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Vatican beendet den Kampf gegen die Befreiungstheologie

Mit der Seligsprechung Óscar Romeros anerkennt Rom den Einsatz des ermordeten salvadorianischen Erzbischofs für die Armen. Und beendet den Kampf gegen die Befreiungstheologie.
von Michael Meier
19. Mai 2015
Kurz vor seinem Tod sagte Óscar Romero: «Wenn sie mich umbringen, werde ich im salvadorianischen Volk auferstehen.» Es war keine falsche Prophezeiung. Die Kugel traf den Erzbischof am 24. März 1980. Doch noch heute hängt sein Foto überall in El Salvador in den Hütten der Campesinos. Als Gestalt der Hoffnung.(...)

Romero Bischof

Bischof Romero

(...) Auch Romeros Nachfolger operierte ganz auf der offiziellen Linie Roms. Diese wurde vom langjährigen Glaubens­präfekten Joseph Ratzinger vorgegeben. Und bestand darin, nicht nur die Befreiungstheologie zu bekämpfen, sondern auch alle Befreiungstheologen. Noch 2007, damals schon als Papst Benedikt, erklärte Ratzinger die Lehren von Jon Sobrino für gefährlich. Dieser war der ehemalige Berater Romeros.

Befreiungstheologie ist zurück

Papst Franziskus weiss, dass sich die weltpolitische Lage verändert hat. Der ideologische Konflikt um die marxistische Gefahr der Befreiungstheologie ist verblasst. Nach dem Fall der Mauer kann er Óscar Romero seligsprechen lassen, ohne verdächtigt zu werden, mit anti­religiösen Ideologen zu paktieren. Als ­Jesuiten-Oberer in Argentinien agierte Jorge Mario Bergoglio freilich noch treu auf der Linie von Kardinal Ratzinger. Beide waren von der Angst zur Zeit des Kalten Krieges ­geprägt, der gottlose Kommunismus könnte Kapitalismus wie Katholizismus in Lateinamerika zersetzen. Dieselbe Haltung, die auch Romero bis zu seiner Bekehrung teilte.

Im September 2000 legten die argentinischen Bischöfe, darunter der Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio, vor dem Bildnis Romeros ein Schuldbekenntnis ab für ihr Schweigen unter dem Obristenregime 1976 bis 1983. Sie brachten damit zum Ausdruck, dass Romero das gelebt hatte, wozu ihnen während der Militärdiktatur der Mut fehlte. Anders als sie hatte Romero in den Zeiten des Terrors Partei für die Armen ergriffen, mit ihnen Brot und Bedrohung geteilt und dafür mit dem Leben bezahlt.

Mit Romeros Seligsprechung ist nun der römische Kampf gegen die Befreiungstheologie beendet. Und kirchen­offiziell beglaubigt, dass Óscar Romero als Anwalt der Armen nicht auf der falschen Seite gestanden hatte.

Niemand war über Todesdrohungen überrascht. Auch er nicht.

Als Toter blieb Romero so gegenwärtig wie als Lebender.

ein Auszug aus "Der verehrte Bekehrte"

Literaturtipps

  • James R. Brockman, Oscar Romero: Anwalt der Armen. Eine Biografie. Topos Verlag 2015.
  • Martin Maier, Oscar Romero: Kämpfer für Glaube und Gerechtigkeit. Herder Verlag 2010.
  • Johannes Meier (Hg.), Die notwendige Revolution. Grünewald Verlag 2000.
  • Oscar A. Romero, In meiner Bedrängnis. Tagebuch eines Märtyrerbischofs 1978   – 1980. Herder Verlag 1993
  • Eva-Maria Kremer, Mord am Altar. Das Zeugnis des Erzbischofs Oscar Arnulfo Romero. Rex Verlag 1992
  • Placido Erdozain, San Romero de America. Das Volk hat dich heiliggesprochen. Jugenddienst Verlag 1984

Zusammengestellt von:
http://www.br.de/radio/bayern2/gesellschaft/katholische-welt/oscar-romero-seligsprechung-100.html


Quelle: Tages-Anzeiger, 2015-05-19
https://www.tagesanzeiger.ch