Mütterliche Zuwendung mildert die Stressempfindlichkeit
Herr Meaney, was hat Ihr Interesse an den Folgen frühkindlicher Erfahrungen geweckt?
Bereits in den 1950er und 1960er Jahren beschrieben Forscher aus Montreal, wie Stress die Entstehung etlicher Krankheiten fördert. Ich selber habe mich von jeher dafür interessiert, weshalb manche Menschen stressresistent sind und andere nicht. Dabei kam mir der Gedanke, den Unterschied in den frühkindlichen Erlebnissen zu suchen. Meine erste Frage dabei war: Was ist das Prägendste am Lebensanfang?
Die Mutter?
Genau. Die Mutter bestimmt das Umfeld des Kindes, und zwar vollständig vor der Geburt und zu einem erheblichen Anteil danach. Wie wir dann bei Ratten beobachtet haben, kümmern sich manche Weibchen ausgesprochen liebevoll um ihre Brut und lecken diese ständig ab, während andere ihrem Nachwuchs nur wenig Aufmerksamkeit schenken. Das Leckverhalten der Mutter beeinflusst sowohl die Hirnentwicklung als auch das Körperwachstum des Kindes.
Die Zuwendung der Mutter stimuliert auch das Körperwachstum?
Ja, auf jeden Fall. Bevor wir mit unseren Studien begannen, hatten andere Forscher bereits herausgefunden, dass liebevolle mütterliche Zuwendung die Ausschüttung von Wachstumshormon beim Kind steigert. Dieser Botenstoff spielt bei der Entwicklung sämtlicher Körpergewebe eine zentrale Rolle. Das heisst: Der gesamte Körper steht unter dem Einfluss der mütterlichen Pflege, nicht nur das Gehirn.
Anmerkung von Willy Wahl:
Mir scheint dies ein überaus wichtiger Beitrag zu sein, allerdings mit einem verkürzten Titel. Es geht bei der mütterlichen Zuwendung – sprich der seelichen Befindlichkeit der Mutter – in den ersten Tagen, Wochen und Monaten nicht nur um Stressmilderung, sondern um viel mehr: Die gesamte Persönlichkeitsentwicklung des neuen Erdenbürgers – egal wo auf der Welt – steht zur Diskussion.
Dieses komplexe frühkindliche Mutter-Kind-Geschehen mit entscheidenden Auswirkungen auf die Charakterbildung des Neugeborenen wurde von Alfred Adler bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts erforscht und beschrieben.
Warum diese Erkenntnisse, bisher x-fach von verschiedenen ernsthaften Forschern bestätigt, wie nun von Meaney, der Allgemeinheit und vor allem den Müttern nicht aktiv kommuniziert werden, wäre eine lohnende Aufgabe für die gesamte Menschheit, sich der Beantwortung dieser Frage zu stellen.
Die Jakobs-Stiftung könnte dabei mithelfen.
Der in Montreal tätige Neurobiologe Michael Meaney erhält am heutigen 5. Dezember den Klaus J. Jacobs Research Prize 2014 der Zürcher Jacobs Foundation, der mit 1,2 Millionen Franken dotiert ist – eine der weltweit höchstdotierten Auszeichnungen ihrer Art.
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