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Die Mär vom hundertjährigen Frieden

von Doris Auerbach
07. Februar 2015
Man erinnere sich: Als der Europäischen Union im Dezember des Jahres 2012 in Oslo der von Barroso, van Rompuy und Schulz entgegengenommene Friedensnobelpreis zugesprochen wurde, sprach van Rompuy in seiner Dankesrede davon,

Maer vom Frieden

»dass wir in 40 Jahren einen hundertjährigen Frieden feiern werden«,

wobei er das Ende des Zweiten Weltkriegs als zeitlichen Ausgangspunkt zugrunde gelegt haben dürfte. Ganz offensichtlich gelang es ihm dabei, den eigentlichen Bruch in dieser EU-›Friedensachse‹, den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien im Jahr 1999, der die Abspaltung des Kosovos mit sich brachte, problemlos auszublenden.

Ähnlich ›glaubwürdig‹ liess sich Wolfgang Schäuble vernehmen:

»Die Begründung ›keine Kriege mehr in Europa‹ erscheine 67 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg zwar zu selbstverständlich als Argument. Doch diese lange Friedensphase habe das geeinte Europa erreicht.«

Auch die kriegerischen Einsätze der NATO wurden mühelos übergangen. So lautet denn damals auch der gemeinsame Kommentar der drei Politiker:

»Es ist eine grosse Ehre für die Europäische Union: Dieser Preis ist die stärkst mögliche Anerkennung der tiefen politischen Motive hinter unserer Union: Die einzigartige Anstrengung von immer mehr europäischen Staaten, Krieg und Spaltungen zu überwinden und gemeinsam einen Kontinent des Friedens und des Wohlstands zu gestalten.«

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel war die Verleihung, wie sie sagte, eine ›wunderbare Entscheidung‹. Das ›ist Ansporn und Verpflichtung zugleich, auch für mich ganz persönlich.‹ Mit den römischen Verträgen sei nach ›Jahrhunderten furchtbaren Blutvergiessens, schrecklicher Kriege, Mord und Verwüstungen‹ der Grundstein für eine ›Friedensgemeinschaft Europa‹ gelegt worden, so Merkel ferner. An Aussagen dieser Art, die sich nur beschränkt resp. überhaupt nicht mit der Wirklichkeit decken, haben wir uns längst gewöhnt.

Um auf Jugoslawien zurückzukommen, so ist festzuhalten, dass sich die strategische Neuausrichtung der USA seit dem Jugoslawienkrieg dahingehend entwickelt hat, dass die USA die Welt jederzeit mit Krieg überziehen kann, wenn es im amerikanischen Interesse ist.

Hierzu äusserte sich Willy Wimmer, der vormalige Vizepräsident der ›Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa‹ [OSZE], in einem Interview mit dem deutschen Zweig des iranischen Radios am 27. 2.14 wie folgt:

»Die USA hat sich in der ersten Hälfte der 90er Jahre offensichtlich genötigt gesehen, das politisch-militärisch-völkerrechtliche Faustrecht zu ihren Gunsten wieder einzuführen, weil sie offensichtlich ein Europa der Kooperation fürchtet wie der Teufel das Weihwasser.

Die Vereinigten Staaten, und ich bedauere das sehr wegen der engen Kooperation, die es über Jahrzehnte hinweg gegeben hat, haben sich dazu entschieden, den Krieg nach Europa zurückzubringen. …. Wenn man sich heute die Ukraine ansieht, wenn man sich ansieht, was in Syrien gemacht worden ist, um die russische Föderation von Süden her aufzurollen, dann kann man in Moskau den Eindruck haben, dass demnächst auf Moskauer Strassen das so losgehen soll, wie es derzeit auf den Kiewer Strassen stattfindet. Und ich sage das vor dem Hintergrund der Umstände, dass immer viele Gründe zu einer solchen Entwicklung führen: Aber die USA und Grossbritannien haben immer die Finger drin.«

Der Fortgang der ›wunderbaren Entscheidung‹ unter der NATO  

Sergej Naryschkin, der Präsident der russischen Staatsduma, erklärte Anfang letzten Dezember: »Die Streitkräfte Russlands haben die letzten 20 Jahre nie ausserhalb der Russischen Föderation geschossen. Und trotzdem hat sich die Militärinfrastruktur der NATO immer mehr unserer Landesgrenze genähert.« Das Russland vor 25 Jahren gegebene Versprechen, dass die NATO keine Schritte an unsere Grenzen machen wird, ist   – heute für jeden sichtbar   – nicht eingehalten worden.

»Wenn sich bei dieser Entwicklung jemand zu fürchten hätte«, so Naryschkin, »dann wohl am ehesten wir. Wir haben jedoch keine Angst. Russland war immer imstande, sich selbst zu verteidigen. Unser Appell ist aber ein anderer. Wir appellieren an den Frieden und den Dialog in Europa.«

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