Frontalunterricht ist besser als sein Ruf

18. Februar 2013

Das unerwartete Ergebnis: Stures Pauken von Wissen und Verständnis, das Lavy als „Kern traditionellen Unterrichtens" bezeichnet, hat den stärksten positiven Lerneffekt.

Das sture Auswendiglernen gilt modernen Bildungsforschern als veraltet und uneffektiv. Eine Studie aus Israel kommt nun teils zum gegenteiligen Schluss. Entscheidend sei vielmehr ein Mix der Lehrmethoden.

Es ist eine etwas andere Mission: Statt in den Krieg, sollen britische Ex-Soldaten demnächst in die Klassenräume des Landes ziehen. Im Schnellverfahren zu Mentoren oder Lehrern weitergebildet, sollen sie als Vorbilder dienen und Schülern „Selbstdisziplin und die Bedeutung von Teamwork beibringen", sagt der britische Bildungsminister Michael Gove.

Der konservative Politiker hat sich auf die Fahnen geschrieben, traditionellen Lehrmethoden wieder mehr Bedeutung zu verschaffen: Verben konjugieren, historische Daten auswendig lernen, das kleine Einmaleins aufsagen   – all das soll im Lehrplan wieder mehr Gewicht bekommen.

Über Soldaten im Klassenraum lässt sich streiten   – aber traditionelle Lehrmethoden stärker in den Unterricht einzubeziehen, könnte die Leistungen der Schüler tatsächlich verbessern. Das zumindest legt eine aktuelle Studie des israelischen Ökonomen Victor Lavy nahe, der modernen Unterrichtsmethoden ein durchwachsenes Zeugnis ausstellt.

Um herauszufinden, wie erfolgreich verschiedene pädagogische Ansätze wirken, wertete der Ökonom der Jerusalemer Hebrew University einen riesigen Datensatz aus. In den Jahren 2002 und 2005 hatten israelische Fünft- und Achtklässler aus Hunderten Schulen in einer Befragung angegeben, wie ihre Lehrer sie unterrichten: Fragen sie besonders oft Wissen und Verständnis ab, oder ermutigen sie ihre Schüler in erster Linie, kritisch zu denken, verschiedene Lösungswege auszuprobieren und eigenständig zu arbeiten?

Die Antworten der Schüler verglich Lavy mit ihrem Abschneiden in schulübergreifenden Leistungstests in Mathe, Englisch, Hebräisch und in den Naturwissenschaften.

Das unerwartete Ergebnis: Stures Pauken von Wissen und Verständnis, das Lavy als „Kern traditionellen Unterrichtens" bezeichnet, hat den stärksten positiven Lerneffekt. Moderne Methoden wirken sich dagegen sehr unterschiedlich aus: So fand der Ökonom keinen Hinweis dafür, dass Schüler, die beigebracht bekommen, besonders eigenständig zu arbeiten, in den Tests besser abschneiden. Der methodische Fokus auf analytisches und kritisches Denken dagegen hat einen ähnlich positiven Einfluss wie das Pauken.

Lavys Studie zeigt zudem, dass Schüler sehr unterschiedlich auf die verschiedenen Methoden anspringen: Von den neueren Methoden profitieren tendenziell Schüler aus höheren Gesellschaftsschichten. Die altmodischen Unterrichtsformen kommen dagegen eher sozial Schwachen zugute.

Dass die soziale Herkunft eine Rolle spielt, begründet der Forscher damit, dass Schülern aus bildungsfernen Familien zu Hause häufig die Anleitung zum Lernen fehlt und ihnen strengere Vorgaben und das Auswendiglernen daher besonders helfen.

Bemerkenswert ist die Größe der Effekte: „Die richtige Methode bewirkt mehr, als die Klassen zu verkleinern oder die Stundenzahl zu erhöhen", bilanziert Lavy. Aus seinen Ergebnissen folgert der Forscher, dass den Schülern ein Mix aus alten und den besten neuen Methoden am meisten bringt.

Die Erkenntnisse sind ein wichtiger Beitrag zur bildungspolitischen Debatte   – denn bislang werden die Ansätze häufig als Konkurrenten gesehen. „Alte und neue Unterrichtsmethoden schließen sich aber nicht aus, sie können sich ergänzen", betont dagegen der israelische Volkswirt. Den Schulbetrieb in diese Richtung anzupassen, habe einen besonderen Charme: Anders als viele andere Bildungsreformen sei dies weder teuer noch kompliziert. .

 Es müsste Demonstrationen geben, mit Spruchbändern: »Wir fordern Frontalunterricht! « Alle Volkshochschulen müssen durch Sitzblockaden lahmgelegt werden, so lange, bis es wieder Frontalunterricht gibt.

„What Makes An Effective Teacher? Quasi-Experimental Evidence", von Victor Lavy, NBER Working. Paper 16885 (2011).

Quelle:
http://www.handelsblatt.com/politik/oekonomie/nachrichten/wissenswert-frontalunterricht-ist-besser-als-sein-ruf/6303860.html

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