Skip to main content

Offener Brief an die Kommission der Europäischen Union

09. Juli 2014

Offener Brief an die Kommission der Europäischen Union

Offener Brief von Prof. Jean-Daniel Clavel, Dr. sc. techn, ing. dipl. & lic ès sc. économiques, an die Kommission der Europäischen Union (übersetzt aus dem Französischen).

Massenzuwanderung

Sehr geehrter Präsident, Sehr geehrte Kommissare

Die Schweizer Stimmbevölkerung hat am 9. Februar 2014 entschieden, die Massenzuwanderung in die Schweiz zu begrenzen. Viele Gründe erklären diese Entscheidung. Erstens ist der Ausländeranteil in der Schweiz heute schon um einiges höher als in den allermeisten Ländern der EU: 23-24% gegen weit unter 12% in den meisten EU-Ländern (*1). Eine masslose Zuwanderung zu dulden, wäre eine direkte Bedrohung für die nationale Identität und Unabhängigkeit des Landes. Siehe das Beispiel Krim! Zudem bewirkt eine beträchtliche Einwanderung in die Schweiz eine Erhöhung der Wohnkosten, der Sozialausgaben und folglich der Steuer.

Zweitens wurden von einigen Europäischen Regierungen seit den späteren 1970er Jahren schwere wirtschaftspolitische Fehler begangen, welche zu miserablen wirtschaftlichen Leistungen führten und grosse Auswanderungsbewegungen auslösten. Nachweislich wurden die Empfehlungen der OECD nicht befolgt. Es ist nicht die Sache der Schweizer Bevölkerung, für die Fehler dieser Regierungen zu bezahlen.

Drittens ist insbesondere die Wirtschafts- und Handelspolitik der EU gegenüber dem Maghreb und Westafrika direkt für den Anstieg der masslosen Einwanderung in Europa verantwortlich. Die euro-mediterrane Partnerschaft EUROMED (Barcelona 1995) konnte auf beiden Seiten des Mittelmeeres zu keiner fairen Entwicklung und Zusammenarbeit führen. Anlässlich eines von mir geleiteten wissenschaftlichen Seminars an der Ecole Nationale d’Administration in Rabat im Dezember 1995 im Auftrag der französischen Regierung haben marokkanische Teilnehmer klar Stellung genommen: „Wenn Frankreich unsere Produkte nicht akzeptiert, muss sie uns als Emigranten akzeptieren“.

Und die OECD hat mehrfach auf dieses heikle Thema der Gründe, welche hinter der afrikanischen Einwanderung nach Europa stehen, hingewiesen. Zudem hindert das Vorgehen einiger europäischen Banken die Entwicklung dieser Länder, was zu grossen Emigrationsströmen nach Europa und in die Schweiz führt: siehe zum Beispiel die jährlichen Kosten für eine Kreditkarte   – über den minimalen Monatslohn! Wäre ein europäischer Konsument bereit, etwa 2‘000 EURO Jahresgrundgebühr für eine Kreditkarte zu bezahlen? Müssen die Schweizer für diese Kolonialpolitik der EU in Afrika zahlen? Nein!

Letztendlich ist die antidemokratische Tendenz der EU (*2) abstossend. Die Mehrheit der EU-Bürger hat so gut wie nie die Möglichkeit, ihre Ansicht zu den wichtigsten Fragen, welche sie betreffen, direkt äussern zu können. Zwei Beispiele: 1/ Die Slowakei wurde gezwungen, d.h. ohne Volksabstimmung, Griechenland bei seinen Bemühungen die Schulden zu reduzieren, zu unterstützen. 2/ Der griechischen Regierung wurde durch die EU verboten, ein Referendum über das Sparprogramm durchzuführen. Frage: ist die EU eine Schlachtbank oder ein demokratischer Staatenbund?

Somit ist die demokratische Schweiz ein Problem für die europäischen Politiker   – insbesondere für den deutschen Bundespräsidenten Gauck. Der atavistische Drang nach einem starken Chef, welcher den Äusserungen von Bundespräsident Gauck innewohnt, wirkt sehr problematisch. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Herr Gauck der Schweiz oder Europa einen „Führer“ aufzwingen möchte. In der Tat könnte es aber nicht mehr sehr lange dauern, bis Deutschland Europa an die Hand nimmt: die Wahl Juncker‘s als Kommissionspräsident wird nicht die EU verstärken aber indirekt Deutschlands Führerrolle verstärken   – und dies gewaltlos, aber dank dem dramatischen Mangel an politischer Vision der europäischen Politiker.

Daher, Herr Präsident und Kommissare, bevor sie die Nadel im Heuhaufen Ihres Schweizer Nachbarn suchen, kehren Sie erst vor Ihrer eigenen Tür.

Eine Kopie dieses Schreibens geht an das Guinness Buch der Rekorde für zwei absolut verdiente Rekorde: der Rekord der wirtschaftlichen Inkompetenz und der Rekord der demokratischen Farce.

Mit hochachtungsvollen Grüssen
Prof. Jean-Daniel Clavel

(*1) Siehe EUROSTAT/INSEE, 2012/2013

(*2) Am Ende des Wirtschaftsforums in Bonn im März und April 1990 haben mir einige europäischen Kollegen gesagt, „jetzt ist fertig, die Schweiz hat nichts mehr zu sagen. Sie muss sich anpassen. Dieses kleine Land hat zu folgen und stramm zu stehen.“

Quelle:
http://www.eu-no.ch/news/offener-brief-an-die-kommission-der-europaeischen-union_8

Weitere Beiträge in dieser Kategorie