"Man kann sich nur an den Kopf fassen"
Florian Hauschild: Herr Wimmer, Sie gehören zu den wenigen Größen der Bonner Republik, die sich auch heute noch regelmäßig in das politische Geschehen einmischen. Im Jahr 1943 geboren, könnten Sie auch daran denken Ihren Ruhestand zu genießen. Was treibt Sie dazu an, sich auch heute noch an politischen Debatten zu beteiligen? Haben die nachfolgenden Generationen versagt, als sie die Verantwortung für das Land übernommen haben, so dass Sie nicht ruhig schlafen könnten, wenn Sie sich einfach zurücklehnten?
Willy Wimmer: Das nennt man wohl "return on investment". Ich habe mein parlamentarisches Leben auf den spannungsreichsten politischen Feldern verbringen können und bin der Republik außerordentlich dankbar für diese Möglichkeit.
Ich habe dabei bei der letzten großen Militärübung des Kalten Krieges als Parlamentarischer Staatssekretär beim Verteidigungsministerium einen "Blick in die Hölle" werfen können und mir war möglich, einen Beitrag zu einer gemeinsamen deutschen und europäischen Zukunft zu leisten. Sonderaufträge für den ehemaligen Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl haben mich um den ganzen Globus geschickt und ich habe dabei von den Chancen des wiedervereinigten Deutschlands erfahren, einen Beitrag zum Frieden in der Welt zu leisten. Dazu zählte nicht nur ein Austausch von Gefangenen und Toten zwischen dem Iran und Israel.
Wer den Kalten Krieg so mitgemacht hat und der Generation angehört, die die berühmte Frage aufgeworfen hat, warum in Deutschland nach der Machtergreifung so nachhaltig geschwiegen worden ist, der kann nicht ruhig zu Hause sitzen. Vor allem dann, wenn das eigene Land nicht nur die Chancen ausschlägt, die ein gemeinsames europäisches Haus nach der "Charta von Paris" von vor fünfundzwanzig Jahren hätte bieten können. Aber das, was mich regelrecht wütend macht, ist die kriegsgeile Politik eines Bündnisses gegen Nachbarn. Einem Bündnis wohlgemerkt, dem Deutschland unter ganz anderen Umständen beigetreten war. Dazu schweigen und Golf spielen?
Florian Hauschild: Wagen wir einen kleinen politischen Rückblick auf das Jahr 2015: Wie würden Sie das vergangene Jahr im Lichte Ihrer jahrzehntelangen Erfahrung einordnen? Viele Menschen haben das Gefühl, dass sich die Konflikte weltweit zuspitzen. Mancherorts ist gar von einem neuen Kalten Krieg die Rede. Die Angst vor terroristischen Anschlägen wächst. Teilen Sie die Einschätzung, dass die Welt im Jahr 2015 wieder gefährlicher geworden ist oder ist letztendlich alles wie immer?
Willy Wimmer: Unsere Tragik besteht heute darin, dass wir über die NATO an die Vereinigten Staaten gebunden sind und dieser Verbündete seit Anfang der 1990er Jahre jedem klar macht, dass er mit Frieden und einer Politik der guten Nachbarschaft und friedlicher Konfliktbeilegung nichts mehr anfangen kann.
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