirtschaftlich, militärisch, wissenschaftlich, gesellschaftlich.

Die Offensive zur Schwächung Russlands haben die Amerikaner 1990 begonnen, 2014 beschleunigt und seit 2022 führen sie mit ihren Stellvertretern Krieg gegen den Bären. Dieser schien träge, wehrte zwar alle Schläge ab, liess sich bis jetzt jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Dennoch, es scheint sich etwas zu tun; Russland positioniert seine Schachfiguren präzis, grazil, maliziös: Die Amerikaner sind sprachlos und überfordert.

Das berühmte Sommerloch nutzen die Russen für eine prickelnde Partie Schach mit den Amerikanern, welche bekanntlich eher Shooter Games zugeneigt sind. Schnelles strategisches und vernetztes Denken scheint nicht die Stärke von Washington zu sein. Mit grosser Behändigkeit führen die Russen Springer, Läufer und Bauern, dass dem Pentagon schwindlig wird: Washington ist überrascht und scheint überfordert.

Das Pentagon wollte den Russen mit Herrn Selenski an ihrer Westgrenze den Garaus machen   – ein Schachbrett hat jedoch 64 Felder und nicht nur eines   – die Russen nutzen das gesamte Spielfeld.

Wir kommentieren die ersten offensiven Schachzüge der Russen, welche ein Spiel eröffnen, dessen Fronten sich um den ganzen Globus ranken, von der Grenze der USA bis in Länder, wo die Amerikaner bereits Kriege verloren haben: Korea und Vietnam.

Schachzug 1   – Charkow

Militärisch eröffnen die Russen das Spiel mit der Eröffnung der Charkow-Front. Ist das eine russische Grossoffensive?   – Fehlanzeige. Der Hauptgrund der Russen für die Eröffnung dieser Front im Norden ist einzig die bereits vorher über 1’000 km lange Front noch einmal um ca. 400 km zu verlängern. Dies zwingt die Ukrainer, Truppen aus anderen Frontabschnitten in den Norden zu verlegen. Die Russen haben Grenzstädte im Norden eingenommen, haben sich eingegraben und mussten nicht lange warten, bis die Ukrainer Truppen gegen sie warfen. Ergebnis: Noch nie waren die ukrainischen Tagesverluste so hoch. Gleichzeitig stossen die Russen an der bisherigen Front dort vor, wo die Ukrainer Truppen abgezogen haben. Die Ukrainer verbluten. Es ist ein grausames Treiben.

Dem Westen scheinen die riesigen ukrainischen Verluste keine Probleme zu bereiten. Die Schweiz als Schosshund der Ukrainer hielt unter der Vorspiegelung der Suche nach Frieden eine Kriegskonferenz ab. Ergebnis: Für den Frieden: Null; für weitere Waffenlieferungen: Eins.

Schachzug 2   – Kuba

Man mag sich an 1962 erinnern, als Chruschtschow Atomraketen auf Kuba stationierte, die Welt den Atem anhielt und der 3. Weltkrieg vor der Tür stand. Selbstverständlich fanden sich die Sowjets in den Augen des Westens in der Rolle des Aggressors   – «grundlos brachte die Sowjetunion die Welt an den Rand des 3. Weltkriegs», so der Tenor. JFK ging als Sieger von der Bühne. Der kleine Schönheitsfehler des westlichen Narrativs, das sich bis heute hält, war der Umstand, dass die Stationierung von Atomraketen durch die Russen auf Kuba eine Reaktion auf eine amerikanische Aggression in der Form von Stationierungen von Atomraketen in der Türkei war. Das Marketingspiel gewannen die Amerikaner; dennoch räumten sie nach ein paar Monaten ihre Raketen in der Türkei   – ein Abkommen zwischen Chruschtschow und Kennedy, mündlich durch Gewährsmänner in einem Washingtoner Café ausgehandelt, offiziell schriftlich nicht fixiert; an das sich sich Kennedy hielt   – das waren noch Zeiten.

In den Augen des Westens sahen die Russen nicht gut aus, obwohl sie das Spiel geopolitisch gewonnen hatten. Ein Grund dafür, dass der umtriebige und für die russische Bevölkerung grossartige Chruschtschow seinen Stuhl räumen musste. Breschnew brachte Kälte zurück ins Russische Leben.

Die Entsendung der russischen Flottille nach Kuba löste lediglich Konsternation bei den USA aus   – mehr nicht. Eigentlich überraschend, denn, falls die Russen es so wünschen, ist Miami innert 90 Sekunden Geschichte. Die Russen verabreichen den Amerikanern eine grosse Prise Angst und Schrecken, genau jenen Schrecken, den die Amerikaner eigentlich den Russen in der Ukraine verabreichen wollten: Stationierung von Atomwaffen an der Grenze zu Russland   – und nun zeigt Russland, wie es diesen amerikanischen Zug umgehend kontern kann. Ein genialer Schachzug der Russen und ein grossartiges Pfand in der Hand des Bären; dieses Pfand wird sich in späteren Verhandlungen als Schwergewicht herausstellen.

Schachzug 3   – Nord-Korea

Nach China bittet Präsident Putin Kim Yong Un zurück zu Tisch der Geopolitik. Der gegenseitige Unterstützungspakt ist ein Donnerschlag. Nord-Korea ist ein Nachbar Russlands   – nur ein Steinwurf von Wladiwostok entfernt.

Putin brachte neben Aussicht auf grosse   – und für Nord-Korea wichtige   – Agrarlieferungen, Unterstützung für Infrastruktur und Industrie sowie einen zweiten «Aurus» als Geschenk für Kim. In diesem grossartigen Rolls Royce  –Pendant machten Putin und Kim denn auch eine gemeinsame Spritztour, zuerst der Russe dann der Nord-Koreaner am Steuer. Beide schienen sich sehr zu amüsieren.

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«Ich will auch mal!»   – Die beiden scheinen sich zu amüsieren

Nord-Korea liefert Artilleriemunition   – millionenfach. In ein paar Tagen ist diese an der Front   – auf dem günstigen und nicht blockierbaren Landweg. Die Güterzüge, die vom Osten Russlands in den Westen fahren, sind endlos.

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Güterzug passiert einen Bahnhof in Sibirien   – Quelle: Peter Hänseler
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Die Militärvereinbarung zwischen Russland und Nord-Korea ist eine Mehrfachohrfeige für die Amerikaner: Nicht nur sind die Nord-Koreaner endgültig aus der geopolitischen Isolation   – mit den zwei Freunden China und Russland lässt sich gut leben; vielmehr sind die Amerikaner in Südkorea militärisch komplett blockiert. Etwaige Provokationen der USA bekommen damit eine völlig neue Dimension. Seoul liegt in Artilleriereichweite von Nord-Korea.

Schachzug 4   – Vietnam

Heute weiss jedes Kind   – ausser möglicherweise Leser von westlichen Leitmedien   – dass der Vietnamkrieg von den Amerikanern aufgrund einer sogenannten «False Flag Attack» begonnen wurde (Golf von Tonkin-Zwischenfall ). Man kann auch davon ausgehen, dass der Unwille Kennedys, den Konflikt in Vietnam zu eskalieren, ein Grund für sein frühes Ableben war. Die Zahl der 58’000 toten amerikanischen Soldaten verblasst im Vergleich mit den ca. 4 Millionen Zivilisten, welche   – unter kräftiger Mithilfe von Henry Kissinger   – abgeschlachtet wurden, um einen «Peace with Honor» («Ehrenhaften Frieden») für Präsident Nixon in Paris zu herauszuverhandeln.

Im Gegensatz zu den USA ist der vietnamesischen Bevölkerung somit eine Allianz mit den Russen sehr leicht vermittelbar. Die Rolle der Russen im Vietnamkrieg wird übrigens komplett unterschätzt. Es waren russische Flugzeuge mit russischen Piloten und russische Luftabwehrraketen, welche den Amerikanern während des Vietnamkriegs katastrophale Verluste beibrachten. Somit hatte Russland eine Schlüsselrolle im Sieg über die Amerikaner   – vergleichbar mit der Rolle, welche die Russen ab 2015 in Syrien spielten. Der amerikanischen Führung scheint nicht bewusst zu sein, dass man mit loyaler langjähriger Hilfe bei einem Land mehr herausholt als mit dem nutzlosen Abschlachten der Zivilbevölkerung.

Fazit

Die Russen haben die Amerikaner komplett überrumpelt und schwächen die Stellung der USA nicht nur zweifach in Asien, sondern auch vor der eigenen Haustür in der Karibik. Eine komplette Katastrophe für die USA.

Es könnte noch viel schlimmer kommen: Die Organisation BRICS, die wir für ein Jahrhundertprojekt halten, wächst in Windeseile und hat die G7 schon lange hinter sich gelassen. Dass Thailand und die Türkei auf der Kandidatenliste stehen, sollte in Washington für Sodbrennen sorgen   – oder wird man einmal mehr ein überraschtes Gesicht machen?

Die Russen zeigen damit, dass sie sehr wohl die Möglichkeiten dazu haben, die USA in die Defensive zu drängen. Der Bär hat im Globalen Süden einen hervorragenden Ruf, da er als zuverlässig und fair gilt. Die USA haben den Ruf, den sie verdienen: Man schliesst Verträge und pocht solange auf deren Erfüllung bis sie den USA nichts mehr nützen; danach werden diese gebrochen. Diese Entwicklung kann jedoch auch zu einer weiteren Eskalation führen.

Der neueste Anschlag mit Raketen auf den Strand von Sevastopol, bei dem es Tote und viele Verletzte gab, wühlt die russische Bevölkerung auf und man ruft nach Vergeltung. Die offizielle Stellungnahme des russischen Aussenministeriums lässt aufhorchen, denn den USA wird die volle Verantwortung dieses Anschlags übertragen:

«Alle Flugdaten wurden von US-Militärcrews auf der Grundlage von Daten der US-Aufklärungssatelliten eingegeben. Eine Global Hawk US-Aufklärungsdrohne war vor der Krim im Einsatz.»

Erklärung des Außenministeriums zu dem Terroranschlag in Sewastopol

Es ist durchaus möglich, dass die Russen das Schwarze Meer zur «No-Flight»-Zone erklären wird. Das haben die Amerikaner oft gemacht, so etwa die Adria vor der Bombardierung Belgrads, ohne Rechtsgrundlage. Das könnten die Russen ebenfalls tun. Dann würden die Global Hawk-Drohnen entweder verschwinden oder abgeschossen. Das wäre für die Russen der effizienteste Weg, Raketenangriffe auf Russland zu minimieren. Es wäre jedoch ein weiterer Eskalationsschritt.

Mit dem Risiko, den Lesern auf die Nerven zu gehen, wiederhole ich einmal mehr eine Gefahr, welche von vielen Geopolitikern, Medien und Politikern komplett vernachlässigt wird: Die Instabilität der Finanzmärkte. Die damit im Zusammenhang stehenden Risiken sind sehr gross und schwer kalkulierbar, was sie umso gefährlicher macht.

In einem Interview mit Greg Hunter äusserte sich der Finanzmarktspezialist Bill Holter extrem negativ über die Situation an den Finanzmärkten. Seiner Meinung nach, hängen die Märkte an einem seidenen Faden:

Das System ist derzeit so instabil, dass es durch alles Mögliche zu Fall gebracht werden könnte.

Es könnte ein Bankenproblem sein.  Es könnte ein Problem mit Derivaten sein.  Es könnte ein Derivatproblem auf dem Aktienmarkt oder dem Anleihemarkt sein und es könnte zu Lieferausfällen bei Silber kommen.

Bill Holter

Die Russen überfordern die USA: Der Titel der Rand-Corporation-Publikation aus dem Jahre 2019 hat Chancen, in abgeänderter Form zum geopolitischen Bonmot zu werden: «Extending the US».

Quelle: https://voicefromrussia.ch/extending-the-us-die-usa-uberfordern-die-russen-beim-schachspiel-analyse/
Mit freundlicher Genehmigung von voicefromrussia.ch

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