Skip to main content

Norbert Häring: Die Bundesbank beteiligt sich an der Verdrängung des Bargelds

Die Deutsche Bundesbank will mittelfristig ein Viertel ihrer verbliebenen Filialen schließen. Das könnte die Akzeptanz von Bargeld im Einzelhandel weiter vermindern. Trotzdem beharrt die Bundesbank auf ihrem Plan, auch gegen interne Kritik.
Von Hakon von Holst/Norbert Häring 01.10.2024 - übernommen von norberthaering.de
02. Oktober 2024

Von Hakon von Holst. Das Filialsterben bei der Bundesbank geht weiter. An acht von derzeit noch 31 Standorten möchte die Bundesbank die Türen schließen, für immer. Wie das Handelsblatt am 30. September berichtete, regt sich zwar intern wie extern starke Kritik an den Plänen, aber die Bundesbank hält unbeirrt daran fest.

Der Personalrat der Bundesbank rechnet mit verlängerten Fahrtwegen für Geldtransporteure. Er lehnt den Filialabbau deshalb auch „unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten“ ab. Der Einzelhandel fürchtet steigende Kosten. Viele Geschäfte überlassen die Einzahlung ihrer Bargeldeinnahmen auf das eigene Konto Sicherheitstransportunternehmen, die sie zum Zählen, Prüfen und Sortieren zur nächsten Bundesbank-Filiale bringen. Und die wollen auf ihre Kosten kommen, wenn sie quer durchs Land fahren müssen, um eine Bundesbankfiliale anzusteuern. 2021 verabschiedete sich die Bundesbank aus Bo­chum, Düs­sel­dorf, Essen und Hagen. Ulrich Binnebößel vom Handelsverband Deutschland (HDE) beklagt im Handelsblatt, dass Geldtransporteure aus diesem Grund schon jetzt längere Touren fahren müssten.

Kleinere Händler bringen ihre Einnahmen eigenständig zur Sparkasse, Volksbank oder einem anderen Geldinstitut. Doch auch das wird schwieriger. Zwischen 2017 und 2023 schlossen die Privatbanken in Deutschland jede dritte Filiale. Der Handelsverband HDE schrieb im Mai 2024, dass dadurch gerade in ländlichen Gebieten „ein erheblicher Kostenaufwand“ entstehe.

Im Juni 2024 hatte die Bundesbank erstmals ihre Schließungspläne verkündet. 2028 sollen drei Standorte entfallen, bis 2039 weitere fünf. Binnebößel zeigt sich alarmiert: Ohne Alternativen könne eines Tages das ganze System kippen. „So weit darf es nicht kommen“, so der Experte des Handelsverbands gegenüber dem Handelsblatt. „Da muss die Bundesbank sehr genau schauen, wie weit sie sich zurückziehen kann.“

Die interne und externe Kritik weist Bundesbankvorstand Burkhard Balz zurück. Es stünden weiterhin genügend Schalter-, Bearbeitungs- und Tresorkapazitäten zur Verfügung. Nach Recherchen des Handelsblatts geben Kostengründe den Ausschlag für die Schließungspläne. Offenbar will sich die Bundesbank die Zukunft des Bargelds nicht allzu viel  kosten lassen. Das ist die eigentliche Tragödie. Wenn nicht einmal der Staat bereit ist, sich für die Bargeldinfrastruktur einzusetzen, wer dann? Im Einzelhandel sind ökonomische Erwägungen noch viel bedeutsamer.

Die Konsequenzen

Das Handeln der Bundesbank wirft auch ein neues Licht auf die geplante EU-Bargeld-Verordnung. In den Artikeln 7 und 8 des Gesetzesentwurfs sieht die EU-Kommission vor, dass Mitgliedsländer wie Deutschland die Akzeptanz und Verfügbarkeit von Bargeld überwachen. Die Gesetzgeber müssen Abhilfemaßnahmen ergreifen, wenn sie zur Auffassung gelangen, „dass der Umfang der Annahme von Barzahlungen die obligatorische Annahme von Euro-Banknoten und -Münzen untergräbt oder dass kein hinreichender und wirksamer Zugang zu Bargeld gewährleistet ist“. Auf Deutsch heißt das: Wenn ein Land zur Ansicht gelangt, dass zu viele Geschäfte Bargeld ablehnen oder die Versorgung mit Bargeld zu schlecht geworden ist, dann muss die Regierung die Initiative ergreifen.

Allerdings ist dabei der „Aspekt der Verhältnismäßigkeit“ zu berücksichtigen. Wenn immer weniger Bargeld bei den Banken eingezahlt wird, weil Busse und Bahnen Bargeld ablehnen oder weil Supermärkte ihre Kunden mit bargeldlosen Selbstbedienungskassen zur Kartenzahlung nötigen, dann wird es auch unverhältnismäßig sein, die Banken zu zwingen, flächendeckend Automaten und Filialen zu betreiben. Schließlich können die Kosten für ihren Betrieb nicht auf ein paar wenige Händler umgelegt werden, geschweige denn auf ein paar wenige Konsumenten, die noch Bargeld benötigen. Der Preis wäre zu hoch.

Das ist der Dominoeffekt, dem sich die Bundesbank nicht entgegenstellt. Stattdessen veranstaltet sie Dialoge mit Organisationen der Zivilgesellschaft, um deren Perspektiven auf das Bargeld „künftig besser berücksichtigen zu können“. Es wäre ein Leichtes für die Bundesbank, solche sozial ausgerichteten Organisationen zu einen, um gemeinsam an Regierung und EU-Parlament zu appellieren, die geplante Bargeld-Verordnung in einer Art auszugestalten, dass Akzeptanz und Verfügbarkeit von Bargeld gesichert werden, wie das 85.000 Menschen in einer Petition fordern. Fürs Erste geht die Verdrängung des Bargelds also weiter.

**********

Dieser Artikel und die untenstehenden sind Geschenke von Hakon von Holst, einem für die Freiheit engagierten, sehr vielversprechenden Nachwuchsjournalisten. Wenn Sie ihm etwas schenken möchten, so geht das hier. Seine und meine Dankbarkeit sind Ihnen gewiss. 

Mehr

Wie der Staat hinten herum das Bargeld abschafft
9. 09. 2024 | Der öffentliche Nah- und Fernverkehr ist für alle da. Doch immer mehr Menschen werden ausgeschlossen. Kinder fliegen aus dem Bus, weil sie nicht mit Bargeld bezahlen dürfen. Wer kein Smartphone besitzt, fährt teuer oder gar nicht. Und auf einigen Bürgerämtern geht nur noch Kartenzahlung. Die Bundesregierung bekennt sich zwar vordergründig zum Bargeld, betreibt aber hinten herum seine Abschaffung.

Petition an das EU-Parlament: Annahmepfllicht auch für Bargeld, nicht nur für E-Euro
18. 07. 2024 | Bereits mehrere Zehntausend Menschen im deutschsprachigen Raum haben eine Petition an des EU-Parlament unterschrieben, die fordert, die vorgeschlagene Bargeld-Verordnung (COM/2023/364) zu verbessern. Anders als von der bargeldfeindlichen EU-Kommission vorgesehen, soll es nicht nur für den digitalen Euro, sondern auch für Euro-Bargeld eine Annahmepflicht geben.

Bargeld in die Verfassung   – Zum Hintergrund der Initiative des österreichischen Bundeskanzlers
9. 08. 2023 | Eine halbe Million Österreicher haben ein Volksnegehren gegen Barzahlungsgrenzen unterstützt. Nun pocht Kanzler Nehammer auf Maßnahmen: Das Recht auf Versorgung mit Bargeld und Bezahlen mit Bargeld soll in die Verfassung. Eine rechtsradikale Initiative, wie die Nachrichtenagentur Reuters behauptet, ist das nicht.

Slowakei schreibt Recht auf Bargeldnutzung in die Verfassung und lockert Bargeldobergrenze
21. 06. 2023 | Erstmals schreibt ein europäischer Staat ein Recht auf Barzahlung in seine Verfassung. Gleichzeitig wird auch die geltende Bargeldbeschränkung gelockert. Auch in anderen Ländern gibt es Gegenwind für die Bargeldabschaffer.

Hakon von Holst: Edward Snowdens Empfehlungen zum Umgang mit dem Großen Bruder
18. 06. 2022 | Neun Jahre ist es her, dass die Enthüllungen Edward Snowdens über das weltumspannende Datenabsaugen der NSA die Welt schockierten. Doch statt einen Rückschlag hinnehmen zu müssen, haben die USA den Datendiebstahl seither noch ausgeweitet. Deshalb ist es wichtig, sich damit zu beschäftigen, wie Snowden sich der Überwachung entzogen hat, und was er uns empfiehlt, um unsere Freiheit zu bewahren.

Österreichische Gemeinden müssen zahlen, damit ein Geldautomat im Ort ist
9. 03. 2022 | Gastautor Hakon von Holst hat sich in Österreich umgeschaut und festgestellt, dass sich die Banken dort nicht für die Sicherstellung der Bargeldversorgung zuständig fühlen. Und in der Regierung macht man kein Hehl mehr daraus, dass man das Bargeld nicht mag.

Hakon von Holst: Verkehrsbetriebe zwingen Kinder zur Kartenzahlung
6. 01. 2022 | Die Infrastruktur für Bargeld ist am Zusammenbrechen: Immer mehr Verkehrsbetriebe lehnen Scheine und Münzen ab. Sie zwingen Barzahler, Kinder und Senioren zu Umwegen und langem Vorausplanen. Schleichend wird das Bargeld so verdrängt,

Wie Mastercard die Gesundheitsgefahr durch Bargeld erfinden ließ
24. 02. 2021 | Mastercard hat nicht erst während der Corona-Krise angefangen, mit der Behauptung hausieren zu gehen, Bargeld berge eine große Gesundheitsgefahr. Das ist eine Kampagne, die seit mindestens acht Jahren läuft. Hakon von Holst hat sich die Anfänge genauer angeschaut. Im Zentrum: Medien, die jeden interessengeleiteten Mist hinausposaunen, den jemand Studie nennt und mit einer steilen Überschrift versieht.

Quelle: https://norberthaering.de/bargeld-widerstand/bundesbank-filialschliessungen/

Weitere Beiträge in dieser Kategorie