Max Daetwyler – Schweizer Friedensapostel: "Ich bin ein einfacher Mann mit einer grossen Idee"!
«Ich wurde im Jahre 1886 in Arbon als Sohn braver, treuer Eltern als 12. Kind geboren.
Max Daetwyler
«Mein Vater war ein überaus gütiger, liebevoller, selbstverleugnender Mensch, der durch seinen Charakter sich aus den ärmlichen Verhältnissen heraus zu einem vielbeliebten und berühmten Manne heraufgearbeitet hat. So konnte ich von Jugend auf beobachten, dass die grössten Kräfte im Menschen Liebe und Güte sind, und dass man damit alle Verhältnisse des menschlichen Lebens zum Segen und Wohl der Gesamtheit gestalten kann.
Ich konnte an mir selbst beobachten, dass nur treue Pflichterfüllung, absolut reiner Lebenswandel, dass nur ein tadelloser Charakter das wahre Glück des Menschen ausmacht. Und so war die Arbeit an meiner Besserung die Hauptarbeit meines bis heute herrlichen Lebens. Der Ausbruch vom Weltkrieg brachte mich anno 1914 zur Dienstverweigerung. Und ich bin meinem Versprechen bis heute treu geblieben, alles zu tun, um wenigstens die Menschheit von dieser Geissel zu erlösen. Wie Gandhi in Indien erhebe ich heute meine Stimme in Europa zur absolut liebevollen, gewaltlosen Lebensführung und zeige damit einen Weg, wie jeder einzelne durch passive Resistenz beitragen kann zur Aufrichtung der Nation der Nationen, des Volkes der Völker, des Vaterlandes aller Menschen, der Einheit in politischer, wirtschaftlicher, religiöser Beziehung durch ein Leben in geistiger Harmonie.» (...)
Der überzeugte Kriegsdienstverweigerer 1914
Max Daetwylers erstes öffentliches Zeugnis für seine Überzeugung ist Dienstverweigerung. Er verweigert 1914 bei Ausbruch des Weltkrieges den Fahneneid:
«Ich bin gegen den Krieg.»
Abführen, Leibesvisitation, Gefängnis, Krankschreibung nach der Regel, «einen überzeugten Kriegsgegner als einen Narren anzukreiden», drei Monate Irrenanstalt.
«Umsonst all das, was ich im Gefängnis erdacht, was ich vor Gericht und damit vor aller Öffentlichkeit sagen wollte. Ich wollte eine begeisterte Rede halten und sagen: Die Schweiz... muss gegen den Krieg als gegen das grösste Verbrechen vor aller Welt einen Protest einlegen ... Aus diesem Gefühl heraus ist meine Dienstverweigerung gekommen... wollte wenigstens ich in meiner bescheidenen Lage als einfacher Mensch und Bürger meinen geringen Teil beisteuern, um zu diesem höhern Kampf aufzumuntern!»
Am 15. November 1917 veranstalten die radikalen Sozialisten eine «feierliche Kundgebung»: Das Schweizer Volk für den sofortigen Waffenstillstand.
Die Versammlung zieht vor zwei Munitionsfabriken, die ihren Betrieb einstellen. Die Arbeiter werden überzeugt, ihre Arbeit im Dienste des Völkermordes niederzulegen. Daetwyler wird am nächsten Tag mit andern verhaftet. Die Versammelten fordern ihre Freilassung. Am 17. November protestieren Tausende. Polizei und Militär schreiten ein. (...) Daetwyler wird verurteilt: Gefängnis.
Nach seiner Entlassung heiratet er und siedelt sich in Zumikon an. Hühnerfarm, Strickwaren, Zucht von biologischem Gemüse, Blumen, Bienen. Die Arbeit für den Frieden ruht aber auch in dieser Zeit nicht. 1932 findet die Begegnung mit Mahatma Gandhi bei dessen Biograph Romain Rolland in Villeneuve statt. 1934 versucht er vergeblich, Hitler zu treffen, 1938 reist er nach Genf, trifft Bundesrat Motta, agitiert im Völkerbund, wird verhaftet, zieht zu Fuss nach Lyon und Paris. 1939 bricht der Zweite Weltkrieg aus. Daetwyler will erneut zu Hitler und fastet für den Weltfrieden. Wegen unerlaubten Grenzübertritts wird er verhaftet.
Nach dem Tode seiner Frau (1959) zieht er mit seiner «weissen Fahne» durch die Welt, nach Deutschland, nach Ostberlin, doch weder Adenauer noch Ulbricht empfangen ihn, auch De Gaulle nicht. In Moskau erregt er 1960 auf dem Roten Platz Aufsehen, doch Chruschtschow bleibt unerreichbar, und in Amerika und Kuba ergeht es ihm mit Kennedy und Fidel Castro gleich. Auch sein Plan, sich als Präsident einer kubanischen Exilregierung zur Verfügung zu stellen, wird von Kennedy nicht honoriert. In London spricht er im Hyde-Park, aber Macmillan will ihn auch nicht sehen. 1962 fordert er eine Neue Genfer Konvention: «Die Schweiz führt die Welt-Friedensbewegung im Namen Gottes. Hundert Jahre zuvor hat ein Schweizer, Henry Dunant, in Genf eine Organisation geschaffen, um verwundeten Soldaten im Krieg zu helfen. Daraus ist unterdessen das Rote Kreuz geworden.
Während der ersten Zusammenkunft musste General Dufour, ein Freund Henry Dunants, Argumenten von Andersgesinnten begegnen, die erklärten, es wäre besser, den Krieg abzuschaffen als den Verwundeten zu helfen. Seine Antwort lautete, dass die Menschheit für eine so fundamentale Änderung noch nicht bereit sei. Jetzt, hundert Jahre später, legt ein anderer Schweizer das Fundament zur Abschaffung des Krieges. Max Daetwyler hat im Hinblick auf dieses Ziel eine Neue Genfer Konvention proklamiert» (World Peace News, I, London, 28. Januar 1963).
Er ist nun der Prophet, der nie ganz ernst genommen wird.
Werner Wollenberger meint dazu:
«Max Daetwyler ist ein kleiner Mann mit einem grossen Ziel... Er ist kein Pestalozzi, kein Dunant, kein Gandhi – er ist nur der Versuch eines Pestalozzis, eines Dunants, eines Gandhis, der untaugliche Versuch, weil Ideen nur dann Beine haben und nur dann die Welt zu erschüttern vermögen, wenn sie aus ihrer Zeit für ihre Zeit entstehen.»
Dem sind zwei visionäre, prophetische Appelle entgegenzuhalten:
«Mitarbeit zur Förderung des Friedens: Die Erfahrung lehrt, dass der Krieg gegen das Interesse der beteiligten Völker ist, und dass die Staaten Europas wie die Glieder eines Körpers durch Kräftigung des einzelnen insgesamt gewinnen. Diese Wahrheit ist der Weg zum Frieden, und die Notwendigkeit zwingt dazu. Alle Leute aber, die es verspüren, dass die Unschuldigen mit den Schuldigen leiden müssen, sollen ihre Gleichgültigkeit der Katastrophe gegenüber ablegen, das Gewicht des Fatalismus von sich abschütteln.Selbst wenn man annimmt, dass die Anstrengung des einzelnen keinen erheblichen Erfolg bringen kann, so ist doch gewiss, dass die Energien, die zielbewusst auf eine gute Sache gerichtet sind, nicht verloren gehen können.»
(Der Bund, Bern, 22. und 24. Oktober 1915),
und 1964 schreibt er von Moskau aus:
«Heute wehte die weisse Fahne auf dem Roten Platze. Oben auf dem Kreml die rote Fahne Lenins. Welch ein Anblick für die Russen! Wir werden sehen, welche Fahne mächtiger ist. Ich weiss es. Die Herren im Kreml ahnen es ...» Er hat es gewusst, und weil er es wusste, mussten sie ahnen.... «Ein (...) vielverleumdeter, einfacher Mensch wird Europa, der Welt, den Stempel der Gewaltlosigkeit, der Völkerversöhnung, der Einheit, der Wahrheit, der Menschenliebe aufdrücken.»
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