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Der weltbeste Motorenbauer dämpft die Elektroauto-Euphorie

Mario Illien zeigt auf: Elektroantrieb ist eher eine elitäre Sackgasse als die Lösung für die exorbitante menschliche Mobilität.
Niklaus Ramseyer / 27.07.2021 - Infosperber
28. Juli 2021
«Steckdose schlägt Zapfsäule!» So jubelten die Fernseh-Moderatoren kürzlich in den SRF-Nachrichten. Konkret würden nun erstmals mehr elektrisch angetriebene Autos verkauft als Diesel-PWs, berichteten auch andere Medien. Das sei eine sehr gute Nachricht für die Umwelt. Was sicher stimmt, wenn man nur die Abgas- und CO2-Belastung betrachtet  – und dies auch nur beim Vergleich der Diesel- und Elektro-Autos. Und es ist ein Minderheitenproblem: Im Juni waren bloss gut 14 Prozent der neu verkauften Wagen in der Schweiz «vollelektrifiziert»  – und damit im Betrieb abgasfrei.

Elektroautos: «Eine Katastrophe für die Umwelt»

In den Medien herrscht weitgehend Konsens: Die Zukunft gehört der Elektromobilität. Strom sei «die historische Chance für einen umweltfreundlich motorisierten Individualverkehr», heisst es. 

Mario Illien 2
Mario Illien © Wikipedia

Wenig Verständnis für derlei Euphorie hat ein Mann, der sich mit Mobilität und Antriebssystemen auskennt wie weltweit kaum ein zweiter: Wenn man die gesamte Umweltbelastung (bei der CO2 und Abgase nur einen Teil ausmachen) genau berechne, sei etwa das bekannte Elektroauto der US-Marke «Tesla» ökologisch glattweg «eine Katastrophe», sagt der Bündner Ingenieur Mario Illien. Er stellt fest: «Elektroautos sind keine Lösung für das globale Klima.» 

Denn: «Die ganze Effizienz eines Systems ist wichtig, und nicht nur ein Teilgebiet, um das Image zu pflegen und das Gewissen zu beruhigen.» Und noch in den oft betonten «Teilgebieten» sieht es für das Elektroauto vergleichsweise eher schlecht aus: Ingenieur Illien rechnet vor, dass von jener Energie, die zum Laden ihrer Batterien in Elektrizitätswerke einfliesst, die Stromer letztlich gerade mal noch 11 Prozent als Schub über ihre Antriebsräder auf die Strasse bringen. Der viel geschmähte Diesel ist mit über 20 Prozent schon doppelt so effizient. Die Triebwerke der effizientesten Benzinverbrenner bringen es auf 50 Prozent Wirkungsgrad. Es sind die Formel-1-Motoren, bei denen Effizienz über Sieg oder Niederlage im Rennen entscheidet.

Ein Leben für Effizienz und Wirkungsgrad der Autotriebwerke

Im Auto-Rennsport geht es knallhart darum, dass ein möglichst leichter Motor mit möglichst wenig Treibstoff ein Maximum an Leistung auf die Rennstrecke bringt. Der heute bald 72-jährige Illien hat sich sein Leben lang mit dieser Thematik befasst   – und seine Erkenntnisse laufend als Konstrukteur in den weltbesten Hochleistungsmotoren umgesetzt. Aktuell gerade für den F-1-Rennstall «Redbull»: Wenn dessen Boliden mit ihren Honda-Motoren nun plötzlich den zuvor führenden Mercedes-Wagen um die Ohren und davonfahren, so hat dieser Erfolg einen Namen: Mario Illien.

Der zurückhaltende und eher bescheidene Bündner hat nach einer Maschinenzeichner-Lehre bei Ems Chemie an der Ingenieurschule Biel Maschinenbau studiert. Schon in jungen Jahren baute er für Simca hocheffiziente und erfolgreiche Rennmotoren. Mit seiner Firma Ilmor (Illien-Morgan) half er schliesslich von Brixworth in Grossbritannien aus den Erfolg von Mercedes in der Formel-1 mitzubegründen   – bis hin zum Weltmeistertitel. Heute betreibt der Ehrendoktor der Universität Leeds unter dem Namen «Ilmor Engineering» noch eine kleine Forschungs- und Entwicklungsfirma für Motoren. Aktuell hat er einen neuartigen, äusserst sparsamen Fünftakt-Motor in Erprobung. Den weltgrössten Motorenbauern steht er nebenbei als Berater und Problemlöser zur Verfügung. Jetzt eben gerade für die Optimierung des Turboladers bei den Honda-Triebwerken im Formel-1-Rennstall «Redbull». 

E-Mobilität höchstens für die Nische Stadtverkehr

Dabei ist  Illien es gewohnt, Detailprobleme ganzheitlich und umfassend anzugehen. So auch bei den Elektro-Autos. Für ihn ist klar, dass Elektrofahrzeuge «höchstens im Stadtverkehr eine gewisse Berechtigung» haben. In einer Nische also, in der vorab gutbetuchte Eliten mit ihren Teslas ihr schlechtes Gewissen (ihres grossen ökologischen Fussabdrucks wegen) beruhigen können. Dabei ist der «hundsmiserable» (Illien) Wirkungsgrad der E-Triebwerke noch das kleinere Problem: «Katastrophal» wird die Ökobilanz der Stromer erst recht bei deren Produktion und speziell wegen ihrer zentnerschweren Batterien. 

Die NZZ hat am 17. Juli (S. 57) vorgerechnet, was es schon nur zum Bau der Batterie eines einzigen Tesla braucht: 85 kg Kupfer, 56 kg Nickel, 7 kg Kobalt und 6,6 kg Mangan. Das Blatt rechnet vor: Um die Diesel- und Benzinfahrzeuge schon nur in der Schweiz durch Elektroautos zu ersetzen, «würden 40’000 Tonnen Kobalt benötigt   – ein Drittel der jährlichen Weltproduktion». Untertitel des Artikels: «Elektroautos haben eine Schwachstelle: Batterien aus Rohstoffen, die weltweit knapp werden.»

Noch nicht mal 1 Prozent E-Autos   – und schon werden Rohstoffe knapp

«Jetzt schon knapp werden», müsste es wohl heissen. Denn mit bloss 10 Millionen E-Autos auf insgesamt 1,4 Milliarden Fahrzeuge ist weltweit unter 140 Motorfahrzeugen nur gerade mal ein einziges ein Stromer. Das sind lächerliche 0,7 Prozent. Derlei ernüchternde Fakten zieht Illien bei seinen Effizienz-Berechnungen in Betracht. Er sagt: Die anderen gut 99 Prozent   – also weit über eine Milliarde Autos mit meist noch gut laufenden Explosionsmotoren   – lange vor ihrer maximalen Lebensdauer staatlich gefördert durch Elektrowagen zu ersetzen, wäre eine gigantische Verschwendung. Und die Batterieproduktion dafür wäre ökologisch nie tragbar. Denn: «Unsere Ressourcen sind begrenzt und wir sollten ein Interesse daran haben, sparsam und vernünftig damit umzugehen.»

Raubbau, Verschmutzung, Zerstörung von Landschaft, Umwelt und Leben

Batterieautos, die mit 1000 oder noch mehr PS einen einzigen Menschen in knapp 3 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen, haben mit solcher Vernunft sicher nichts zu tun. Doch es gibt diese Stromer schon. Mit übelsten Folgen für die Umwelt: «Raubbau, Verschmutzung und die Zerstörung von Landschaften und Leben sollten uns im Zusammenhang mit der Elektromobilität beschäftigen», fordert Motorenbauer Illien. Konkret stellt er fest: «Lithium wird mit Wasser aus dem Gestein herausgespült. Es gibt Vorkommen in Argentinien, Bolivien, Chile oder Peru, also in ziemlich trockenen Gegenden, wo es ohnehin nicht viel Wasser hat. Und nun wird der lokalen Bevölkerung auch noch das Grundwasser für diesen Prozess entzogen. Da wird keine Rücksicht genommen, ganze Täler werden auf den Kopf gestellt.» Und die Batterieentsorgung stellt am anderen Ende der Kette ein weiteres, weitgehend ungelöstes Problem dar: Schon nur von den modischen E-Bikes (im Volksmund böse, aber treffend «Viagra-Velo» genannt) bescherten allein in der Schweiz letztes Jahr 44 Tonnen Altbatterien, die irgendwo entsorgt werden müssen.

Subventionen für die Eliten   – Strafsteuer für die Schwächsten.

Angesichts dieser Fakten ist klar: E-Autos können ganzheitlich betrachtet keine Lösung sein für die enormen Probleme, die der überbordende menschliche Individualverkehr inzwischen schafft. E-Mobilität ist höchstens eine partikulare Scheinlösung für begüterte Führungskräfte weltweit. Und die politischen Eliten subventionieren ihnen (und damit sich selber) diese trendige Scheinlösung massiv mit Steuergeldern (siehe Kasten unten). 

Gleichzeitig sollen als «marktwirtschaftliche Lenkung» Heizöl und Treibstoff für die gesamte Bevölkerung verteuert werden. Dies ist gleich nochmals Politik der (urbanen) Eliten für die Eliten (die das in ihren dicken Brieftaschen kaum spüren), während die Ärmsten auf dem Land mit ihren kleinen Dieselfahrzeugen die Zeche zahlen müssen. Doch marktwirtschaftlich-freisinnig orientierte Lifestyle-Linke und -Grüne meinen auch hierzulande, mit der Verteuerung der Verbrenner-Treibstoffe sei der Umwelt geholfen. Dabei ist dies nicht nur asozial, sondern auch ökologisch unsinnig. Der Fachmann Illien hält klar fest: «Das Vernünftigste ist immer noch ein Dieselauto.» Das gilt insbesondere für Kleinwagen mit Kat, wenn man sie möglichst lange fährt und immer wieder repariert.  

In diesem Punkt der Problematik ist sich der weltberühmte Schweizer Motorenbauer mit der bekannten deutschen Linkspolitikerin Sahra Wagenknecht erstaunlich einig: In ihrem neuen Buch «Die Selbstgerechten» (bei Campus, Frankfurt) schreibt sie im Kapitel «Ehrliche Umweltpolitik, statt Preiserhöhungen und Lifestyle-Debatten», die betroffenen kleinen Leute durchschauten die abgehobene «Umwelt-Politik» sehr wohl: «Es entgeht ihnen nicht, dass die hochtrabende Weltrettungs-Rhetorik am Ende darauf hinaus läuft, dass ihre Heizung, ihr Strom, ihr Sprit, ihr Essen und ihre Urlaube teurer werden sollen.» Und wenn sie dazu überhaupt je etwas sagen können, dann wehren sich diese Menschen halt   – wie neulich in der Schweiz beim Volks-Nein zum neuen CO2-Gesetz.

«Dann geht den Häusern das Licht aus»

Sahra Wagenknecht plädiert politisch für ein sparsames «Zwei- oder gar Einliter-Auto», statt «Steuergeld in die Förderung von Teslas und E-Porsches mit schwerem Fahrwerk und grosser Batterie zu versenken.» Illien argumentiert technologisch: «Mir schwebt ein sogenannt serieller Hybrid vor. Also ein Verbrennungsmotor, der im optimalen Wirkungsgradbereich mit synthetischem Kraftstoff Strom erzeugt.» Entscheidend sei dabei, «dass kinetische Energie beim Bremsen und Bergabfahren rekuperiert wird» (wie das bei den Eisenbahn-Lokomotiven teilweise schon geschieht). Also zum Batterieladen verwendet statt in Wärme und Bremsbelag-Abrieb verschwendet wird.

So oder so wäre eine generelle Umstellung auf E-Mobilität schlicht nicht machbar   – weder von den Ressourcen her noch für den Strom-Betrieb. Bei gleichzeitigem Verzicht auf umweltschädliche Atom- und Kohlekraftwerke schon gar nicht. Solarenergie ist auch keine breit anwendbare Lösung. Mario Illien rechnet vor: Um ein einziges Elektroauto im Raum Zürich von November bis Februar mit Solarstrom zu laden, wäre eine Anlage mit 175 Quadratmetern Solarzellen nötig (deren Produktion auch wieder «öko-bilanziert» werden müsste).  Auf die Frage, wie er denn die Zukunft sehe, wenn alle nur noch Elektrofahrzeuge hätten (und diese jede Nacht neu laden müssten), antwortet er lakonisch: «Das wird sich von alleine lösen. Dann geht am Abend in den Häusern einfach das Licht aus.»   

Heutige Hypermobilität ist unhaltbar

Diesel hin oder Strom her, das Grundproblem, um das (fast) alle Politiker und Politikerinnen einen weiten Bogen machen, ist nämlich die völlig exorbitante Mobilität der Menschheit. Das hat der SVP-Bundesrat Adolf Ogi als Schweizer Verkehrsminister schon vor Jahrzehnten erkannt   – und so auf den Punkt gebracht: «Äs würd iifach vil z vil dasume gfahre u dasume karret!» Mario Illien sagt es so: «Brauchen wir täglich Lebensmittel aus aller Welt im Regal? Können wir Dinge wiederverwerten oder reparieren? Braucht bald jeder einen SUV?» Die Fragen stellen, heisst eine ehrliche Antwort suchen.

Deutsche Umweltprämie fördert Autoschieberei

Mit der Umweltprämie für begüterte E-Autokäufer wird in Deutschland bereits kräftig Schindluderei getrieben: Das Wirtschaftsministerium in Berlin fördert den Kauf neuer E-Autos mit rund 6000 Euro Subventionen pro Fahrzeug und hat dazu einen «Fördertopf» von 2 Milliarden Euro bereitgestellt. Zusammen mit dem Umweltrabatt des Produzenten von 3000 Euro verbilligt sich so ein neuer «Tesla Model 3» um satte 9000 Euro auf ca. 35’000 Euro. Inzwischen hat das Ministerium schon 1,3 Milliarden Euro zur E-Auto-Förderung ausbezahlt. Nun hat die Sendung «Auto Mobil» auf VOX-TV enthüllt, welche Spielchen findige Autokäufer und Händler mit diesen Subventionen treiben:

Da gibt es zum einen Private, die nach Ablauf der gesetzlichen Wartefrist von 6 Monaten wieder einen neuen Tesla kaufen   – und die 9000 Euro Umweltprämie völlig legal erneut «abgreifen». Den gebrauchten Tesla verkaufen sie mindestens zum Preis, den sie dafür bezahlt haben   – oder sogar mit Gewinn. Inzwischen gibt es Händler, die den Rückkauf der gebrauchten Teslas nach 6 Monaten zum Neupreis garantieren. Die Kunden erhalten dafür ohne Aufpreis das neuste Modell.

Mit den eingetauschten Teslas (und anderen fast neuen E-Autos) machen die Händler vorab dann ein gutes Geschäft, wenn sie diese in Nachbarländer exportieren, wo keine Umweltprämien ausbezahlt werden   – und die E-Neuwagen entsprechend teurer sind. Nach Dänemark zum Beispiel, wo ein Tesla Model 3 bis zu 50’000 Euro kostet. So können die Händler pro Fahrzeug mehrere 1000 Euro verdienen. Einzelne Händler haben sich auf das Geschäftsmodell mit subventionierten, halbjährigen Strom-Autos spezialisiert.

Das Förderprogramm für neue E-Autos zu Gunsten gutbetuchter Automobilisten und zur Freude der schlauen Autohändler läuft in Deutschland vorerst bis Ende Jahr 2021. (N.R.)

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