Österreich: Echte Schulreformen statt Zentralmatura!
Österreich: Echte Schulreformen statt Zentralmatura!
Das Hauptargument der Befürworter einer standardisierten Reifeprüfung, diese wäre österreichweit vergleichbar, und somit „gerechter“, ist mehr als fadenscheinig.
Ein Kommentar von Susanne Müller.
Im Dezember 2013 gingen die Wogen hoch anlässlich der nahenden Einführung der standardisierten kompetenzorientierten Reife- und Diplomprüfung, besser bekannt als „Zentralmatura“.
Am 12. Dezember 2013 demonstrierten tausende Schüler in Wien, Linz Salzburg, Dornbirn, Innsbruck und Klagenfurt, weil sie mit der erzielten Einigung zwischen Bundesschülervertretung (BSV), Bildungsministerium und Bifie nicht zufrieden waren.
Zu Recht, denn die „Verbesserungen“ sind marginal und ändern nichts an der Tatsache, dass das ganze Konstrukt Zentralmatura in Frage gestellt werden muss.
Das Hauptargument der Befürworter einer standardisierten Reifeprüfung, diese wäre österreichweit vergleichbar, und somit „gerechter“, ist mehr als fadenscheinig, denn die Qualität des Unterrichts, sowie die Eignung und das Engagement der LehrerInnen lassen sich nicht zentral verordnen. Auch der Slogan „Kompetenz statt Auswendiglernen“ klingt vordergründig gut, ist aber im derzeitigen Schulsystem kaum umsetzbar.
Geht es nicht vielmehr darum, die österreichischen Maturanten hinsichtlich der Bologna-Erklärung EU-konform zu vereinheitlichen und die Zugangsbeschränkungen an den Universitäten weiter voranzutreiben?
Anstatt eine echte Bildungsreform einzuleiten, bei der auch den Schülern, Eltern und Lehrern weitgehendes Mitspracherecht und Einflussnahme eingeräumt wird, werden viele Steuermillionen für Bildungsstandards, PISA-Studien und Zentralmatura ausgegeben.
Ist es denn tatsächlich notwendig und vor allem auch sinnvoll, dass in Zukunft alle Maturanten über standardisiertes „Einheitswissen“ und gleichgeschaltete Kompetenzen verfügen? Sind sie dann wirklich für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts besser gerüstet oder wird ihnen nicht die Entwicklung ihrer Interessen und Begabungen weiter erschwert?
Natürlich sollen MaturantInnen über ein grundlegendes Allgemeinwissen verfügen und darüber hinaus die Kompetenz haben, dieses in verschiedenen Zusammenhängen anwenden zu können. Aber dieser Anspruch ist durch den Lehrplan mehr als zur Genüge abgedeckt. Auch jetzt schon ist viel zu wenig Zeit und Spielraum auf die Interessen und Talente der Schüler einzugehen und diese gezielt zu fördern. Durch die Zentralmatura wird dieser Zustand weiter verschärft und noch tiefer in die „Durchschnittsfalle“ (Markus Hengstschläger) hineingetappt. Bildungswissenschaftler wie Stefan Hopmann (Universität Wien) befürchten auch eine wachsende soziale Selektion, da es in allen Ländern, die auf ein Zentralmaturasystem umgestiegen sind, zu einer starken Expansion des privaten „Shadow Education“-Sektors, also der private Nachhilfe – gekommen sei, die sich aber nur die wohlhabenderen Eltern leisten können.
Um unsere Kinder und Jugendlichen bestmöglich für die vielen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft vorzubereiten brauchen wir weder Pisastudien, Bildungsstandards, die Zentralmatura oder dergleichen, sondern eine echte Reform des Schulsystems! Dazu muss die Überwindung der frühen Selektion im Alter von 10 Jahren gehören, die maßgeblich dazu beiträgt, dass der soziale Hintergrund in hohem Ausmaß weitervererbt wird.
Und vor allem muss es viel mehr Mittel für das Bildungswesen geben, um die Klassenschülerzahlen deutlich zu senken, die Nachmittagsbetreuung auszubauen und an allen Schulen flexible pädagogische und (psycho-)soziale Förderungs- und Betreuungsangebote zu gewährleisten. Seit Mitte der 90er Jahre ist der Anteil der Bildungsausgaben am BIP von 6,2% auf 5,4% gesunken. Klingt wenig, hatte aber große Folge: Durch dieses anteilsmäßige Absinken sind akkumuliert über den Zeitraum 1995 bis 2012 über 18 Milliarden Euro der Bildung in Österreich verloren gegangen. Alleine 2012 hätte es zwei Milliarden mehr für Bildung gegen, hätten wir noch den BIP-Anteil von 1995. Hier braucht es endlich eine entschiedene Umkehr statt über Maßnahmen wie die Zentralmatura weitere Selektionshürden einzubauen.
Quelle:
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=984&Itemid=1
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