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Konrad Paul Liessmann: Geisterstunde. Die Praxis der Unbildung.

"Wer keine Ahnung von Geschichte hat, dem hilft auch Wikipedia nicht weiter"
07. November 2014

WirtschaftsWoche: Ihr Buch ist eine Streitschrift. Die schreibt man, weil man wütend ist. Was ist der Anlass für Ihre Wut?

Mich hat die Hörigkeit gegenüber der PISA-Ideologie wütend gemacht, die Ausrichtung des gesamten Bildungssystems in Deutschland und Österreich an einem höchst fragwürdigen Test.

Der zweite Grund, der auch schon für mein Vorgängerbuch „Theorie der Unbildung“ eine große Rolle spielte, ist die so genannte Bologna-Reform der Universitäten. Dazu kommt noch die Kompetenzorientierung in den Studien- und Lehrplänen, die ich sehr kritisch sehe.

Also das Ersetzen des Bildungszieles Wissen durch Fähigkeiten.

Keiner weiß genau, was diese Kompetenzen bedeuten. Sie sind höchst fragwürdig, völlig schwammig, ideologisch aufgeladen und beliebig.

Wie kam es dann dazu, dass man sie für so wichtig hält?

Das kommt historisch eher aus der Wirtschaft. Ursprünglich bedeutet Kompetenz so etwas wie Zuständigkeit. Ein Minister kann sagen: Dieses Thema fällt nicht in meine Kompetenz. Aber so wird das Wort kaum noch verwendet. Der heutige Kompetenzbegriff entstand im Zuge der Taylorisierung von Arbeitsprozessen. Also durch den Versuch, nicht nur zu messen, wie lange es dauert, bis ein Arbeiter bestimmte Arbeitsschritte vollzogen hat, sondern auch zu bestimmen, wie diese Leistungen verbessert werden können   – indem man die zugrunde liegenden Fähigkeiten beobachtet und dann den Arbeiter schult und optimiert. Der Gedanke dahinter ist also, den Menschen aufzusplittern in einzelne, isoliert zu bewertende Fähigkeiten.

5.0 von 5 Sternen Ein unheimlich notwendiges und gescheites Buch

Ein "Kritischer Leser" aus Wien schreibt:

Als jemand, der aus eigenem Erfahren und aus der Sicht eines Vaters dreier Kinder den Bezug und Kontakt zu den österreichischen Bildungseinrichtungen vom Kindergarten bis zur Universität nie ganz verloren hat und zumindest zur Universität nie ganz verlieren wird, hat man schon den einen oder anderen Einblick gewonnen und auch so manches Manko erkannt. Um nicht zu sagen: man merkt schon von weitem, dass es hier gewaltig stinkt!

Was aber Konrad Paul Liessmann in diesem netten, kleinen Buch zu Papier gebracht hat, geht weit über das vermeintlich allgemein Bekannte hinaus: Faszinierende, messerscharfe Analysen, eine Behandlung der Themen in bisher nicht gekannte Tiefen und Abgründe   – ich konnte das Werk kaum aus der Hand legen.
Liessmann behandelt Themen wie Pisa-Test, Bildungsexperten, Suchmaschinen, Power-Point Präsentationen, Leselust und Infantilisierung mit einer sprachlichen Virtuosität, feiner Ironie und einer Klarheit im Ausdruck, die ihresgleichen sucht.

Dieses Buch ist ein wirkliches Lesevergnügen!

Wer im Bereich der Bildung tätig ist und sein Tun ernst nimmt, kommt daran keinesfalls vorbei.

Geisterstunde

geisterstunde

  • ISBN-10:3-552-05700-5
  • EAN:9783552057005
  • Erscheinungstermin: 29.09.2014
  • Verlag Zsolnay
  • Einband:gebunden

Beiträge zu Alfred Adler und Friedrich Liebling


http://www.wiwo.de/politik/deutschland/philosoph-konrad-paul-liessmann-wer-keine-ahnung-von-geschichte-hat-dem-hilft-auch-wikipedia-nicht-weiter/10830084.html