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Belarus: Wenn zwei das Gleiche tun …

Die westliche Welt ist sich einig: Die erzwungene Landung des Ryanair-Flugzeuges in Minsk geht gar nicht. Wie war es in Wien 2013?
Christian Müller / 25.05.2021 - Infosperber
26. Mai 2021
Zum Glück gibt es die deutsche Online-Zeitung «German Foreign Policy». Sie erinnerte gestern Montagabend spät in ihrem Newsletter daran, dass die über weissrussischem Territorium erzwungene Landung des Ryanair-Flugzeuges auf ihrem Kursflug von Athen nach Vilnius in Minsk zwecks Verhaftung des weissrussischen oppositionellen Aktivisten und Journalisten Roman Protasewitsch keine Neuerfindung ist. Anfang Juli 2013 wurde die bolivianische Präsidenten-Maschine von Staatspräsident Evo Morales auf dem Flug von Moskau nach Südamerika zur Notlandung in Wien gezwungen, wo sie durchsucht wurde. Grund: Man vermutete, dass an Bord des Flugzeuges der US-amerikanische Whistleblower Edward Snowdon war, um in Bolivien Asyl zu erhalten.

Dumm nur: Er war nicht an Bord. Der damalige Fall einer   – ebenfalls politisch motiviert   – erzwungenen Landung war sogar noch deutlich mehr in Widerspruch zu allen internationalen Regeln der Luftfahrt, weil die Maschinen der Staatspräsidenten international eine zusätzlich garantierte Immunität geniessen.

Der Fall der erzwungenen Landung der Ryanair-Maschine in Minsk schaffte es heute Dienstag sowohl in der NZZ als auch in den CH Media-Zeitungen auf die Frontseiten (wenn man mal von der widerlichen ganzseitigen Werbung vor der NZZ-Frontseite absieht). Und in allen Berichten wird getan, als ob der Fall eine neuerfundene Ungeheuerlichkeit wäre. Erwartungsgemäss wird zudem spekuliert, dass auch Russland dahinter stecken könnte. An einen vergleichbaren Fall zurückzudenken, der vor acht Jahren im Bereich der EU und mit Unterstützung von NATO-Mitgliedsländern stattfand und damals ebenfalls Aufsehen erregte   – allerdings zu keinen Sanktionen führte, denn dahinter standen ja die USA!   –, das kann heutigen Journalisten offensichtlich nicht mehr zugemutet werden   – oder aber sie «vergessen» gewisse Ereignisse absichtlich.

Zum Nachlesen auf «German Foreign Policy» hier anklicken.

PS: Eben hat die NZZ einen neuen Artikel online gestellt, in dem an vier weitere Fälle von Entführungen erinnert wird: Fälle aus Afrika, dem Nahen Osten und aus Asien. Der Fall in Wien, wo EU- und NATO-Länder beteiligt waren, findet auch hier keine Erwähnung.

PS 2 vom Mittwoch 06 Uhr: Ein Paradebeispiel einseitiger, um nicht zu sagen unehrlicher Berichterstattung liefern einmal mehr die Zeitungen der CH Media-Gruppe (Aargauer Zeitung, St. Galler Tagblatt, Luzerner Zeitung, u.a.). Die Flugzeug-Entführung in Weissrussland ist nicht nur der Aufmacher auf der Frontseite, der erzwungenen Landung der Ryanair-Maschine ist auch die folgende Doppelseite 2/3 gewidmet. Und da hat es sogar einen speziellen Artikel mit dem Titel: «Eine kleine Geschichte der Flugzeugentführungen.» Und was liest man da? Die erzwungene Landung der bolivianischen Präsidentenmaschine im Jahr 2013 in Wien unter Zusammenarbeit einiger EU- und NATO-Mitglied-Länder, weil darin der Whistleblower Edward Snowdon vermutet wurde, wird mit keinem Wort erwähnt.

Quelle: https://www.infosperber.ch/medien/trashed-314/

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